Bidens restliche Amtszeit wird laut US-Minister "großartig"
"In den ersten zwei Amtsjahren hat Präsident Biden eine unglaubliche Arbeit gemacht", zählte der 55-Jährige die wirtschaftliche Bilanz des Präsidenten auf. Die Arbeitslosenrate liege bei 3,5 Prozent, und es seien mehr Industriejobs geschaffen worden als während der Pandemie verloren gegangen seien. Zudem sei es Biden gelungen, eines der größten Infrastrukturpakete in der Geschichte des Landes zu verabschieden. Gleichwohl sei sich der Präsident bewusst, dass die US-Bürger unter der Teuerung litten, weswegen die Bekämpfung der Inflation auch oberste Priorität für ihn habe.
"Wir sind definitiv in einer besseren Position als noch vor sechs Monaten", betonte der frühere Gewerkschaftsfunktionär. "Die Inflation sinkt und die Löhne steigen." Die USA seien zwar nicht so abhängig von russischen Energielieferungen wie andere Länder. "Aber was andere Länder betrifft, betrifft uns alle, weil wir global verbunden sind." Eines der größten Probleme seien die während der Pandemie unterbrochenen Lieferketten, fügte er hinzu.
Walsh warb um Verständnis für das umstrittene Paket zum Schutz der US-Industrie, das von Europa als protektionistisch eingestuft wird. Es gehe dabei um die Förderung des Klimaschutzes, die allen Staaten der Welt ein Anliegen sein sollte, argumentierte der Minister. "Wir sollten einen Schritt zurückmachen und einen Dialog eingehen", sagte er. "Unsere Beziehungen zu den europäischen Ländern liegen uns sehr am Herzen, und es wird definitiv viele Gespräche geben darüber."
Nicht als großes Hindernis für die künftige Regierungstätigkeit sieht der demokratische Politiker, dass die oppositionellen Republikaner Anfang Jänner infolge der Zwischenwahlen die Kontrolle über das US-Abgeordnetenhaus übernommen haben. Der Kongress sei schon in der ersten Hälfte von Bidens Amtszeit "ziemlich gespalten" gewesen, sagte Walsh. Die Demokraten hätten sieben Stimmen Mehrheit gehabt, nun sei es umgekehrt. Im Senat hätten die Demokraten nun 51 statt 50 von 100 Stimmen. "Es ist so ziemlich dieselbe Sache", sagte der frühere Bürgermeister der Ostküstenstadt Boston. Letztlich gehe es darum, dass die Kongressabgeordneten sich "ungeachtet ihrer Parteizugehörigkeit" für Gesetze entscheiden, "die unser Land nach vorne bringen".
Seine eigene Funktion legt Walsh betont überparteilich an. "Als Arbeitsminister vertrete ich Republikaner und Demokraten, den linken Flügel der Demokraten und den rechten der Republikaner. Meine Aufgabe ist es, dass die Menschen Ausbildungsmöglichkeiten bekommen, gute Löhne und ein sicheres Arbeitsumfeld haben", sagte der Minister, der besonders vom dualen Ausbildungssystem in Österreich fasziniert ist. In den nächsten drei Jahren soll in den USA eine Million Lehrlingsstellen nach österreichischem Vorbild geschaffen werden; derzeit sind es 560.000. Es gehe darum, genügend qualifizierte Arbeitskräfte für die Umsetzung des ambitionierten Infrastrukturprogramms der Biden-Regierung zu haben, sagte Walsh, der sich am Donnerstag und Freitag in mehreren österreichischen Betrieben über die hiesige Lehrlingsausbildung informiert hatte.
Als ehemaliger Bauarbeiter weiß Walsh gut, worum es geht. In der Baubranche war der Sohn eines irischen Ehepaares gelandet, nachdem er sein Studium abgebrochen hatte. "In den vergangenen 20, 25 Jahren haben wir uns sehr darauf konzentriert, dass die jungen Leute auf die Uni gehen. Aber die Uni ist nicht für jeden der richtige Weg." Daher soll amerikanischen Jugendlichen parallel zum Highschool-Abschluss die Möglichkeit einer Lehre offenstehen. Sein eigenes Studium hat Walsh übrigens nach dem Wechsel in die Politik im Alter von 42 Jahren abgeschlossen.
Bevor er Bürgermeister Bostons wurde, saß Walsh mehr als zwei Jahrzehnte als Abgeordneter im Kongress des Staates Massachusetts. Er räumte auf eine entsprechende Frage ein, dass die Demokraten in einigen Teilen der USA Schwierigkeiten mit ihren traditionellen Kernwählerschichten haben. "In Florida scheint die Latino-Gemeinschaft für die Republikaner gestimmt zu haben", sagte er. "Man wird aber sehen, was in zwei Jahren bei den Präsidentenwahlen passieren wird." Auf die Frage, ob das Thema Migration für diese Entfremdung verantwortlich ist, sagte Walsh, dass sich auch republikanische Präsidenten wie Donald Trump, George W. Bush oder Ronald Reagan schwer mit dieser Frage getan hätten. "Es geht darum, mit den Ländern Südamerikas zusammenzuarbeiten, damit die Menschen dort Job-Möglichkeiten haben und nicht über die Grenze kommen", sagte der US-Arbeitsminister. "Auch hier in Österreich und Europa spricht man über Migration, überall in der Welt ist man mit diesem Thema beschäftigt", fügte er hinzu.
(Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)
Zusammenfassung
- US-Präsident Joe Biden hat in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit noch viel vor.
- "Ich denke, die nächsten zwei Jahre könnten großartig werden", sagte US-Arbeitsminister Marty Walsh im APA-Interview in Wien.
- Die Demokraten hätten sieben Stimmen Mehrheit gehabt, nun sei es umgekehrt.
- Im Senat hätten die Demokraten nun 51 statt 50 von 100 Stimmen.
- "In Florida scheint die Latino-Gemeinschaft für die Republikaner gestimmt zu haben", sagte er.