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Balzen am Amazonas: "Das weiße Dorf" im Theater Drachengasse

Hässliche neue Theaterwelt: Beim Einlass am ausgangsbeschränkungskompatiblen Spätnachmittag wird nach einem gültigen Coronatest gefragt, das Publikum sitzt im Schachbrettmuster und trägt FFP2-Masken. Gestern, Montag, gab es im Wiener Theater Drachengasse einen kleinen Vorgeschmack auf die Zukunft. Das Stück "Das weiße Dorf" feierte als Presse-Premiere seine Uraufführung und wurde ostentativ akklamiert. Nur für den künftigen Zwei-Meter-Abstand muss noch nachjustiert werden.

Rund 25 geladene Gäste konnten nun also das 2019 mit dem Autor*innenpreis des Heidelberger Stückemarkts ausgezeichnete Stück der 1990 in Oberösterreich geborenen und in Wien lebenden Autorin Teresa Dopler erstmals auf der Bühne sehen. In Heidelberg war die geplante Uraufführung der Pandemie zum Opfer gefallen, und auch die Termine, zu denen die Inszenierung der Kärntnerin Valerie Voigt in Wien für "normale" Zuschauer zu sehen sein wird, stehen nach der jüngsten Lockdown-Verlängerung noch nicht fest. Immerhin gibt die Theaterszene damit ein Lebenszeichen von sich: Schaut her, es gibt uns noch! George Tabori hat einmal versichert, Theater werde immer überleben, und sei es in den Katakomben. Danach fühlt es sich nun ein wenig an.

In diesen Katakomben galt es nun, Kreuzfahrt-Feeling herzustellen, auch etwas, was wohl noch längere Zeit nicht möglich sein wird. Doplers Stück spielt nämlich auf einem Kreuzfahrtschiff am Amazonas. Dort begegnen einander Ivan und Ruth wieder. Zwei junge, erfolgreiche Menschen, die einmal beinahe zusammen waren und einander karrierebedingt aus den Augen verloren haben. Nun sind sie mit ihren jeweiligen Partnern unterwegs - und genießen die Gespräche miteinander sehr. Die Partner bekommt man nie zu sehen. In Voigts Inszenierung könnten sie allerdings jenes Tanzpaar sein (Hugo Le Brigand und Julia Müllner), das sich langsam und wortlos in einem Wasserbecken in der Mitte des Theaterraumes bewegt, während auf einem kleinen Steg an der Stirnseite des Raumes Ivan und Ruth einen Dauer-Dialog absolvieren.

Überhaupt hat der 90-minütige Abend etwas stark Choreografisches: Voigt setzt sehr auf Stilisierung, auf Überhöhung, auf einen Rhythmus, der sich nicht nur in der Sprache, sondern auch im Körper ausdrückt. Es braucht recht lange, bis sich der Zuschauer daran gewöhnt hat. Dann hat aber auch der Text die Ebene der banalen Konversation verlassen und nimmt - während die Amazonas-Dörfer und Affen-Kolonien imaginär vorbeiziehen - Kurs auf Abtasten, Flirten, Anbahnen, Öffnen. Johannes Benecke und Naemi Latzer absolvieren den Balanceakt zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit ohne Absturz.

Im Zentrum steht der Schein, das Bild, das man für die anderen abgibt, und hinter dem erst ganz langsam und zögerlich der Blick auf das eigentliche Sein freigegeben wird. Da bleibt vieles in Schwebe. Offen bleibt leider auch die Frage, wann wieder gespielt werden kann. Fix dagegen ist: So einfach wird man nie mehr zu einer Amazonas-Kreuzfahrt kommen. Obwohl man zugeben muss, von der Landschaft rein gar nichts mitzubekommen. Ist ja aber auch ein verdammt breiter Fluss, dieser Amazonas...

(S E R V I C E - "Das weiße Dorf" von Teresa Dopler, Regie: Valerie Voigt, Bühne, Kostüme: Thomas Garvie, Choreografie: Karin Pauer, Musik: Scott Douglas Gordon. Mit: Johannes Benecke, Naemi Latzer, Hugo Le Brigand und Julia Müllner. Uraufführung im Theater Drachengasse, Spieldaten noch ungewiss. Informationen: 01/513 14 44, www.drachengasse.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Hässliche neue Theaterwelt: Beim Einlass am ausgangsbeschränkungskompatiblen Spätnachmittag wird nach einem gültigen Coronatest gefragt, das Publikum sitzt im Schachbrettmuster und trägt FFP2-Masken.
  • Gestern, Montag, gab es im Wiener Theater Drachengasse einen kleinen Vorgeschmack auf die Zukunft.
  • Das Stück "Das weiße Dorf" feierte als Presse-Premiere seine Uraufführung und wurde ostentativ akklamiert.
  • Dort begegnen einander Ivan und Ruth wieder.