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Finnland: Kein Asyl für instrumentalisierte Migranten

Elina Valtonen ist seit vergangenem Jahr finnische Außenministerin. Diese Woche ist sie erstmals als Vertreterin Finnlands als NATO-Mitglied auf Besuch in Österreich. Gemeinsam mit ihrer belgischen Kollegin Hadja Lahbib besucht sie am Donnerstag in Wien den Opernball. Davor wird sie auf Einladung des Austria Institute für Europa- und Sicherheitspolitik einen Vortrag über den finnischen NATO-Beitritt halten. Die APA sprach mit Valtonen im Vorfeld ihres Arbeitsbesuchs.

APA: Sie kommen nach Österreich als Ministerin eines neuen NATO-Landes. Verändert dieser Umstand das Verhältnis zu Österreich, das ja immer noch neutral ist?

Valtonen: Finnland und Schweden hatten immer ein sehr enges Verhältnis mit Österreich, und dass Finnland jetzt der NATO beigetreten ist, ändert nichts an der Lage, im Gegenteil. Finnland ist der NATO aus eigenem Sicherheitsinteresse und gemeinsam mit Schweden beigetreten, aber auch weil wir unseren Beitrag zur Sicherheit Europas leisten möchten. Davon profitieren natürlich alle, und Österreich ist als EU-Mitglied einer unserer engsten Partner, und da ändert auch die NATO nichts an der Sache.

APA: In Finnland ist die NATO-Entscheidung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine sehr schnell gefallen. Was ist der Grund dafür? Vorher war ja die Bevölkerung sehr lange gegen die NATO und die Politik war gespalten.

Valtonen: In Finnland war die Neutralität nie ideologisch begründet, in dem Sinn dass man sie politisch verankert hätte. Es ging eher darum, dass wir erstens eine sehr lange Grenze zu Russland haben und zweitens mussten wir uns leider schon einmal gegen Russland, beziehungsweise damals eben die Sowjetunion verteidigen. (...) Diese Vergangenheit hat man hier natürlich nie vergessen. Immer, wenn sich in der Geschichte die Möglichkeit geboten hat, einen Schritt in die westliche Gemeinschaft gehen zu können, dann haben wir diesen Schritt unternommen, und seit wir EU-Mitglied sind, denkt hier keiner, dass wir neutral sind. Klar, wir waren in keinem militärischen Bündnis. Das hing eher damit zusammen, dass man im Großen und Ganzen gedacht hat, dass man das nicht braucht. Wir haben auf unsere eigene starke Verteidigung und Abschreckung gesetzt. Viele haben gedacht, dass es gar nicht möglich ist, der NATO beizutreten. Diese Meinung hat sich dann praktisch über Nacht geändert, als Russland die Ukraine überfiel.

APA: Finnland baut an Teilen seiner Grenze einen Zaun zu Russland, ähnlich wie die Baltischen Staaten und Polen. Die fordern, dass die EU diese Maßnahme bezahlen soll. Ist Finnland auch dieser Meinung?

Valtonen: Wir haben 1340 Kilometer Grenze mit Russland - das ist nicht nur die finnische Außengrenze sondern auch die Außengrenze der Europäischen Union und mittlerweile auch der NATO, und wir beschützen die Grenze, nicht nur für uns, sondern auch für unsere Partner und Alliierten. Tatsächlich ist es so, dass es mit Russland in den letzten Monaten schwieriger geworden ist, weil es nicht mehr unsere gemeinsamen Grenzabkommen respektiert. Sie haben angefangen, Menschen aus Drittländern ohne nötige Dokumente an unsere Grenze kommen zu lassen und nicht nur das. (...) Sie bewerben diese Route über Finnland in die Europäische Union aktiv. Von daher ist es nicht nur eine nationale Frage, sondern eine Frage der Europäischen Union, wie wir gemeinsam an unserer Grenzsicherheit arbeiten können und wie wir sie stärken können. Geld von der EU ist eine Sache, aber das Wichtigste ist, dass wir verstehen, dass es sich hier um hybride Kriegsführung handelt. Wir müssen verstehen, dass die Grenzen heutzutage nicht stark genug sind, um sie gegen solche hybriden Angriffe zu verteidigen. Man muss gemeinsam darangehen, dass wir vielleicht sogar das EU-Recht ändern, dass wir für solche Situationen besser gewappnet sind, wenn ein Drittland unsere Schwächen ausnützt.

APA: An welche Gesetzesänderungen denken Sie dabei?

Valtonen: Wir müssen in einem Fall, wo es sich nicht um herkömmliche Asylwerber handelt, sondern um instrumentalisierte Menschen, wenn es ein Resultat hybrider Kriegsführung ist, in der Lage sein, die Menschen nicht über die Grenze kommen zu lassen. Die meisten Menschen, die zu uns kommen, verfügen über russische Visa. Russland an sich gilt ja als sicheres Drittland, und wenn diese Menschen freiwillig nach Russland gereist sind, dann besteht kein Grund, sie an unsere Außengrenze in die EU hereinzulassen und für sie einen normalen Asylprozess zuzulassen.

APA: In Finnland steht die Stichwahl um das Präsidentenamt an. Sie müssen gemäß der finnischen Verfassung als Außenministerin eng mit dem Präsidenten zusammenarbeiten. Spielt es für Sie eine Rolle, welcher der beiden Kandidaten (der konservative Alexander Stubb oder der Grüne Pekka Haavisto, Anm.) gewinnt?

Valtonen: Ich kenne beide seit langem. Natürlich wähle ich Alexander Stubb, ich bin ja Vizevorsitzende jener Partei, die er vertritt. Aber beide Kandidaten haben nicht nur eine sehr lange Erfahrung in der Außen- und Sicherheitspolitik, sondern sie denken auch über die wichtigsten Dinge ganz ähnlich. Das hat in Finnland Tradition. Wir als kleines Land setzen immer darauf, dass in außen- und verteidigungspolitischen Angelegenheiten ziemlich große Einigkeit zwischen den Parteien herrscht. Von daher mache ich mir überhaupt keine Sorgen, was die Wahl am Sonntag angeht. Dabei muss auch gesagt werden, dass ich mich besonders in den letzten Wochen des Wahlkampfes darüber gefreut habe, in was für einer herzlichen Stimmung die Debatten stattgefunden haben. Wir haben zum Glück auch keine Einflussnahme von Außen beobachtet.

APA: Es finden im Juni auch EU-Wahlen statt. Ist die EU für Finnland wichtiger geworden?

Valtonen: Die EU ist für Finnland immer schon wichtig gewesen, auch in den großen Krisen der EU, zum Beispiel in der Finanzkrise ist die große Mehrheit der Finnen immer für die EU gewesen. Wir sehen in dieser Sicherheitslage schon sehr viele Bereiche, wo wir noch stärker werden müssen, und viele dieser Bereiche fallen tatsächlich in die Kompetenz der EU eher als in jene der NATO. Wir leisten da natürlich gerne unseren Beitrag. Es herrscht große Einigkeit darüber, dass Finnland weiter sehr stark auf die eigene Verteidigung setzen muss, natürlich auch im Bündnis, und dass wir in der EU die Sicherheits- und Verteidigungspolitik gemeinsam stärken müssen. Es gibt viele Kompetenzen, die auf der EU-Ebene verlaufen und nicht auf der Ebene der NATO, gemeinsame militärische Infrastruktur und kritische Infrastruktur, die geschützt werden muss.

APA: Erwarten sie bei der EU-Wahl eine hohe Wahlbeteiligung?

Valtonen: Bisher hat man wegen der Präsidentenwahlen in Finnland noch nicht so an die EU-Wahl gedacht, aber ich erwarte, dass die EU-Wahlen in diesem Jahr für die Bevölkerung wichtiger sein werden. Bedingt durch die Sicherheitslage, nicht nur in Europa sondern auf der ganzen Welt, finden es die Menschen bestimmt umso wichtiger, dass man mit Partnern und Freunden in der EU gemeinsam an den Problemen arbeitet.

(Das Gespräch führte Andreas Stangl/APA)

Elina Valtonen, geboren 1981 in Helsinki, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Deutschland. Sie besitzt sowohl einen technischen als auch einen ökonomischen Universitätsabschluss. Sie arbeitete mehrere Jahre als Analystin für verschiedene Banken, bevor sie in der konservativen Nationalen Sammlungspartei Karriere machte. Seit 2014 im finnischen Parlament, ist sie seit 2020 eine von mehreren stellvertretenden Vorsitzenden ihrer Partei. Seit Juni 2023 ist sie im Kabinett ihres Parteikollegen Petteri Orpo Außenministerin.

ribbon Zusammenfassung
  • Elina Valtonen, die finnische Außenministerin, ist in Österreich zu Besuch und wird einen Vortrag über den finnischen NATO-Beitritt halten.
  • Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ist Finnland der NATO beigetreten und errichtet nun einen Zaun zu Russland.
  • Valtonen plädiert für eine Änderung des EU-Rechts, um besser auf hybride Kriegsführung reagieren zu können.
  • Sie lehnt Asyl für Migranten ab, die als Werkzeuge hybrider Kriegsführung eingesetzt werden.
  • Die Präsidentschaftswahlen in Finnland stehen bevor und Valtonen rechnet mit einer hohen Wahlbeteiligung bei den anstehenden EU-Wahlen.