Simon Harris wird neuer Regierungschef von Irland
"Ich verspreche, dass es immer mein wichtigster Job bleiben wird, euer Dad zu sein." Anschließend wurde er von Präsident Michael D. Higgins offiziell zum "Taoiseach" ernannt, wie das Amt auf Irisch heißt und was man in etwa "Ti-Schock" ausspricht.
Politische Kommentatoren sagen Harris viel Ehrgeiz nach. Er war der einzige Kandidat und wurde mit 88 zu 69 Stimmen gewählt. Harris ist nun der 15. Premierminister in der Geschichte des Landes und noch ein Jahr jünger, als es sein Parteikollege Varadkar von der liberalkonservativen Partei Fine Gael bei Amtsantritt war.
Harris - geboren im Oktober 1986 - hatte bereits mehrere Kabinettsposten inne, war zu Pandemiebeginn Gesundheitsminister und zuletzt für Hochschulen, Wissenschaft und Forschung zuständig. Geprägt hat ihn nach eigenen Angaben die Autismus-Diagnose seines Bruders. Damals habe er angefangen, sich für bessere Informationen und Unterstützung einzusetzen.
Für seine Politik nutzt Harris auch Plattformen wie Instagram und Tiktok. Dort veröffentlicht er regelmäßig Videos, weshalb ihn das Portal "Politico" und die britische Zeitung "Guardian" bereits als "Tiktok-Premierminister" bezeichneten - auch wenn er mit rund 100.000 Followern noch deutlich entfernt ist von den Zahlen großer Tiktok-Stars. In den Clips wirbt er für politische Entscheidungen, kocht auch mal Tee oder ermutigt Schüler vor ihren Prüfungen.
Die Zeitung "Irish Times" schrieb, ein Kollege habe Harris mal als niedlich, gerissen und schlau beschrieben: "Man ist zufrieden damit, dass er einem zugehört hat, auch wenn er danach nicht liefert. Und er weiß alles, was in deinem Wahlkreis passiert." Von Harris wird aber nach Einschätzung der Zeitung auch erwartet, dass er es schafft, mehr junge Menschen für seine Partei zu gewinnen.
Die Koalitionspartner - die ebenfalls liberalkonservative Partei Fianna Fáil sowie die Grünen - unterstützten Harris' Wahl. Er ist bereits der dritte Premierminister innerhalb einer Legislaturperiode. Die Opposition um die linksgerichtete Partei Sinn Fein forderte eine Neuwahl. Sinn-Fein-Chefin Mary Lou Mc Donald kritisierte seine Leistungen als Minister: "Es scheint, dass man in dieser Regierung sich nach ganz nach oben scheitern kann." Sorgen wie Wohnungsnotstand und Obdachlosigkeit würden nun ebenso andauern wie die "Krise in unseren Krankenhäusern".
Harris' Vorgänger Varadkar war Ende 2022 auf Fianna-Fáil-Chef Micheál Martin gefolgt - diese Ämterteilung hatten die Koalitionspartner abgesprochen, auch um Sinn Fein aus der Regierung zu halten. Irland mit seinen gut 5,1 Millionen Einwohnern muss spätestens im Frühling 2025 ein neues Parlament wählen.
Der bisherige Regierungschef Varadkar hatte Mitte März seinen Rücktritt angekündigt und damit sowohl die eigene Partei als auch die Koalitionspartner überrascht. Der 45-Jährige verwies auf persönliche wie politische Gründe, nannte aber keine Details.
Nach Ansicht von Kommentatoren öffnete der homosexuelle Varadkar die streng katholische Gesellschaft weiter. Seine Regierung erlitt zuletzt aber Niederlagen bei zwei Volksabstimmungen: Sie wollte zwei Stellen in der Verfassung zum Familienbegriff und zur Rolle der Frau im Haushalt modernisieren, bekam dafür aber keine Mehrheit. Kritiker machten dafür das chaotische Vorgehen der Regierung verantwortlich. Varadkar wurden zudem Fehler in der Sozial- und Wohnungspolitik vorgeworfen.
Harris kündigte bereits an, seine Schwerpunkte bei der Wohnungspolitik, der Durchsetzung von Recht und Ordnung sowie der Unterstützung kleiner Unternehmen setzen zu wollen. Er wolle ein "Taoiseach" für alle sein, sagte er im Parlament, wo auch seine Ehefrau Caoimhe und die Kinder Cillian und Saoirse die Wahl mitverfolgten. Außenpolitisch dürfte interessant werden, wie sich Irland zum Gazakrieg positioniert. Varadkar hatte das Verhalten Israels schon früh kritisiert.
Ein wichtiges Thema für Harris dürfte auch die Frage einer Wiedervereinigung mit Nordirland sein, das zum wichtigen Nachbarn Vereinigtes Königreich gehört. In einem langen Bürgerkrieg zwischen Gegnern und Befürwortern der politischen Union waren Tausende Menschen getötet worden.
Der TV-Sender Sky News fragte Harris, ob er die Meinung seines Vorgängers teile, dass er zu seinen Lebzeiten noch ein vereinigtes Irland erleben werde. Das sei ein legitimes politisches Ziel, derzeit aber nicht eine seiner Prioritäten, antwortete Harris. Der Brexit sei eine herausfordernde Zeit gewesen. Während Großbritannien aus der Europäischen Union ausgetreten ist, ist Irland weiterhin EU-Mitglied - deshalb sind spezielle Regeln für die Grenze zu Nordirland nötig.
Zusammenfassung
- Leo Varadkar hat als irischer Premierminister zurückgetreten, bezeichnet seine Amtszeit als erfüllendste seines Lebens und kündigt eine neue Ära an.
- Simon Harris, 37, bisheriger Hochschulminister, wurde zum neuen Parteichef der Fine Gael und designierten Premierminister ernannt.
- Varadkar lobte Irland als echte Demokratie und verwies auf globale Megatrends als Ursachen für aktuelle Herausforderungen, nicht auf hausgemachte Probleme.