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Behindertenrechte in Österreich: Stagnation, Rückschritte, "Lügen"

In Genf wird am 22. und 23. August geprüft, wie Österreich die von der UNO festgeschriebenen Rechte für Menschen mit Behinderungen umsetzt. Die Berichte von zivilen Organisationen fallen vernichtend aus. Die Handlungsempfehlungen aus dem Jahr 2013 sehen sie nicht umgesetzt.

Von 21. bis 23. August wird Österreichs Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention in Genf geprüft. Zivile Organisationen rechnen mit Kritik und Handlungsempfehlungen durch den Fachausschuss: Wenig hat sich verbessert, für Menschen mit Behinderungen sei in den letzten zehn Jahren einiges sogar schlechter geworden.

Ratifiziert hat Österreich die Konvention 2008. 2013 fand die erste Staatenprüfung statt, dabei wurde unter anderem das Bildungssystem und die Darstellung von Menschen mit Behinderungen in den Medien kritisiert. 2023 erfolgt nun die zweite Prüfung.

Veraltetes Bild von Behinderung

Bei der Pressekonferenz am Dienstag waren sich die Organisationen einig: Die Situation für Menschen mit Behinderungen in Österreich hat sich seit 2013 nicht verbessert. Es gebe viele Baustellen: Weder Bund noch Land würden aktiv an einer strukturierten Übersetzung der Konvention in österreichische Gesetze arbeiten und Gewaltschutzkonzepte für Menschen mit Behinderungen fehlen

Behindertenanwältin Christine Steger kritisiert, dass Österreich mit einer veralteten Definition von Behinderung arbeitet. Die medizinische Definition sei immer noch die Grundlage für die Genehmigung von Unterstützungsleistungen wie Pflegegeld. Das sei nicht mehr zeitgemäß, auch in der Konvention sei von Behinderung die Rede, wenn eine Person in irgendeiner Art und Weise von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen wird. Der Umgang Österreichs mit Menschen mit Behinderung sei in den 70er Jahren stecken geblieben, kritisiert Volksanwalt Bernhard Achitz.

Volker Schönwiese von der Organisation "Selbstbestimmt Leben" spricht davon, dass weiterhin in Institutionalisierung - also die Unterbringung und damit Abschottung in Heimen und Einrichtungen - investiert würde. Dabei sei eine Zielsetzung der Konvention, dass alle Menschen gleich selbstbestimmt leben können. In Österreich hängt die Lebensqualität als Person mit Behinderung davon ab, wo sie leben

Alle Bundesländer hätten zum Beispiel ihre Baugesetze bezüglich Barrierefreiheit verschlechtert. Vor wenigen Jahren war beispielsweise in Tirol noch vorgeschrieben, dass in einem Haus ab der dritten Wohnung ein barrierefreier Zugang, etwa durch einen Lift, vorhanden sein muss. Inzwischen muss erst ab der sechsten Wohnung ein Lift gebaut werden.

"Lügen" vor dem Fachausschuss

Der Fachausschuss wird in Genf die Berichte der zivilen Organisationen mit dem der österreichischen Delegation vergleichen. Die UNO habe in der Vergangenheit gelernt, dass die Delegationen die Situation auch teils geschönt präsentieren würden, so Martin Ladstätter, der den Behindertenrat vertritt. "Österreich hat schon bei der letzten Staatenprüfung massiv gelogen."

Deshalb würden die Vereinten Nationen auch so viel Wert auf die Schatten- bzw. Parallel-Berichte der Zivilorganisationen legen, um sich ein wahrheitsgemäßes Bild der Situation zu verschaffen.

Wie die Prüfung abläuft

Der Staat sowie der Monitoring-Ausschuss, Volks- und Behindertenanwaltschaft und zivilgesellschaftliche Organisationen reichen ihre Berichte, erklärte Tobias Buchner vom Vorsitzteam des Monitoring-Ausschusses. Anschließend erhält Österreich Handlungsempfehlungen, die "großen Einfluss auf die Behindertenpolitik in den nächsten Jahren" haben werden, so Buchner. Diese seien "politisch bindend".

Bei Nichtumsetzung gebe es für Österreich aber keine Konsequenzen, so Schönwiese.

Gewaltschutz gefordert

Konzentriert habe man sich auf die Bereiche inklusive Bildung, Frauen mit Behinderungen und persönliche Assistenz, führte Daniela Rammel vom Vorsitzteam des Ausschusses aus.

Säumig sei der Staat bei der Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems, sie kritisiert etwa dessen Unterfinanzierung. Persönliche Assistenz gebe es zwar in jedem Bundesland, diese sei allerdings nicht bundesweit einheitlich geregelt sowie nicht bedarfsgerecht.

Frauen und Mädchen mit Behinderungen seien "in besonders hohem Maß einem Gewaltrisiko ausgesetzt". Rammel forderte die verpflichtende Implementierung von Gewaltschutzkonzepten für Behinderteneinrichtungen und eine umfassende Barrierefreiheit im Opfer- und Gewaltschutz.

Volksanwalt Bernhard Achitz erhofft sich einen "Impuls bei den Bemühungen, die Umsetzung und Einhaltung der Behindertenrechtskonvention voranzutreiben". Oft würden die Volksanwaltschaft Beschwerden erreichen, dass diese nicht optimal umgesetzt sei, hob er etwa fehlende Barrierefreiheit auf Bahnhöfen hervor.

ribbon Zusammenfassung
  • In Genf wird am 22. und 23. August geprüft, wie Österreich die von der UNO festgeschriebenen Rechte für Menschen mit Behinderungen umsetzt.
  • Die Berichte von zivilen Organisationen fallen vernichtend aus. Die Handlungsempfehlungen aus dem Jahr 2013 sehen sie nicht umgesetzt.
  • Wenig hat sich verbessert, für Menschen mit Behinderungen sei in den letzten zehn Jahren einiges sogar schlechter geworden.
  • Die Zivil-Organisationen sehen teils massive Rückschritte in der Lebensqualität für Menschen mit Behinderungen.
  • Zudem vermissen die Organisationen vor allem Gewaltschutzkonzepte für Menschen mit Behinderungen.