Israel im Krieg: Wie Umgehen mit Antisemitismus nach Hamas-Terror?
In Österreich wurde nach dem Terror-Angriff der Hamas zu Gedenken und Protesten aufgerufen. Kurz nach dem Angriff wurde eine pro-palästinensische Demo in Wien verboten, weil sie bereits mit antisemitischen Parolen angekündigt wurde.
Bei "Pro und Contra" diskutierten auf PULS 24 Salah Abdel Shafi, der Botschafter Palästinas in Österreich, Soziologe Kenan Güngör, die jüdische Liedermacherin und Aktivistin Isabel Frey, Liedermacherin, Publizist und Autor Harry Bergmann sowie Publizist und Autor und "Der Standard"-Innenpolitik-Journalistin Colette Schmidt.
Besonders bei Jugendlichen, die Inhalte in sozialen Medien (TikTok, Instagram) teilen und konsumieren, stellt sich die Frage, wie dem in Österreich weit verbreiteten Antisemitismus entgegengewirkt werden kann.
Antisemitismus ist in Österreich historisch anders verankert. Im Zusammenhang mit der Politik Israels und dem Nahostkonflikt sind diese Themen auch für Lehrer:innen schwierig zu thematisieren, so Jugendforscher Güngör.
Hier gibt es eine Verschränkung mit dem Thema Migration - in einigen muslimischen Herkunftsländern ist Antisemitismus Teil der Staatsräson, so zum Beispiel im Iran, oder Jüd:innen und Juden wurden aus diesen Ländern ebenso wie aus Nazi-Deutschland vertrieben.
Prävention vor Extremismus
Güngör kennt umgekehrt aber auch Beispiele, wo man muslimischen Schüler sagt, schau, was "deine" Leute gemacht haben. Das sei nicht hilfreich, so der Bildungsforscher.
Viele Jugendliche in Österreich haben laut Güngör muslimischen Hintergrund. Sie wollen über das von ihnen so empfundene Unrecht gegenüber Palästina sprechen. Und dieses Unrechtsempfinden wird verstärkt, wenn Lehrer, Medien und Politik nicht darauf eingehen können. Wenn man mit Jugendlichen, auch mit Migrations-Geschichte, über Antisemitismus spricht, dann müsse "nicht nur unsere eigene Geschichte aufgrund des Holocausts" abgearbeitet werden.
Erst wenn man das Gefühl hat, ich werde irgendwie gehört und werde nicht als Kind beschuldigt dafür, dann habe ich auch vielleicht das Gefühl, dass ich zumindest kommunikativ anschlussfähiger werde und dadurch vielleicht weniger für andere extremistische Narrative, die es zuhauf gibt.
Keine Hamas-Distanzierung
Wenn die Regierung "versucht zu verstehen, dass diese Menschen auch Familien haben in Gaza", dann würden sich die Menschen nicht ausgeklammert fühlen, sieht auch Palästinenser-Vertreter Salah Abdel Shafi. Er verurteilt die Hamas nicht als Terror-Organisation.
"Die palästinensische Gemeinde hier fühlt sich ausgeklammert von den politischen Parteien, von der Regierung."
Hier hakt auch Innenpolitik-Redakteurin Colette Schmidt ein: Zwischen österreichischen Antisemitismus und dem von muslimischen Jugendlichen, den auch Güngör beschreibt, könne differenziert werden. Jüd:innen in Österreich hätten aber weitaus weniger Angst, kontert sie Shafi, "wenn Sie sich von der Hamas distanzieren, als Vertreter der Palästinenser:innen". Das wäre ein großes, wichtiges Signal, so die Journalistin - so würden alle Palästinenser:innen weiter in einen Topf geworden werden.
Shafi sieht Israel-Kritik und Antisemitismus im deutschsprachigen Raum vermischt. "Es trägt nicht dazu bei, dass sich die palästinensischen Gemeinden inkludiert fühlen."
Das sieht auch Liedermacherin Isabel Frey - durch diese Vermischung würde Radikalisierung entstehen. "Man muss verhindern, dass Menschen, die auch legitime Kritik am Staat Israel haben und an der Besatzungspolitik, daraus schließen, deshalb attackieren wir jetzt jüdische Institutionen in Wien und Österreich - dabei hilft es aber nicht, allen das Label 'antisemitisch' aufzudrücken."
So einfach ist es nicht, wirft Harry Bergmann ein. In Österreich gibt es den Antisemitismus von "rechts", von "links, den klerikalen Antisemitismus, seit Corona gibt es eine neue Welle an Verschwörungstheorien - "Es ist nicht so einfach", wie Frey sagt, kritisiert sie Bergmann.
Frey denkt trotzdem, dass unterschieden werden müsse, zwischen echtem Antisemitismus und falschen Antisemitismus-Vorwürfen. Für Bergmann ist das wiederum einfach: Es gibt nur "keinen Antisemiten" oder "Antisemiten".
Zusammenfassung
- Solidaritätsbekundungen für Palästina auf Social Media - die dann doch antisemitisch sind.
- Wo ansetzen, wenn vor allem die junge Generation nicht weiß, was das überhaupt bedeutet?
- Bei "Pro und Contra" taten sich in der Diskussionen einige dieser gesellschaftlichen Bruchlinien auf.