Bundeskongress: Grüne stimmen gegen Urwahl des Parteichefs
Die Grünen werden ihren Parteichef auch künftig nicht per Urabstimmung wählen. Beim Bundeskongress der Partei am Sonntag in Linz erhielt ein entsprechender Antrag überraschend nicht die nötige Zweidrittelmehrheit, sondern nur 62,7 Prozent der Delegiertenstimmen. Auch das Bestimmungsrecht des Bundessprechers über zwei vordere Listenplätze für Bundeswahlen kommt damit nicht. Die Statutenänderung war ein deklarierter Wunsch von Bundessprecher Werner Kogler.
Angedacht wäre gewesen, dass künftig die 7.000 Mitglieder der Landesparteien den/die Bundessprecher/in wählen dürfen und nicht nur die rund 280 Delegierten des Bundeskongresses. Bewerben hätte sich jedes Mitglied mit zumindest 100 Unterstützern können. Lange war an der Änderung der Statutenänderung gearbeitet worden, auch bis zum späten Samstagabend war noch diskutiert und der Antrag modifiziert worden. Es gab aber zu viele kritische Stimmen, etwa aus den Landesorganisationen Niederösterreich und Wien sowie vom "zehnten Bundesland" (Minderheiten bzw. Zuwanderer).
Breite Mehrheit für andere Änderungen
Andere Statutenänderungen wurden hingegen mit breiter Mehrheit angenommen. So heißt die Grüne Bildungswerkstatt jetzt Bildungsinstitut, das Parteischiedsgericht nicht mehr "Friedensgericht". Staatssekretäre werden parteiintern als Regierungsmitglieder gewertet und entsprechend in den Gremien berücksichtigt, der Bundessprecher durchgehend gegendert.
Einstimmig akzeptiert wurde der Leitantrag zum Bundeskongress, in dem die Bewältigung der Klimakrise als historischer Auftrag der Grünen bezeichnet wurde. Gefordert wurden neue Wege für Klima, Gesellschaft und Demokratie. Die Generaldebatte dazu - die erst nach Journalistenprotesten öffentlich abgehalten wurde - verlief kurz und weitgehend harmonisch. Kritischste Stimme war Martin Margulies aus Wien, der sich dafür aussprach, die auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich stärker zu berücksichtigen
Kogler: "Regieren ist nichts für Lulus"
Bundessprecher Werner Kogler hat am Sonntag mit einer Brandrede die Koalition der Grünen mit der durch Justizermittlungen in Bedrängnis geratenen ÖVP verteidigt. Sich dafür zu entschuldigen, dass man regiere, sei ein "Blödsinn", denn "besser die Richtigen regieren, als die Falschen". Lob gab es beim Bundeskongress der Partei in Linz für die grünen Regierungsmitglieder, Jubel für Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Die neuen in der Riege, Wolfgang Mückstein und Andrea Mayer, wurden einstimmig vom Bundeskongress bestätigt.
Kogler betonte in seiner einstündigen Rede, mit den Grünen komme Ökologisierung, "Klimaglück" und gefestigte Rechtsstaatlichkeit. "Wir sind in der heißen Küche der Realpolitik, wo echt was weitergeht", sagte er und beschwor "Mut, Entschlossenheit, Zusammenhalt und Zuversicht". Auch die frühere Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou zitierte er mit den Worten: "Regieren ist nichts für Lulus."
Kogler hob die Arbeit von Umweltministerin Leonore Gewessler für eine ökologische Transformation des Landes hervor. Der Klimaschutz sei der historische Auftrag der Partei. Justizministerin Alma Zadic stelle sich bei allen Angriffen vor die Justiz, was ebenfalls zeige: "Den Unterschied machen wir."
Bei aller Kritik an der ÖVP oder auch - wegen der Widerstands bei Ökologisierungsmaßnahmen - an der Wirtschaftskammer wollte Kogler nicht den Eindruck erwecken, dass er nicht eine gute Gesprächs- und Arbeitsbasis mit deren Regierungsmitgliedern habe, denn "sonst geht's nicht mit Regieren". Das Handeln der Grünen als Koalitionspartner sei "getragen aus Verantwortungsbewusstsein und Selbstbewusstsein". Das habe auch bei der Pandemiebekämpfung geholfen, und die habe Österreich "gut bis sehr gut" gemeistert, meinte er.
Kaineder: "Wir stabilisieren die Republik"
Stefan Kaineder, Spitzenkandidat der Grünen bei der oberösterreichischen Landtagswahl im Herbst, hatte zuvor ebenfalls vom historischen Auftrag gesprochen, das Land in den nächsten 20 Jahren klimaneutral zu machen. Zwar habe er sich schon gefragt, in was die Grünen hineingeraten seien, "wenn ungustiöse Chats durchs Land purzeln". Es seien aber die Grünen in der Regierung, die dafür gesorgt hätten, dass die rechtsstaatlichen Institutionen im Land funktionierten. "Wir stabilisieren die Republik", so sein Fazit.
Viel Jubel gab es für den aus Gesundheitsgründen zurückgetretenen Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der persönlich auf der Bühne erschien. Johannes Rauch aus Vorarlberg lobte ihn für dessen "unendlichen Mühen" und äußerte die Hoffnung, dass er sich bald wieder bei den Grünen einklinken könnte: "Du bist ein unverzichtbarer Bestandteil der Grünen." Kogler versprach ihm ein grünes Sommerfest, ebenso wie dem zweiten zurückgetretenen Regierungsmitglied Ulrike Lunacek.
Bei den Restriktionen der Medienöffentlichkeit beim Bundeskongress vollzogen die Grünen eine Kehrtwende. Waren Journalisten zunächst von den Programmpunkten am Nachmittag - Generaldebatte über den Leitantrag, Abstimmung über künftige Urwahl des Bundessprechers - ausgeschlossen, wurde dies schließlich zurückgenommen. Anwesende Medienvertreter hatten protestiert und vermutet, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit der Sorge vor abweichenden Stimmen geschuldet war, die etwa die Koalition mit der ÖVP infrage stellen könnten. werden.
Zusammenfassung
- Bundessprecher Werner Kogler hat am Sonntag mit einer Brandrede die Koalition der Grünen mit der durch Justizermittlungen in Bedrängnis geratenen ÖVP verteidigt.
- Sich dafür zu entschuldigen, dass man regiere, sei ein "Blödsinn", denn "besser die Richtigen regieren, als die Falschen".
- Lob gab es beim Bundeskongress der Partei in Linz für die grünen Regierungsmitglieder, Jubel für Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober.