Migration: Merz besteht auf Abstimmung
Die FDP hatte für die überraschende Wende gesorgt: FDP-Fraktionschef Christian Dürr kündigte nach einer Fraktionssondersitzung an, dass die Liberalen beantragen werden, den Gesetzesentwurf zurück in den Innenausschuss zu überweisen.
Damit würde eine Verabschiedung mit den Stimmen der AfD vermieden, die als Tabubruch in der Bundestagsgeschichte bezeichnet worden war. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kündigte daraufhin an, dass seine Fraktion diese Rücküberweisung in den Ausschuss mittragen würde.
Nun kommt es auf das Verhalten der Grünen oder der Union an. Stimmen diese ebenfalls zu, würde die Abstimmung abgesetzt. Die Bundestagssitzung wurde auf Antrag der Unionsfraktion für eine halbe Stunde unterbrochen. Die Abgeordneten von CDU und CSU wollen sich in dieser Zeit erneut beraten und auch mit FDP und SPD sprechen.
Unterbrechung der Sitzung
Die Bundestagssitzung wurde auf Antrag der Unionsfraktion unterbrochen, die Union ging neuerlich in Beratungen. Man habe mit SPD und Grünen gesprochen, die aber keine Änderungen wollten, sagte Merz in einer Sonderfraktionssitzung nach Teilnehmerangaben.
Dürr beklagte demnach nach Beratungen mit Merz, dass SPD und Grünen keine Bereitschaft gezeigt hätten, dem inhaltlich richtigen Gesetzesentwurf zu einem späteren Zeitpunkt zuzustimmen. Die FDP wolle deshalb nun von der zuvor geforderten Rücküberweisung in den Innenausschuss absehen, heißt es weiter.
"Wir müssen heute entscheiden", habe Merz gesagt und langen Applaus erhalten. Denn es sei klar, dass es in dieser Wahlperiode mit SPD oder Grünen keinerlei Gespräche mehr zu Maßnahmen in der Migrationspolitik geben werde. Merz nimmt damit in Kauf, dass die in Teilen rechtsextreme AfD dem Antrag zu einer Mehrheit verhilft.
Wahlkampf im Bundestag
Zuvor hatte Oppositionsführer Friedrich Merz die CDU/CSU-Abgeordneten auf harte Auseinandersetzungen im Wahlkampf eingestimmt. "Wir müssen diesen Sturm jetzt aushalten. Das haben wir schon öfters erlebt", sagte der CDU-Vorsitzende nach Informationen aus Teilnehmerkreisen in der Früh in einer Sondersitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin.
Erneut lehnte er eine Zusammenarbeit mit der AfD auch nach der Bundestagswahl entschieden ab. Merz habe außerdem gesagt, die Einschätzung, dass die Abstimmung über Unions-Anträge mit AfD-Stimmen eine Zusammenarbeit mit der AfD sei, sei "an den Haaren herbeigezogen".
Video: Bundestag beschließt Migrationspaket
Scholz verweist auf Österreich
Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dagegen warnt vor einer Koalition der Union mit der AfD. Auf die Frage, wann er dies für denkbar halte, sagt der Sozialdemokrat in einem "Zeit"-Podcast: "Im Oktober zum Beispiel".
Scholz verwies auf die Entwicklung in Österreich, wo die ÖVP nach den gescheiterten Verhandlungen mit SPÖ und NEOS, nun an einer Koalition mit der FPÖ bastelt. "Alle haben gesagt, sie würden nicht mit der FPÖ koalieren. Und dann kommt jetzt eben doch möglicherweise eine Koalition mit denen und sogar ein FPÖ-Kanzler", sagte Scholz. Er spricht von möglichen "Pro-forma-Gesprächen" der Union mit anderen Parteien nach der Wahl.
Der Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck schrieb auf X: "Dass Friedrich Merz sein Wort gebrochen hat und seine Union mit Rechtsextremisten paktiert, ist ein Bruch in unserer demokratischen Kultur."
Zustrombegrenzungsgesetz im Bundestag
Kern des sogenannten Zustrombegrenzungsgesetzes ist die Aussetzung des Familiennachzugs zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus. Das sind häufig Kriegsflüchtlinge, zum Beispiel aus Syrien.
Außerdem sollen die Befugnisse der Bundespolizei erweitert werden. Sie soll künftig, wenn sie in ihrem Zuständigkeitsbereich - also etwa an Bahnhöfen - Ausreisepflichtige antrifft, selbst für eine Abschiebung sorgen können. Für die Abstimmung im Bundestag haben die AfD, die liberale FDP und das linkspopulistische Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Zustimmung signalisiert. Auch der Bundesrat müsste zustimmen.
Zusammenfassung
- Der Deutsche Bundestag soll am Freitag über einen weiteren Vorschlag der Union CDU/CSU zu Verschärfungen in der Migrationspolitik beraten.
- Anders als bei den Anträgen am Mittwoch geht es in diesem Fall um ein Gesetz, das rechtlich bindend wäre.
- Unmittelbar vor der Entscheidung wurde die Sitzung unterbrochen.
- FDP und SPD wollten eine Abstimmung mit Stimmen der rechtspopulistischen AfD abwenden.
- Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz bestand aber auf einer Abstimmung.