Jetzt spricht Pilz: Spionage-Fall Ott ist "richtige Sauerei"
Ex-Grünen-Politiker und Herausgeber des Onlinemediums "zackzack" Peter Pilz fasst die Causa rund um Ex-BVT-Mitarbeiter Egisto Ott nochmal zusammen, im Grunde sei der Vorwurf gegen Ott "Landesverrat".
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Die Hintergründe: Handy-Geheimnisse: Was hinter der Spionage-Festnahme steckt
Drei Dinge dürften passiert sein, so Pilz:
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Putin-Gegner und Dissidenten wurden ausspioniert und überwacht.
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Informationen aus allen möglichen Bereichen seien weitergegeben worden.
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Drei Handys von Spitzenbeamten wurden weitergegeben.
Das sei eine "wirkliche Sauerei".
"Eine österreichische Geschichte"
Der kuriose Ursprung der Innenministeriums-Chats war ein Bootsunfall, bei dem der Frau des Bundeskanzlers Karl Nehammer (ÖVP), Katharina Nehammer, Handys ins Wasser fielen. Diese wurden dann Beamten des BVT übergeben, dort sollen Kopien der Daten angefertigt worden sein, die dann von Ott an russische Kontakte weitergegeben wurden.
Es sei ein "ziemlich angesoffenes" Sobotka-Kabinett gewesen, dass den Kajak-Ausflug gewagt hatte, so Pilz. "Sie können nicht mehr richtig stehen und nicht mehr richtig Bootsfahren". Mit Reis-Sackerln seien die Handys beim BVT getrocknet worden. Wolfgang Sobotka (ÖVP) war zwischen 2016 und 2017 Innenminister.
Pilz weiß, dass Daten vom Handy des ehemaligen Innenministerium-Kabinettschefs Michael Kloibmüller gezogen wurden. Betroffen sind auch Michael Takacs, mittlerweile Bundespolizeidirektor; sowie Gernot Maier, Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl. Den Betroffenen sei schon vor einigen Tagen mitgeteilt worden, dass "ihre Handys" beim russischen Geheimdienst lägen, heißt es aus deren Umfeld.
Informationen aus England
Die Staatsanwaltschaft habe nun Beweise, dass die Handy-Daten der Spitzenbeamten dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB angeboten wurden. Pilz geht davon aus, dass diese vom britischen Geheimdienst kommen.
"Man gibt solche Datensätze nicht an die Staatsanwaltschaft, sondern man gibt’s einem Diktator, der jede Information nützen wird, um freien westlichen Demokratien und der Europäischen Union zu schaden."
BVT schützte Ott?
Pilz kennt Ott schon lange. Dieser stamme aus dem Umfeld von Jörg Haider und sei dann mit dem Kern der ÖVP aneinandergeraten. Bereits 2019 habe der deutsche Verfassungsschutz Informationen haben wollen, so Ott, aber damals habe der österreichische Nachrichtendienst gesagt, dass es dafür keine Hinweise gegeben habe.
Eigentlich wollte Pilz am Freitag ein Interview für sein Medium mit Ott vereinbaren, dann wurde dieser aber verhaftet. "Jetzt wird er halt statt mir vom Staatsanwalt interviewt."
Österreich, der "Putin-Dienst"
Österreich gelte in der gesamten westlichen Welt, was Wirtschaft, Politik, Banken und Geheimdienste betrifft, als das "trojanische Pferd von Wladimir Putin". Der russische Machthaber benutze Österreich als Einfallstor, es sei für russische Geheimdienste "offen, wie ein Scheunentor".
So habe Pilz in seiner Zeit als Abgeordneter auch erfahren, dass der FSB ein Verbindungsbüro im Innenministerium hatte. Das gäbe es "in der ganzen freien Welt nicht". "Geschenkannahme von russischen Geheimdiensten war vollkommen normal."
Mit dem Freundschaftsvertrag unter nun FPÖ-Chef Herbert Kickl als Innenminister habe sich diese Beziehung noch weiter ausgedehnt. "Wir gelten als der Putin-Dienst in der Europäischen Union".
Kickl habe im Innenministerium "unermesslichen" Schaden verursacht, so Pilz. Durch den "Sturm" auf das BVT seien auch Quellen, die im rechtsextremen Milieu gearbeitet hatten, gefährdet worden.
Österreichplan oder heimische Leitkultur würden Putin nicht interessieren, aber Informationen zu Wirecard oder wirklich sensible Informationen schon. "Dann sind Putin und seine Agenten hellwach", denn "Putins Agenten haben sich wesentlich mehr für Wirecard interessiert als für ÖVP".
Schlecht informiert
Man müsse sich nun die Netzwerke von ÖVP und FPÖ zu Russland sehr genau anschauen. Pilz denkt, dass die Neuaufstellung des BVT als DSN (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst) versucht, besser zu agieren. Trotzdem wüsste der österreichische Verfassungsschutz "erstaunlich wenig".
Zwei Muster würden sich bei Terrorismus-Bedrohungen immer wieder wiederholen: Der Verfassungsschutz hätte es oft wissen können und Informationen kommen in den meisten Fällen von amerikanischen oder britischen Geheimdiensten.
Pilz habe sein ganzes Leben lang versucht, Netzwerke in Österreich aufzudröseln, "die ÖVP habe nichts getan in dieser Zeit, als Parteibuch-Wirtschaft im Verfassungsschutz". FPÖ und ÖVP hätten den Verfassungsschutz "runtergewirtschaftet" und anfällig gemacht. Anschuldigungen von ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker zu Pilz eigener Verbindung zu Ott, nennt er "völligen Quatsch".
Video: Parteien fordern Aufklärung
"Riesen Sicherheitsgefahr"
Russland habe in Österreich eine "Wohlfühloase" vorgefunden, wo willige Parteien für Propaganda vorgefunden hat, so auch Grünen-Politiker David Stögmüller. "Sie wissen, von wem ich rede, von der FPÖ."
Die politische Verantwortung sei noch zu klären, aber neu sei nun, dass die FPÖ ihre Pläne auch umgesetzt hat. "Das ist eine Riesen-Sicherheitsgefahr für Österreich". Deshalb fordern die Grünen auch einen Untersuchungsausschuss.
Es brauche Aufklärung, denn, wenn der Geheimdienst von Österreich von Russland unterwandert ist, "welche Informationen sind dann noch sicher"? Neben dem U-Ausschuss für die Aufklärung der Causa brauche es auch internationale Zusammenarbeit, um hier zum Beispiel auch die EU-Wahl vor Beeinflussung zu schützen, so Stögmüller.
Auch die NEOS fordern Aufklärung. "Es ist höchst an der Zeit, dass ÖVP und Grüne entschiedener gegen Spionage auf österreichischem Boden vorgehen. Spione haben die Wahrnehmung, dass sie in Österreich unbehelligt tätig sein können. Damit muss endlich Schluss sein", meinte NEOS-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper in einer Aussendung.
Zusammenfassung
- Eigentlich wollte man nur Handys mit Reis trocknen - was folgte, war der Zusammenbruch des österreichischen Geheimdiensts.
- Ex-Grünen-Politiker Peter Pilz schildert seine Sicht der Dinge.
- Auch seine ehemalige Partei fordert institutionelle Aufklärung.