Quantenforschungs-Institut IQOQI feiert 20-jähriges Bestehen
Als Gründungstag des IQOQI führt die dreibändige "Akademiegeschichte" ("Die Österreichische Akademie der Wissenschaften 1847-1922") den 10. Oktober 2003 an, operativ tätig wurde das Institut 2004. Ziel sei es gewesen, "in Österreich einen Ort für die sich neu entwickelnde theoretische und experimentelle Quantenoptik- und Quanteninformationsforschung auf höchster Exzellenzebene zu schaffen und damit in diesem Bereich zu den weltweit führenden Forschungszentren aufzusteigen", heißt es in dem Buch.
Tatsächlich konnten die ersten fünf Forschungsgruppen des IQOQI - geleitet von Rainer Blatt, Hans Briegel, Rudolf Grimm und Peter Zoller in Innsbruck sowie Anton Zeilinger in Wien - bereits auf einem soliden wissenschaftlichen Fundament aufbauen. Denn schon in den 1990er Jahren haben die Unis Innsbruck und Wien durch eine kluge Berufungspolitik rasch eine internationale Spitzenposition in der Quantenphysik erreicht.
So legte Zoller etwa mit seinem Kollegen Ignacio Cirac 1995 den ersten Vorschlag zur Realisierung eines Quantencomputers mittels Ionen-Fallen vor, Blatt gelang es in den Folgejahren im Labor die Grundbausteine eines solchen Quantenrechners zu konstruieren. 1997 veröffentlichte Zeilinger die erfolgreiche Teleportation eines Teilchens - was mit dem populären Begriff des "Beamens" beschrieben wurde, 2003 realisierte Grimm das weltweit erste Bose-Einstein-Kondensat aus Cäsiumatomen. Mit der IQOQI-Gründung sollen "Stärken gestärkt" werden, sagte der damalige ÖAW-Präsident Werner Welzig 2003 bei der Präsentation des neuen Instituts.
An diesem erhöhten die fünf Physiker mit ihren Gruppen die Schlagzahl weiter: So "beamte" Zeilinger schon im ersten Jahr des IQOQI erstmals außerhalb des Labors 600 Meter weit über einen Abwasserkanal vom Wiener Prater bis zur Donauinsel. Grimm gelang es erstmals, Suprafluidität von Fermi-Kondensaten nachzuweisen, was ihn 2004 auf die "Breakthrough of the Year"-Liste von "Science" katapultierte. Zahlreiche weitere Arbeiten aus Wien und Innsbruck landeten seither auf verschiedenen solcher Highlight-Listen von Fachjournalen.
Die IQOQI-Forscher zeigten jedenfalls Zug zum Tor - und Selbstbewusstsein: "Wir sind ein Zentrum, das weltweit sichtbar ist", eine "Ideenschmiede" und ein "weltweiter Trendsetter", sagte Blatt bereits ein Jahr nach Gründung des IQOQI. Zwei Jahrzehnte später konstatiert auch ÖAW-Präsident Heinz Faßmann: "Österreich hat eine weltweit führende Rolle in der Quantenforschung eingenommen."
Belegen lässt sich diese Position nicht mit einem simplen Ranking, mehrere Indizien sprechen aber dafür: So finden sich Blatt, Zeilinger und Zoller ebenso wie Markus Aspelmeyer vom IQOQI-Wien seit Jahren auf der Liste der "Highly Cited Researchers", die das oberste Prozent der am häufigsten zitierten Wissenschafterinnen und Wissenschafter umfasst. Insgesamt zehn hochdotierte Förderpreise des Europäischen Forschungsrats ERC gingen bisher an die beiden formal unabhängigen IQOQI-Institute in Wien und Innsbruck, die beide auch in dem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Exzellenzcluster "Quantum Science Austria" vertreten sind. Gekrönt wurde das alles durch die Verleihung des Physik-Nobelpreises an Anton Zeilinger im Jahr 2022.
Dass die hohen Fördermittel, die in die heimische Quantenforschung fließen, nicht nur die wissenschaftliche Reputation stärken, belegen erste Spin-Offs des IQOQI gemeinsam mit den jeweiligen Unis: In Innsbruck sind etwa die beiden Quantencomputer-Start-Ups Alpine Quantum Technologies GmbH (AQT) und ParityQC erfolgreich, in Wien die auf Quantenkryptographie spezialisierten Quantum Technology Laboratories (qtlabs) oder die inzwischen von Thorlabs übernommene, auf Hochpräzisionsoptik spezialisierte Crystalline Mirror Solutions GmbH.
Beigetragen zum Erfolg hat auch die direkte Anbindung an die beiden Unis. Die wissenschaftlichen Direktoren des Akademie-Instituts sind alle Uni-Professoren; mit Doktoranden und Post-Docs wird so eine kritische Masse erreicht. Die ÖAW ermöglichte dabei die Finanzierung der langfristigen, oft jahrelang laufenden Experimente. Wichtig für den Erfolg war auch immer die enge Wechselwirkung zwischen Theorie und Experiment. "Die Synergie zwischen Theorie und direktem Experiment ist ein besonderes Markenzeichen unseres Forschungsansatzes", durch den Austausch von Ideen zwischen den Gruppen entstehe eine "sehr lebendige und effektive Forschungsumgebung", so Francesca Ferlaino, die seit 2014 eine der Direktoren des IQOQI Innsbruck ist, in einer Aussendung.
In diesem Umfeld gedeihen Arbeiten und Experimente, die nicht nur die Aufmerksamkeit der Fachwelt erregen, sondern immer wieder auch eine breitere Öffentlichkeit faszinieren - von der weltweit ersten quantenkryptographisch verschlüsselten Banküberweisung bis zum ersten durch Quantenverschlüsselung abhörsicher gemachten Videotelefonat zwischen dem damaligen ÖAW-Präsidenten Zeilinger und seinem chinesischen Amtskollegen über einen chinesischen Quantenkommunikationssatelliten; vom paradoxen Materiezustand der Suprasolidität, in dem Quantenmaterie als supraflüssiger Kristall agiert, bis zur kleinsten jemals bestimmten Gravitationskraft einer Goldkugel mit der Masse eines Marienkäfers.
Mittlerweile arbeiten elf Forschungsgruppen in Innsbruck und Wien. Die Gründergeneration ist weiterhin wissenschaftlich tätig, hat sich aber großteils aus der ersten Reihe zurückgezogen. Aktuell beschäftigt man sich am IQOQI mit neuen Quantenzuständen der Materie, der Kontrolle von Vielteilchen-Systemen, den philosophischen Grundlagen der Quantenphänomene oder dem Zusammenhang von Quantenphysik, Gravitation und Raumzeit.
Zum 20-Jahr-Jubiläum ermöglicht das IQOQI-Innsbruck bei einem Tag der offenen Tür am 20. September Jung und Alt in die Quantenwelt einzutauchen. Abgesehen davon wird der Geburtstag wissenschaftlich begangen: Gemeinsam bieten die beiden IQOQI-Standorte von 9. bis 13. September eine "Summer School" für Studierende auf Master- oder frühem PhD-Niveau. Zudem werden zu zwei Konferenzen in Wien und Innsbruck international führende Quantenphysiker erwartet, darunter die Physik-Nobelpreisträger Serge Haroche, Wolfgang Ketterle, David Wineland und Anton Zeilinger: In Innsbruck findet von 16. bis 20. September die internationale "Conference on Quantum Optics and Quantum Information 2024" statt, in Wien vom 23. bis 27. September die "Vienna Quantum Foundations Conference".
Bei letzterer werden nicht nur 20 Jahre IQOQI gefeiert, sondern auch die Veröffentlichung der "Bellschen Ungleichung" vor 60 Jahren, die einen der stärksten Einflüsse auf die modernen Grundlagen der Quantenphysik hatte. Der nordirische Physiker John Stewart Bell (1928-1990) hatte 1964 dieses bahnbrechende Theorem veröffentlicht, das eine zentrale Unterscheidung zwischen Quantenmechanik und der den Alltag bestimmenden klassischen Physik ermöglicht.
(SERVICE - IQOQI: https://iqoqi.at/de/)
Zusammenfassung
- Das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) feiert sein 20-jähriges Bestehen und wurde 2003 von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gegründet.
- Anton Zeilinger, einer der Gründerväter des IQOQI, erhielt 2022 den Physik-Nobelpreis, was die internationale Sichtbarkeit des Instituts weiter erhöhte.
- Zu den bedeutenden Errungenschaften des IQOQI zählen die erste Teleportation eines Teilchens im Jahr 1997 und die Realisierung eines Bose-Einstein-Kondensats aus Cäsiumatomen 2003.
- Das IQOQI hat bisher zehn hochdotierte Förderpreise des Europäischen Forschungsrats ERC erhalten und ist in zahlreichen wissenschaftlichen Exzellenzclustern vertreten.
- Das 20-jährige Jubiläum wird mit einem Tag der offenen Tür am 20. September sowie zwei internationalen Konferenzen in Wien und Innsbruck gefeiert.