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Rückholung von IS-Ausreisender Maria G. derzeit kaum möglich

Die Halleinerin Maria G., die einst zum "Islamischen Staat" ausreiste, und ihre zwei Kinder sollten laut einer Gerichtsentscheidung aus einem Gefangenenlager in Syrien zurückgeholt werden. Doch das ist angesichts der Lage vor Ort derzeit kaum möglich. Die kurdischen Behörden sollen die Rückgabe aller Gefangenen derzeit "ausgesetzt" haben.

Das Warten nimmt kein Ende, die Situation wird immer komplizierter. Mehr als zehn Jahre nachdem die damals 17-jährige Konvertitin Maria G. entschied, sich der Terrororganisation "IS" anzuschließen und nach Syrien zu reisen, entschied das Bundesverwaltungsgericht im vergangenen Herbst, dass sie zurückgeholt werden müsse. 

Doch auch mehrere Monate nach der Gerichtsentscheidung sitzen Maria G. und ihre Kinder im Alter von 7 und 9 Jahren noch immer im Lager Al-Roj im kurdisch verwalteten Teil Syriens fest.

Das Außenministerium nahm die Planung einer Rückholung zwar auf, doch so schnell dürfte daraus nichts werden, wie PULS 24 erfuhr.

Denn nur wenige Tage nachdem die Gerichtsentscheidung rechtskräftig wurde, veränderte sich in Syrien alles. Der langjährige Diktator Bashar al-Assad wurde von Kämpfern unter der Führung der islamistischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) gestürzt. Die Türkei und ihre Verbündeten verstärkten ihre Angriffe auf die von den syrischen Kurd:innen kontrollierten Gebiete im Nordosten. 

Offiziell heißt es vom Außenministerium, dass die aktuellen Entwicklungen in der Region die Rückholung "erschweren" würden. Man setze die Bemühungen aber fort, wobei die Sicherheit des österreichischen Einsatzteams und der Zurückzuholenden "oberste Priorität" hätten. Weitere Angaben wolle man "aus Sicherheitsgründen" nicht machen. 

Kurd:innen unter Druck

Wie PULS 24 allerdings von einem Insider erfuhr, dürften derzeit vor allem die kurdischen Behörden auf der Bremse stehen, da sie die Gefangenen als Druckmittel sehen würden.

Die Kurd:innen geraten nämlich zunehmend unter Druck: Die von den kurdischen Einheiten angeführten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) spielten eine wichtige Rolle beim Kampf gegen den "IS" und wurden dabei von den USA unterstützt. Die Türkei betrachtet die zu den SDF gehörenden kurdischen YPG-Einheiten allerdings als Ableger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die von Ankara - wie von der EU und den USA - als Terrororganisation eingestuft wird. Auch die HTS, die nun in Damaskus das Sagen hat, wird von der Türkei unterstützt. Die Kurd:innen hoffen nun wieder vor allem auf Hilfe aus den USA.

Rückgabe von Gefangenen "ausgesetzt"

Politologe Thomas Schmidinger, der regelmäßig in der Region forscht, mit dem Fall Maria G. betraut ist und vor Gericht als Experte aussagte, meinte gegenüber PULS 24 zwar, dass es derzeit "keine Anhaltspunkte für eine strategische Verzögerung" der Rückgabe von Maria G. seitens der kurdischen Behörden geben würde. Die demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) hätte aber die Rückgabe aller ausländischen Staatsbürger:innen seit Anfang Dezember "ausgesetzt"

Das werde "zumindest offiziell" mit den Angriffen der Türkei und ihrer Verbündeten begründet, so Schmidinger, da die Abwehr dieser die Behörden binden würden und keine Zeit für Rückgaben bleibe. Vor den verstärkten Angriffen hatten die Behörden stets darum gebeten, andere Staaten mögen ihre Gefangenen zurückholen. 

Neue Regierung will Gefangene haben

Der Politologe glaube nicht, dass man Maria G. als Druckmittel brauche, doch könne es sein, dass man Gespräche mit der neuen Regierung in Damaskus abwarten wolle und diese davor "nicht provozieren" will. Die neue Regierung habe gefordert, dass die IS-Gefangenen an sie übergeben werden sollten.

Schmidinger vermutet, dass im Fall einer Übergabe an die neue Regierung in Damaskus ein Teil der ehemaligen IS-Angehörigen freikommen würde, andere würde man selbst in Haft behalten. Zu einer geordneten Rückholung werde es dann "wohl kaum" kommen. Rund um das Lager Al-Roj sei die Sicherheitssituation derzeit jedoch "unverändert". 

Doris Hawelka, die Anwältin der Familie G., spricht von einer "denkbar ungünstigen Situation vor Ort". Sie denke aber, dass sich das Außenministerium weiterhin bemühe. 

Syrische Machthaber drohen mit Gewalt

Am Mittwochabend kam dann auch aus Syrien die Meldung, dass sich die neuen syrischen Machthaber weiter offen für Verhandlungen mit den Kurd:innen zeigen würden. Allerdings schlossen sie auch Gewalt nicht aus, denn sie wollen alle bewaffneten Gruppen auflösen und sie in die reguläre Armee eingliedern. 

Sollten Maria G. und ihre Kinder eines Tages doch zurückgeholt werden können, wird sie sich in Österreich vor Gericht wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung verantworten müssen. 

Neue Chance für Maria: Rückkehr aus einem IS-Lager?

ribbon Zusammenfassung
  • Die Halleinerin Maria G., die einst zum "Islamischen Staat" ausreiste, und ihre zwei Kinder sollten laut einer Gerichtsentscheidung aus einem Gefangenenlager in Syrien zurückgeholt werden.
  • Doch das ist angesichts der Lage vor Ort derzeit kaum möglich. Die kurdischen Behörden sollen die Rückgabe aller Gefangenen derzeit "ausgesetzt" haben, wie Politologe Thomas Schmidinger sagt.
  • Das werde "zumindest offiziell" mit den Angriffen der Türkei und ihrer Verbündeten begründet, so Schmidinger, da die Abwehr dieser die Behörden binden würden und keine Zeit für Rückgaben bleibe.