Wien und Kärnten stimmen Renaturierungsgesetz doch zu
Die beiden SP-regierten Bundesländer Wien und Kärnten werden die Landeshauptleutekonferenz darum ersuchen, "der nun vorliegenden EU-Renaturierungs-Verordnung doch näherzutreten", schrieb Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Freitag auf X (vormals Twitter).
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) könnte nun auf EU-Ebene für das Gesetz stimmen. Aus EU-Kreisen hieß es, die nötige qualifizierte Mehrheit unter den EU-Staaten wäre damit wohl erreicht und könnte in dem Fall erneut zur Abstimmung gebracht werden. Gewessler war bisher durch die ablehnende "einheitliche Länderstellungnahme", die Bundesländer in Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung Landessache ist, abgeben können, die Zustimmung verwehrt. Die Mehrheit der Bundesländer lehnt das EU-Gesetz jedoch weiter ab.
Mehrheit der Bundesländer lehnen EU-Gesetz weiter ab
Zwar werde die Grundsatzidee, Ökosysteme zu renaturieren, grundsätzlich unterstützt. Den rechtlichen und fachlichen Bedenken sei jedoch im Entwurf nur bedingt Rechnung getragen worden, hatte es aus dem Büro der zuständigen Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf (SPÖ) geheißen.
Niederösterreich Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verwies vor dem Bekanntwerden der neuen Pläne in Wien und Klagenfurt auf den aktuellen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz in St. Pölten. "Wir Bundesländer stellen - über alle Partei- und Landesgrenzen hinweg - bei der EU-Renaturierung nicht die Zielsetzung, aber die Maßnahmen zur Zielerreichung in Frage, denn diese bedrohen unsere Bäuerinnen und Bauern."
Mikl-Leitner (ÖVP) verwies am Freitag in einem Brief an Ludwig und Kaiser auf einen Rundruf, der ergeben habe, "dass die Bedenken gegen die geplanten einschneidenden Maßnahmen der konkreten EU-Richtlinie in Sachen Renaturierung bei allen anderen Bundesländern unverändert aufrecht sind". Weil ihr ein breiter Konsens ein ganz großes Anliegen sei, werde sie den Landesamtsdirektor in St. Pölten beauftragen, nochmals die Beratungen mit seinen Amtskollegen in den Ländern aufzunehmen.
Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) will zumindest eine Überarbeitung des geplanten Renaturierungsgesetzes. Aus dem Büro der steirischen Agrarlandesrätin Simone Schmiedtbauer (ÖVP) hieß es, dass es bereits 23 Gesetze oder Richtlinien geben würde, die Maßnahmen zur Renaturierung und zur Steigerung der Biodiversität regeln. Schon jetzt würden die heimischen bäuerlichen Familienbetriebe durch eine Vielzahl von Auflagen, Kontrollen, Dokumentationspflichten und Bürokratie unter Druck stehen.
In Salzburg stellt sich die schwarz-blaue Landesregierung strikt gegen den Gesetzesentwurf. Es sei etwa völlig unklar, wie die Hauptbetroffenen bei der Umsetzung eingebunden und gehört werden, wer unterstützend in welcher Form dabei ist, wer tatsächlich umsetzt und von welchen Ausgleichsmechanismen die Umstellung begleitet wird, teilte das Büro von Agrarlandesrat Josef Schwaiger (ÖVP) mit.
Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte die Ablehnung des EU-Renaturierungsgesetzes in der Landtagssitzung vergangene Woche mit offenen Fragen begründet, die man beantwortet haben wolle, bevor Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) "blind zustimmt".
https://twitter.com/BgmLudwig/status/1791426282367930743
Wien habe die EU-Renaturierungs-Verordnung inhaltlich immer positiv gesehen, hieß es auch in einer Aussendung von Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ): "Gerade auch, weil wir in Wien in vielen Bereichen schon seit langem vorzeigen, wie Arten- und Lebensraumschutz funktioniert", sagte Czernohorszky zum Vorstoß von Bürgermeister Michael Ludwig und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser zur EU-Renaturierungs-Verordnung.
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Auf EU-Ebene habe sich einiges getan: Viele Bedenken der Länder konnten gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag zerstreut werden. Deshalb unterstütze ich den Vorschlag unseres Bürgermeisters sehr, dass es hier nun auch aufseiten der Bundesländer Bewegung geben soll.
Gesetz bisher von allen Bundesländern abgelehnt
Das geplante "Nature Restoration Law" wurde bisher eigentlich von allen Bundesländern abgelehnt. Das EU-Gesetz sieht vor, dass künftig mehr Wälder aufgeforstet, Moore wiedervernässt und Flüsse in ihren natürlichen Zustand versetzt werden. Nach langen Verhandlungen wurde es in einer abgeschwächten Form, die viele der früheren Kritikpunkte wie eine mögliche Gefährdung der Ernährungssicherheit berücksichtigte, im EU-Parlament beschlossen.
Ende März wurde es von der belgischen Ratspräsidentschaft beim Rat der EU-Umweltminister jedoch kurzfristig von der Agenda genommen, als sich vor der finalen Absegnung des Gesetzes keine qualifizierte Mehrheit (mindestens 55 Prozent der Mitgliedsländer, die zudem mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der Union repräsentieren, Anm.) abzeichnete.
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) war bisher durch die ablehnende "einheitliche Länderstellungnahme", die Bundesländer in Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung Landessache ist, abgeben können, die Zustimmung verwehrt. Der nächste EU-Umweltrat findet am 17. Juni in Luxemburg statt.
Video: Waitz über das gescheiterte EU-Renaturierungsgesetz
Zusammenfassung
- Die bisherige Blockade der Bundesländer bezüglich der Zustimmung Österreichs zum EU-Renaturierungsgesetz hat am Freitag zu bröckeln begonnen.
- Die beiden SP-regierten Bundesländer Wien und Kärnten werden die Landeshauptleutekonferenz darum ersuchen, "der nun vorliegenden EU-Renaturierungs-Verordnung doch näherzutreten", schrieb Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Freitag auf X.
- Die Mehrheit der Bundesländer lehnt das EU-Gesetz jedoch weiter ab.
- Das geplante "Nature Restoration Law" wurde bisher eigentlich von allen Bundesländern abgelehnt.
- Das EU-Gesetz sieht vor, dass künftig mehr Wälder aufgeforstet, Moore wiedervernässt und Flüsse in ihren natürlichen Zustand versetzt werden.