Verhandlungen zu UNO-Plastikabkommen vor Schlussrunde
Die vierte Verhandlungsrunde zwischen Delegierten aus über 170 Ländern geriet im April im kanadischen Ottawa zum Misserfolg, da keine entscheidende Annäherung zwischen den beiden Fronten erzielt werden konnte. Eine "High Ambition Coalition", zu der neben Peru, den Philippinen und Ruanda auch die EU zählt, fordert eine Reduktion der weltweiten Plastikproduktion um mindestens 40 Prozent bis 2040 und strenge Maßnahmen, die den ganzen Plastik-Zyklus von der Produktion bis zur Sammlung und Wiederverwertung miteinbeziehen. Die diese Forderung unterstützende "Bridge to Busan-Erklärung" hat neben rund 40 anderen Ländern auch Österreich unterzeichnet.
Ölstaaten, aber auch China und Indien, wollen das Abkommen dagegen auf Müll und Recycling beschränkt wissen und lehnen die Einbeziehung der Produktion in das Abkommen ab. Ähnlich wie bei den Weltklimakonferenzen tritt die fossile Industrie auch bei den Verhandlungen um einen "Plastic Treaty" massiv auf, da aufgrund der Trendwende Richtung erneuerbarer Energie die Plastikerzeugung als Hoffnungsträger der Öl- und Gasindustrie verblieben ist. Prognosen sagen im Falle ausbleibender globaler Regulatorien massive Produktionssteigerungen in dem Sektor voraus.
Nach Ottawa umfasste ein Text, der die weit auseinanderliegenden Positionen zusammenfasst, 70 Seiten. Die Diskussionsgrundlage, die Verhandlungsleiter Luis Vayas Valdivieso (Ecuador) Ende Oktober an die Teilnehmer der kommenden Runde verschickte, zeigt laut der Umweltschutzorganisation Greenpeace viele Lücken, die geschlossen werden müssten, um den Text "insgesamt verbindlicher und ambitionierter" zu machen.
"Wir können uns kein halbherziges Plastikabkommen leisten", betont Marc Dengler von Greenpeace Österreich, wo man eine Plastikreduktion um 75 Prozent bis 2040 fordert. "Statt Scheinlösungen, wie chemisches Recycling, braucht es klare Vorgaben." Dazu gehörten "ein verbindlicher Reduktionspfad, Mehrweg-Quoten für Verpackungen und Verbote für vermeidbare Einwegplastik-Produkte". Die Einführung von Recyclingquoten ist auch nach Ansicht von Wissenschaftern die vielversprechendste Einzelmaßnahme im Kampf gegen den Plastikmüll. Um die EU-Ziele beim Recycling von Kunststoffverpackungen zu erreichen, tritt mit 1. Jänner in Österreich ein Plastikpfandsystem in Kraft.
Virginia Janssens, Geschäftsführerin des paneuropäischen Verbands der Kunststofferzeuger Plastics Europe, dessen Mitgliedsunternehmen für über 90 Prozent der Kunststoffproduktion in Europa stehen, forderte im Vorfeld "ein ehrgeiziges und umsetzbares Abkommen". Man sei überzeugt, dass der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft "der Schlüssel ist, um das Problem der Kunststoffabfälle zu lösen" und fordere daher einen "produktbasierten Ansatz" mit "individuelle Lösungen": "Das Abschlussdokument sollte Länder dazu verpflichten, nationale Aktionspläne zu entwickeln. Diese sollten verbindliche Recycling- und Rezyklateinsatzquoten enthalten, ein zuverlässiges System zum Monitoring und der Bewertung von Umweltverschmutzung durch Kunststoffabfälle einführen, Sammlung und Sortierung vorantreiben und alle beteiligten Akteure in die Verantwortung nehmen." Umweltschutzorganisationen fordern statt nationalen Lösungen bindende globale Vorgaben.
Laut einer jüngst im Fachmagazin "Science" veröffentlichten Studie einer Forschungsgruppe der University of Berkeley betrug der globale Plastikverbrauch im Jahr 2020 insgesamt 547 Millionen Tonnen - nur 14 Prozent davon waren recycelt. 2050 könnte den Prognosen zufolge der gesamte Kunststoffkonsum bei 749 Millionen Tonnen liegen, trotz einer Trendwende, die für die EU sowie (ab dem Jahr 2030) für China erwartet wird. Die Studienautoren betonen, dass ein starkes Plastikabkommen tatsächlich eine große Auswirkung haben würde.
Für Busan sieht Greenpeace-Experte Dengler im Gespräch mit der APA zwei drohende Szenarien, falls sich die "High Ambition Coalition" nicht durchsetzen werde: "Die EU knickt ein und die Ansicht setzt sich durch, dass ein schwaches Abkommen besser ist als gar keines. Oder man schiebt noch eine weitere Verhandlungsrunde ein." Laut ursprünglichen Zielen sollte bei einer hochrangigen Konferenz im ersten Halbjahr 2025 nicht mehr verhandelt, sondern der fertige Text des Plastikabkommens endgültig verabschiedet werden, ehe die Nationalstaaten bei der Umsetzung am Zug sind. Für Dengler ist jedenfalls klar: "Unsere Klimaziele werden wir nur mit klaren Reduktionspfaden beim Plastikmüll erreichen."
(S E R V I C E - https://www.unep.org/inc-plastic-pollution )
Zusammenfassung
- Greenpeace Österreich fordert eine drastischere Reduktion um 75 Prozent und kritisiert den aktuellen Entwurf als unzureichend. Die Organisation sieht in einem verbindlichen Reduktionspfad und Mehrwegquoten die Lösung.
- Eine Studie prognostiziert, dass der globale Plastikverbrauch bis 2050 auf 749 Millionen Tonnen steigen könnte. Nur 14 Prozent des Plastikverbrauchs von 2020 wurden recycelt, was die Dringlichkeit eines starken Abkommens unterstreicht.