Sophie Hunger lässt in ihrem Debütroman ihre Musik anklingen
Wer ist dieser Freund der Ich-Erzählerin, genannt Niemand? Als Kinder von Militärattachés, die oft umziehen müssen, haben sie nicht viel Beständiges: Nur sich selbst und die Plattensammlung der Eltern. In der Musik finden die beiden Heimat und Antworten, während ihnen die Welt draußen ein Rätsel bleibt. Zusammen lauschen sie Walgesängen, den Stimmen von Nina Simone oder Tracy Chapman. "Wir waren da zu Hause, wo die Plattensammlung lag", heißt es zu Beginn des Romans.
Während die Freundschaft der Ich-Erzählerin mit Niemand in der Kindheit symbiotisch ist, bekommt sie in der Jugend erste Risse. Diese werden größer, als die Ich-Erzählerin den gemeinsamen Kokon verlässt und erste Schritte als Musikerin geht. Niemand verschwindet schließlich 2008 auf schmerzhafte Weise aus dem Leben der Erzählerin – just in dem Jahr, in dem die Autorin und Musikerin Sophie Hunger ihr Debütalbum "Monday"s Ghost" veröffentlicht hat.
Wie viel von dieser Erzählung tatsächlich mit der Privatperson Sophie Hunger zu tun hat, wird nach und nach unwichtig. Entscheidender ist die Verbindung zur Musikerin Hunger, denn die ist allgegenwärtig – in den Kapitelüberschriften, die oft Liedtitel sind, ja gar der Buchtitel ist ein Song aus dem Album "Monday"s Ghost". Allgegenwärtig ist die Musik auch in der Sprache: Rhythmisch, klangvoll, kein Wort unterbricht den Fluss. Wie in ihren Liedern greift Hunger auch im Roman gern auf Bilder zurück, schreibt assoziativ, nimmt Umwege.
Wer also ist dieser Niemand? Vielleicht ein Mensch, der sich dem gesellschaftlichen Druck, jemand zu werden, widersetzt und stattdessen lieber ganz verschwindet. Vielleicht ist Niemand aber auch eine Facette der Ich-Erzählerin selbst. Ein Teil von ihr, den sie abstreifen musste, um sich als Musikerin zu finden. "Walzer für Niemand" erzählt jedenfalls vom Loslassen, von Abschied - und das berührend und klangvoll.
(Von Maria Künzli/sda)
(S E R V I C E - Sophie Hunger: "Walzer für Niemand", Verlag Kiepenheuer & Witsch, 192 Seiten, 23,50 Euro)
Zusammenfassung
- Sophie Hungers Debütroman 'Walzer für Niemand' erkundet die Themen Freundschaft und Erwachsenwerden durch die Verbindung zur Musik und umfasst 192 Seiten.
- Der Roman erzählt von der symbiotischen Freundschaft der Ich-Erzählerin mit 'Niemand', die im Jahr 2008 endet, dem Jahr, in dem Hungers Debütalbum 'Monday's Ghost' erschien.
- Musik ist allgegenwärtig im Buch, mit Kapitelüberschriften, die Liedtitel sind, und einer Erzählweise, die rhythmisch und klangvoll ist.