Trauer, Schock und Wut in Serbien nach Amoklauf
Seit Mittwochnachmittag versammeln sich Menschen vor der zentral gelegenen Volksschule, angeblich einer der drei besten der Hauptstadt, um Kerzen anzuzünden und Blumen niederzulegen. Nicht nur Schock und Trauer waren am Donnerstag in der Menge zu spüren, die vor der Bildungseinrichtung verweilte, sondern auch Wut über das Verhalten der Behörden.
Mehrere Tausend Stadtbewohnerinnen und -bewohner hatten schon am Mittwochabend an einem spontanen Protestmarsch teilgenommen, der zum Bildungsministerium führte, um den Rücktritt von Minister Branko Ruzic zu fordern. Der Ressortchef hatte am Mittwochnachmittag alle Schulen im Land angewiesen, den heutigen Unterricht mit einer Schweigeminute zu beginnen. Ansonsten hatte der sozialistische Spitzenfunktionär in seiner ersten Reaktion den Amoklauf auf Videospiele und die "Übernahme angeblicher westlicher Werte" zurückgeführt.
Kritische Kommentare löste etwas später in einzelnen Medien auch Präsident Aleksandar Vucic aus, der unter anderem Teile der medizinischen Akte des Amokläufers vorlas. Auf diese Daten sollte er eigentlich gar keinen Zugriff haben.
Zwei Lehrergewerkschaften haben unterdessen für Freitag einen Streik angekündigt. "Wir tun dies in bester Absicht, um Schulen zum sicheren Platz für Ausbildung und Erziehung unserer Kinder werden zu lassen", wurde die Entscheidung von der Gewerkschaftsunion, einer der zwei Gewerkschaften, begründet.
Der 13-jährige Amokläufer wurde laut Medienberichten noch am Mittwoch in eine neuropsychiatrische Klinik eingeliefert. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wird er auch nicht strafrechtlich verfolgt werden können, da er noch nicht 14 Jahre alt ist. Sein Vater befindet sich für 48 Stunden in Gewahrsam. Ihm droht eine Klage wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Laut ersten Polizeierkenntnissen war gerade der Vater, ein begeisterter Waffensammler, derjenige, der seinem Sohn das Schießen beigebracht hatte. Die Frage, wie er den Buben wiederholt zu einem Schießübungsplatz mitnehmen durfte, ist noch unbeantwortet.
Präsident Vucic hatte sich am Mittwoch für eine strengere Waffenkontrolle ausgesprochen. Seinen Angaben nach würden sich derzeit legal in Privatbesitz über 700.000 diverse Waffen befinden. Er forderte Fachleute auch dazu auf, die Senkung des Alters für die Strafmündigkeit von aktuell 14 auf zwölf Jahre zu prüfen.
Unterdessen setzte die Regierung in Belgrad die Ausgabe neuer Waffenscheine für zwei Jahre aus. Darüber hinaus führt das Innenministerium in den nächsten drei Monaten verschärfte Inspektionen bei Waffenbesitzern durch, um die vorschriftsmäßige Verwahrung von Schusswaffen und Munition zu überprüfen. Dies entschied das Kabinett auf seiner Sitzung am Donnerstag, wie die Nachrichtenagentur Beta berichtete.
Nach Angaben von Veselin Milic, Chef der Belgrader Polizei, hatte sich der 13-Jährige, der nach der Tat selbst die Polizei anrief, in einer ersten Aussage als "Psychopath" bezeichnet. Er soll auch erklärt haben, dass er von Mitschülern ignoriert worden sei, was ihn zur Tat bewegt haben soll. Erst kürzlich soll er auf eigenen Wunsch in eine andere Klasse versetzt worden sein. Unter den Mitschülerinnen und Mitschülern galt der Bursch als ruhig und vielfach begabter Musterschüler.
Am Zaun vor der Schule tauchte neben Blumen und Kerzen am Donnerstag auch die Aufschrift auf: "Redet mit euren Kindern". Zwischen den Blumen lag eine Zeichnung des getöteten Wachmanns mit der Aufschrift: "Dragan, unser Held". In einem Land, in dem zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger ein Gefühl der Perspektivlosigkeit hätten, sei ein solches Ereignis zu erwarten gewesen, warnte die Europäische Bewegung in Serbien in einer Aussendung.
Zusammenfassung
- Einen Tag nach einem Amoklauf in einer Volksschule in der Hauptstadt Belgrad steht Serbien unter Schock.
- Ein 13-Jähriger hatte am Mittwoch acht Mitschülerinnen und Mitschüler sowie einen Wachmann getötet, während sechs Kinder und eine Lehrerin mit Verletzungen davon gekommen sind.
- Von den sieben Verletzten befanden sich am Donnerstag zwei - ein Mädchen und ein Bub - nach Angaben der Ärzte weiterhin in kritischem Zustand.