Große Bühne für das queere Kärnten in Klagenfurt
Sie kommen der Gesellschaft in die Quere, machen nicht mit bei deren normativen Moralvorstellungen, sind "vom anderen Ufer" und wollen einfach nur sie selbst sein können: queere Menschen, das meint Homosexuelle, Nicht-Binäre, Transgeschlechtliche und Ähnliches mehr, die auch unter dem Begriff LGBT zusammengefasst werden. Das muss vielleicht da und dort erklärt werden. Die Verfemung und das Unsichtbar-Machen dieser gar nicht so wenigen "Außenseiter" hingegen kaum. Denn in Literatur, Film und Medien ist das Thema allgegenwärtig.
Wie Noam Brusilovsky dem im Stadttheater eine große Bühne bereitet hat, ist lehrreich, ohne pädagogisch sein zu wollen, humorvoll ohne derbe Kalauer und sinnlich, ohne voyeuristisch zu sein. Mit Brigitte Soucek und Kristof Gellen geben zwei Profi-Schauspieler teils moderierend, teils mit ihren persönlichen Geschichten den rund zweieinhalb Stunden Halt. Die Singer-Songwriterin Fabienne Velina sorgt mit ruhigen Balladen an der Gitarre für Nachdenklichkeit, die grandiose Kärntner Dragqueen Klara Mydia für schrille Unterhaltung. Köstlich und bezeichnend, wie sie als Playback-Sängerin mit einem Zeltfest-Hit über "Bergbauernbuam" das Theaterpublikum zum Mitklatschen brachte!
Mit Enis Husic, Matthias Winkler und Mika Janez Palmisano kehren drei weitere queere Amateurdarstellerinnen ihr Innerstes nach außen. Sie treten mit sehr persönlichen (Flucht-)Geschichten für eine offene Gesellschaft ein und scheuen sich auch nicht, mit Kurzvideos (Max Hilsamer) Einblick in ihre Leben zu gewähren. Es sind oft Leben voll Angst und Scham, aber auch voll Liebe und Lebensfreude. Das vermittelt dieses dokumentarische Theater kurzweilig und detailreich - von den bunten Kreationen des Schuhdesigners und Darstellers Matthias Winkler bis zu den oft witzigen Textanmerkungen (mitgestaltet von Lotta Beckers), die von Kasnudeln bis Eishockey, Windrädern bis Trachtenmode zahlreiche Kärnten-Klischees auf die Schaufel nehmen.
Hassparolen und Drohungen
Was im ersten Teil wie ein Kindertheaterstück beginnt und dann Showcharakter annimmt, wird nach der Pause zur Geschichtsstunde und Gedenkveranstaltung für die Opfer schwulenfeindlicher Politik und Gesellschaft. Die es auch in der Kärntner Gegenwart gibt: Auf die Ankündigung des Theaterprojektes im Internet folgten Hassparolen und Drohungen in den sogenannten sozialen Medien, wie Dragqueen Klara, Tränen der Empörung nahe, erzählt: "Leute, was geht ab da draußen?!" Und Kristof ergänzt: "Nachts, wenn alle b'soffen sind, versteck' ich meine Perlenkette."
Dass die fünf Amateurdarsteller jeweils Eigenwerbung (für Aids-Hilfe, einen Veranstaltungsraum etc.) betreiben und gelegentlich auf die Texthilfe der Souffleuse (die sei hier einmal erwähnt: Selina Zimek) angewiesen sind, stört nicht. Dass die Rahmenhandlung von dem queeren Dorf in den Karawanken, das die sich abgrenzenden Talbewohner zu einem gemeinsamen Fest einladen will, nur ein schwaches Gerüst ist, machen die redundanten Proklamationen allerdings noch nicht zu einem abendfüllenden Theatererlebnis. Als Diskussionsgrundlage für Schulveranstaltungen empfiehlt sich "Queerinthia" aber auf jeden Fall.
(Von Karin Waldner-Petutschnig/APA)
(S E R V I C E - "QUEERinthia", Ein Projekt von Noam Brusilovsky in Zusammenarbeit mit Lotta Beckers. Mit: Noam Brusilovsky (Autor und Regie), Lotta Beckers (Recherche/Dramaturgie/Textmitarbeit), Maria Magdalena Emmerig (Bühne und Kostüme); Mitwirkende: Brigitte Soucek, Kristof Gellen, Klara Mydia, Enis Husic, Matthias Winkler, Mika Janzez Palmisano, Fabienne Velina; Termine: 12., 16., 22. April, 7., 10., 16., 20., 23. Mai 2025, www.stadttheater-klagenfurt.at)
Zusammenfassung
- Noam Brusilovsky präsentiert mit 'Queerinthia' im Klagenfurter Stadttheater ein Stück, das fiktive Rahmenhandlung mit persönlichen Schicksalen kombiniert und dabei lehrreich, humorvoll und sinnlich ist.
- Die Aufführung, die rund zweieinhalb Stunden dauert, thematisiert das Leben queerer Menschen und wird von Brigitte Soucek und Kristof Gellen moderiert, während Fabienne Velina und Klara Mydia für musikalische Unterhaltung sorgen.
- Trotz Hassparolen und Drohungen in sozialen Medien bleibt 'Queerinthia' eine wichtige Diskussionsgrundlage für Schulveranstaltungen, mit Aufführungsterminen am 12., 16., 22. April und im Mai 2025.