Bildgewaltige "Buddenbrooks" im Salzburger Landestheater
Über 700 Seiten verfolgt der Leser in Thomas Manns nobelpreisgekürtem Werk den "Verfall einer Familie", wie der Untertitel verrät. Über mehrere Generationen hinweg schaffen es die Buddenbrooks, sich und das Familienunternehmen in Grund und Boden zu richten. John von Düffel hat sich in seiner Bühnenfassung auf die Generation der Kaufmänner konzentriert, die den Karren endgültig vor die Wand fährt und gibt ihnen dafür drei Stunden Zeit. Die Stufen des Verfalls halten die Familienmitglieder dabei immer ordentlich in der Familienchronik fest, einsichtig für jeden, der die schweren Bücher aufschlägt. Sinnbildlich dafür hat Philip Rubner das Familienhaus als wandloses Holzkonstrukt gebaut, durch das Publikum und auch die Protagonisten einen ungeschönten Blick ins Familienleben erhalten.
Dabei kämpfen Christoph Wieschke als Konsul Jean Buddenbrook und Britta Bayer als Konsulin hart, um Schein und Haltung zu wahren. Ihren drei Kindern Thomas, Christian und Tony gelingt es jedoch nicht, die persönlichen Gefühle und Vorstellungen dem Unternehmen unterzuordnen. Die Sprache Thomas Manns, der für seinen anspruchsvollen Satzbau bekannt ist, macht es den Schauspielern dabei nicht unbedingt leicht, diese Gefühle entsprechend auszudrücken. Dafür gibt ihnen die Regisseurin Bewegungen als Stilmittel an die Hand (Bewegungscoaching: Paul Blackman). So gelingt es, längere Buchpassagen in kurze Choreografiepassagen zu übersetzen. Tonys vorehelicher Aufenthalt in Travemünde wird zum Balanceakt auf der Kante des Hausvorbaus und Thomas' Liebelei mit der nicht standesgemäßen Anna ein leidenschaftliches Duett verschlungener Körper, aus dem er sich letztlich mit aller Kraft herauswindet.
Mit aller Kraft versucht auch Gregor Schulz als ältester Buddenbrook-Sohn den Schein zu wahren. Mit geradezu überheblicher Leichtigkeit spielt sein Thomas den Geschwistern das vermeintlich sattelfeste Familienoberhaupt vor, während ihn der Druck in stillen Momenten innerlich auffrisst. Als Ventil muss letztlich Sohn Hanno (ausdrucksstark und fast schon erwachsen: Alexander Köblinger) herhalten. Währenddessen verfällt Maximilian Paier als Christian erst langsam, dann immer deutlicher dem Wahnsinn und zwischen den Brüdern fliegt wie ein Spielball Lisa Fertner als Tony zwischen kindlichem Trotz, gespielter Überheblichkeit und am Ende ehrlicher Verzweiflung hin und her. Diese Drei können wahrlich nicht der Stolz der Familie Buddenbrook sein, zweifelsohne aber der des Schauspielensembles des Landestheaters.
Am Ende dieses Abstiegskampfes waren alle Beteiligten sichtlich erschöpft und die Stimmung am Boden. Das Publikum ließ diese allerdings in Sekunden wieder nach oben gehen und es erklang ausgiebiger Schlussapplaus in den renovierten Wänden des Hauses.
(S E R V I C E - Thomas Mann: "Buddenbrooks", Für die Bühne bearbeitet von John von Düffel. Inszenierung: Alexandra Liedtke, Bühne: Philip Rubner, Kostüme: Su Bühler, Bewegungscoaching: Paul Blackman, Musik: Karsten Riedel, Dramaturgie: Friederike Bernau. Auf der Bühne: Konsul - Christoph Wieschke, Konsulin - Britta Bayer, Thomas - Gregor Schulz, Christian - Maximilian Paier, Tony - Lisa Fertner, Gerda - Elisabeth Mackner, Hanno - Alexander Kölblinger, Grünlich - Martin Trippensee, Kesselmayer - Matthias Hermann, Permaneder - Axel Meinhardt, Morten / Anna / Kai Graf Mölln - Aaron Röll. Weitere Termine: 27.11., 9., 14., 15., 16., 18., 21. und 22.12., www.salzburger-landestheater.at)
Zusammenfassung
- Mit Thomas Manns "Buddenbrooks" wurde am Freitagabend die erste Premiere nach der großen Sanierung gefeiert.
- Ihren drei Kindern Thomas, Christian und Tony gelingt es jedoch nicht, die persönlichen Gefühle und Vorstellungen dem Unternehmen unterzuordnen.
- Mit aller Kraft versucht auch Gregor Schulz als ältester Buddenbrook-Sohn den Schein zu wahren.
- (S E R V I C E - Thomas Mann: "Buddenbrooks", Für die Bühne bearbeitet von John von Düffel.