Pestizid-Verringerung gefährdet nicht Ernährungssicherheit
Pestizide sind aus vielfältigen Gründen problematisch, so Gewessler: Teils landen sie in den Gewässern, verbleiben im Boden und durchaus auch als Rückstände in den Nahrungsmitteln der Menschen, so Gewessler. Wenn man weniger davon einsetzt, könne man nicht nur hochwertigere Lebensmittel produzieren, sondern zum Beispiel auch das Insektensterben verringern, erklärte sie. Außerdem würde sich die wirtschaftliche Situation der Landwirte durch reduzierte Ausgaben für Pestizide verbessern, meint die Ministerin.
Die Ernährungssicherheit sei durch einen verminderten Einsatz von Pestiziden nicht gefährdet, sagte Helmut Gaugitsch vom Umweltbundesamt. Das heißt, es könnten weiterhin Lebensmittel für die Bevölkerung in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung gestellt werden. Eine von Katrin Sedy vom Umweltbundesamt mit Kollegen erstellte Studie habe vier "Hebel" zur Pestizidreduktion bei Beibehaltung oder Verbesserung der Ernährungssicherheit in Österreich identifiziert.
Erstens müsse man den Verlust von Agrarland stoppen. In den vergangenen 20 Jahren wäre die Ackerfläche österreichweit durch "Bodenverbrauch" (anderweitige Nutzung zum Beispiel für Straßen, Einkaufszentren und Wohnhäuser, Anm.) um 825 Quadratkilometer weniger geworden, sagte Gaugitsch: "Dies ist doppelt so viel wie die Fläche Wiens". Dazu gibt es um gut sechs Prozent weniger Grünland. Insgesamt entsprächen die Bodenverluste für die Landwirtschaft der Größe Osttirols. Einhalt könne man dem nur durch verbindliche Maßnahmen für Bodenschutz gebieten, erklärte er.
Zweitens sei es wichtig, die Lebensmittelverschwendung hierzulande einzudämmen. Jährlich passiert dies pro Jahr und Person mit 132 Kilogramm an Essbarem, wie Gaugitsch berichtete: "Den größten Anteil haben dabei die individuellen Haushalte". Aber auch im Einzelhandel, bei der Verarbeitung und Produktion gäbe es vermeidbare Verluste. Drittens sollte man die Anteile der Energiepflanzen- und Futtermittelproduktion reduzieren. Österreich habe einen sehr großen Selbstversorgungsgrad etwa bei Getreide (80 bis 90 Prozent), aber nur ein geringer Anteil davon (elf Prozent) dient direkt zur Ernährung der Bevölkerung. Viel mehr Getreide wird etwa zur Futtermittelproduktion (48 Prozent), in der Industrie unter anderem zum Bierbrauen (28 Prozent) und für den Brennstoff Bioethanol (elf Prozent) genutzt. Der Rest (zwei Prozent) dient als Saatgut. Als Maßnahmen empfiehlt die Studie beispielsweise vermehrt grünlandbasierte Viehwirtschaft, also dass Rinder, Schafe und Ziegen mit Gras anstatt Kraftfutter verköstigt werden.
Auch biologische Landwirtschaft sei ein wichtiger Hebel zur Reduktion des Pestizideinsatzes, weil sie "trotz Herausforderungen mit Erfolg" auf den Einsatz von chemisch synthetisierten Pflanzenschutzmitteln verzichtet, so Gaugitsch. Der Simonsfelder (NÖ) Landwirt Martin Steininger erklärte, dass es in seinem Betrieb beim Umstieg von konventioneller Landwirtschaft auf Bio-Anbau "überraschend wenig Probleme" gab, und er froh sei, dass er den Schritt gemacht hätte: "Dadurch haben wir eine große Sorge weniger, nämlich welche und wie viele teure Pflanzenschutzmittel wir einkaufen müssen."
(S E R V I C E - Link zur Studie - https://go.apa.at/7KP7XxUK
Zusammenfassung
- Umweltministerin Leonore Gewessler betont, dass weniger Pestizide in der Landwirtschaft die Ernährungssicherheit in Österreich nicht gefährden.
- Eine Studie des Umweltbundesamtes zeigt, dass 825 Quadratkilometer Ackerfläche in den letzten 20 Jahren verloren gingen und pro Person und Jahr 132 Kilogramm essbare Lebensmittel verschwendet werden.
- Helmut Gaugitsch vom Umweltbundesamt bestätigt, dass die Ernährungssicherheit durch weniger Pestizide nicht gefährdet ist, während Landwirt Martin Steininger positive Erfahrungen beim Umstieg auf biologische Landwirtschaft berichtet.