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Erneuerte Ausstellung "Compass reloaded" im AEC in Linz

Die Ars Electronica hat in ihrem Center in Linz die 2019 eröffnete Ausstellung erneuert und gewissermaßen den damaligen "Compass reloaded". Sei es 2019 noch ein Fernrohr gewesen, mit dem man auf die neuen Technologien geblickt hat, seien diese nun so nah, dass man einen Kompass brauche, um Orientierung zu finden, schickte Center-Leiter Christoph Kremer der Presseführung am Mittwoch voraus. Die Neuheiten aktualisieren eine ohnehin sehenswerte Schau und geben viele Denkanstöße.

Dass der Reload nach vier Jahren notwendig war, zeigt sich gleich am ersten Exponat. 2019 präsentierte man hier das vier Wochen vorher öffentlich gemachte GPT2, nun legt Medienpionier Richard Kriesche seinem Kunstwerk "Zeitenwende" das aktuelle ChatGPT zugrunde. Er habe bei einem Forschungsaufenthalt 1985/86 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA erstmals von AI gehört, seine Publikation "Artificial Intelligence in the arts" sei damals "voll gescheitert, es gab nur marginales Interesse", so Kriesche in Linz. Jetzt sei es aber eine "Verpflichtung für alle sich damit auseinanderzusetzen. Es ist meine Verpflichtung zu sagen, 'wenn ihr da nicht mittut, in den Magistraten, im Kunstbetrieb, werdet ihr vergessen'".

Deutlich äußerte sich auch Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ), der wünscht, "dass die Bundesregierung endlich kapiert, dass das eine Riesenchallenge ist, mit mehr Chancen als Gefahren, aber wer jetzt nicht dabei ist, verliert den Anschluss international vollkommen". "Vielleicht werden manche wachgerüttelt durch die Ausstellung", hofft er.

Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer (ÖVP) lobte das AEC als Haus, "wo man Technologie niederschwellig begegnen kann und es ist wichtig, dass wir die Kinder da mitnehmen". Gerade im Bildungsbereich "müssen wir ChatGPT einsetzen", damit die Kinder lernen würden, wie wir von der Technologie profitieren. Kriesche beschrieb den vom Unternehmen OpenAI entwickelten Chatbot als "Vis-a-vis, das wir im Gespräch überfordern oder es überfordert uns". Er wollte von der KI wissen, wer das Recht an einer gemeinsam geschaffenen Sache besitze. Die KI antwortete, "I am the one who helps you, you are the owner of the copyright" (Ich helfe dir, du bist der Besitzer des Urheberrechts) - ob OpenAI-Chef Sam Altman das auch so sehe, wenn der Künstler ein mit ChatGPT gemeinsam erstelltes Werk teuer verkaufe, fragte sich Kriesche.

Im zweiten Stock ist ein Bereich der Musik gewidmet, unter anderem mit dem Prix-Sieger "Being" aus dem Vorjahr und dem "Solar Synthesizer 0.4", den man mittels Verschattung von Solarzellen "spielt". Ziel war "ein komplett von Strom unabhängiges (elektronisches, Anm.) Musikinstrument zu haben", erklärte Klaus Dieterstorfer, einer der vier Künstler.

In der Main Gallery im Untergeschoß widmet man sich dem menschlichen Gehirn. Die Schlaganfalltherapie recoveriX von g.tec ist das erste Brain-Computer-Interface(BCI)-Rehabilitationssystem, das mentale Aktivitäten - insbesondere die Vorstellung von Bewegungen - mit visuellem und taktilem Feedback in Echtzeit verbindet. 2016 wurde es erstmals in Schiedlberg (OÖ) für Schlaganfallpatienten und Patienten mit neurologischen Erkrankungen angeboten. Laut g.tec-Geschäftsführer Christoph Guger wird es weltweit für Schlaganfall-Patienten eingesetzt und zeige nach 18 Stunden Training große Erfolge. "Die Spastiken lassen nach, die Fein- und Grobmotorik kommt zurück." Bei MS-Patienten verschwinde die Ermüdung. "Eine Patientin machte 25 Schritte in 70 Sekunden, nach der Behandlung 25 Schritte in 17 Sekunden".

Das BCI "Solastalgia" wurde von Ars Electronica Solutions und Erika Mondria (Supervisor Brain Projects) in Verbindung mit g.tec entwickelt. Namensgebend ist der Begriff der Solastalgie (nach Glenn Albrecht), der eine gelebte Erfahrung negativer Umweltveränderungen meint. Der erste Schritt hin zu einem Nachhaltigkeitskreislauf sei die Bewusstwerdung, so Mondria. Das passiert mittels Bildern von positiven und negativen Naturszenen (Schmetterlinge, Ölpest), die man sehr kurz, quasi nur unterbewusst, sieht und einem BCI, das zeigt "worauf reagiert das Gehirn am meisten, wo ist am meisten Aktivität?". Diese Daten können analysiert und darauf basierend Lösungsvorschläge erarbeitet werden.

Mit der ethischen Komponente der BCI befasst sich "The NeuroRight Arcades". BCI legen menschliche Körperdaten offen und speichern sie langfristig. "Die Fähigkeit von Gehirnaktivitäten auf Gedanken rückzuschließen, beginnt bereits", sagte Anna Olesch. Die Columbia University hat nun als erstes Regelwerk für die Neurowissenschaft fünf "NeuroRights" formuliert: "mental privacy, personal identity, equal access, free will und protection against algorithm bias". In seiner interaktiven Installation nimmt Roel Heremans (BE) Bezug auf diese ersten Schritte und macht die Fragen nach der ethischen Zukunft der Neurotechnologie zur ästhetischen Erfahrung für das Publikum.

Interaktiv mit dem Smartphone via WiFi zu steuern ist künftig das Fassadenspiel am AEC, die 38.500 LEDs leuchten dann im Rhythmus der Lieblingsmusik oder im Stil der besten Animationen der vergangenen zehn Jahre.

(S E R V I C E - "Compass reloaded" - neue Dauerausstellung im Ars Electronica Center Linz, Eröffnung am 11. Mai, Di - So 10 bis 17 Uhr; http://ars.electronica.art)

ribbon Zusammenfassung
  • Die Ars Electronica hat in ihrem Center in Linz die 2019 eröffnete Ausstellung erneuert und gewissermaßen den damaligen "Compass reloaded".
  • Gerade im Bildungsbereich "müssen wir ChatGPT einsetzen", damit die Kinder lernen würden, wie wir von der Technologie profitieren.
  • (S E R V I C E - "Compass reloaded" - neue Dauerausstellung im Ars Electronica Center Linz, Eröffnung am 11. Mai, Di - So 10 bis 17 Uhr; http://ars.electronica.art)