Warum Kokain in Österreich auf dem Vormarsch ist
Die Inflation macht auch vor Drogen nicht Halt. Hat ein Gramm Cannabis 2017 typischerweise noch acht Euro gekostet, sind es im Jahr 2021 bereits zehn Euro. Deutliche Preissteigerungen gibt es auch bei Heroin und Amphetaminen.
Nur Kokain scheint von der Inflation unberührt. Im Jahr 2017 kostete das Suchtmittel durchschnittlich noch 100 Euro pro Gramm. 2021 waren es nur mehr 50 Euro - also die Hälfte.
Leistung statt Entspannung
"Dass Kokain im Kommen ist, hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass das Aufputschende in der Gesellschaft immer wichtiger wird", vermutet Martin Busch, Leiter des Kompetenzzentrums Sucht an der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Der aktuelle Drogenbericht, an dem Busch mitarbeitet, soll im Herbst erscheinen.
Beruhigende Substanzen seien nicht mehr so gefragt, da der gesellschaftliche Leistungsdruck zunehme. Es sei sogar "im Freizeitbereich Leistung hoch angeschrieben", so der Psychologe.
Mehr kokainspezifische Behandlung
Von 2016 bis 2019 nahm der Kokainkonsum stark zu, wie Abwasserproben zeigen. Seit der Pandemie nahm der Konsum zwar wieder leicht ab, doch die Vergiftungen, bei denen Kokain im Spiel war, stiegen weiter. Im Jahr 2021 gingen dazu mehr als doppelt so viele Anrufe (66) bei der Vergiftungszentrale ein als noch 2016.
"Wenn man sich Leute anschaut, die das erste Mal in drogenspezifische Behandlung gehen, ist mittlerweile der Anteil mit Kokain-Problematik auf 20 Prozent gestiegen. Und das war vor einigen Jahren noch anders", erklärt Busch.
Leicht verfügbar und rein
Zudem ist Kokain am Weltmarkt in großer Menge und sehr leicht verfügbar. In Österreich zeigt sich die Präsenz von Kokain auch bei der Überprüfungsstelle "checkit!". Immer mehr Menschen geben die Rauschdroge dort zur Analyse der Inhaltsstoffe ab. Im Jahr 2019 führte Kokain erstmals die analysierten Proben an – noch vor Ecstasy und Amphetamin.
Die positive Bilanz: Durch die große Menge an Kokain, die zur Verfügung steht, gebe es weniger Grund, Kokain mit anderen Substanzen zu strecken, so Busch. Das Suchtgift ist daher tendenziell reiner.
Crack-Welle in Nachbarländern
Während in Österreich Kokain größtenteils geschnupft wird, macht sich in der Schweiz und in Deutschland die rauchbare Variante Crack breit. Innerhalb eines Jahres verdoppelte sich der Crack-Konsum in Genf. Fixerräume sind für Crack-Konsumierende tagsüber nun teilweise geschlossen, da der Andrang zu groß sei, berichtet das Schweizer Nachrichtenportal "Watson".
In Österreich dürfte der Crack-Hype aber noch nicht angekommen sein. Dafür sei die Drogenszene hierzulande womöglich "zu konservativ", vermutet Busch. Bis Veränderungen beim Drogenkonsum greifen, dauere es in der Regel länger.
"Beyond the Line"
Für die Behandlung von Kokain gibt es in Wien aber bereits eine extra eingerichtete Stelle. Der Verein "Dialog" bietet unter dem Namen "Beyond the Line" seit 2010 eine spezielle Beratungsstunde für Kokain- und Crystal-Meth-User:innen an.
Da diese aufgrund ihres Konsums oftmals nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne haben, sei das Angebot "kurzfristig angedacht für eine Klientel, die auch nur sehr kurzfristig Pläne machen kann", erklärt die stellvertretende ärztliche Leiterin Claudia Willinger. User:innen können anonym bleiben und sich vor Ort etwa psychologisch beraten lassen sowie psychiatrische Medikamente erhalten.
Ein Erfolg sei es bereits, wenn User:innen einmal kommen, so die Medizinerin. Allein dadurch würden User:innen Risiken besser einschätzen können und nützliches Wissen in die Drogenszene weitertragen.
Sie brauchen Hilfe oder kennen jemanden, der Hilfe braucht?
Suchthilfe Wien Krisentelefon: +43 1/4000-53799 (24h)
Online-Hilfestelle Sucht & Drogen: https://www.sucht-drogen-hilfe.wien/
"Beyond the Line"-Beratung: jeden Dienstag, 17:30 bis 18:30 in der IS Nord (Puchgasse 1, 1220 Wien)
Substanzüberprüfung "checkit!": Gumpendorfer Straße 8, 1060 Wien / https://checkit.wien/
Zusammenfassung
- Kokain macht schnell süchtig, steigert die Leistung und wird vor allem billiger.
- In Österreich suchen immer mehr Menschen aufgrund ihres Kokainkonsums Behandlung.
- Für sie gibt es in Wien mittlerweile eine eigene Anlaufstelle.
- In der Schweiz und Deutschland wird hingegen die rauchbare Variante von Kokain – Crack – zu einem immer größeren Problem.