Pandemie hat kaum Auswirkung auf Suchtverhalten
Unter anderem wurde zutage gefördert, dass der erste Lockdown vor allem bei jüngeren Menschen das Suchtverhalten änderte, aber nur vorübergehend. Allerdings ging das in beide Richtungen, einige reduzierten den Konsum, andere steigerten ihn. Unabhängig von Alter und Geschlecht waren die wichtigsten Motive für einen Konsumanstieg mehr Freizeit oder mehr Stress, die wichtigsten Motive für eine Konsumreduktion der Wegfall von Konsummöglichkeiten und sozialen Interaktionen außer Haus.
Frauen berichteten tendenziell häufiger als Männer von einem gesteigerten Tabakkonsum während des ersten Lockdowns. Noch stärker zeigte sich dieser Effekt beim Konsum von Schlaf- und Beruhigungsmitteln: Frauen gaben doppelt so häufig wie Männer an, während des ersten Lockdowns mehr Schlaf- und Beruhigungstabletten eingenommen zu haben. Männer berichteten hingegen häufiger als Frauen von einer Reduktion ihres Alkoholkonsums. Die deutliche Mehrheit der Befragten gab jedoch an, dass es im ersten Lockdown zu keinen relevanten Veränderungen im Konsum psychoaktiver Substanzen gekommen sei.
Ergänzende Ergebnisse aus der zweiten Erhebungswelle im Oktober 2020 legen nahe, dass Verhaltensänderungen als Reaktion auf den ersten Lockdown überwiegend nur von kurzer Dauer waren: Der Anteil der Befragten, die beispielsweise täglichen oder fast täglichen Alkoholkonsum angaben, stieg kurzfristig deutlich an, sank aber im Herbst wieder auf das Ausgangsniveau ab.
Die gute Nachricht kommt zum Tabakkonsum: Regelmäßige Raucher werden immer seltener. Jeder Sechste greift täglich zur Zigarette. Fast ein Viertel der befragten Personen ab 15 Jahren gab an, aktuell zu rauchen - das bedeutet, in den vergangenen 30 Tagen zumindest eine Zigarette konsumiert zu haben. Männer und Frauen unterscheiden sich in Hinblick auf diese beiden Indikatoren nur gering. Allerdings konsumieren Personen mit einem niedrigeren Bildungsabschluss mehr Zigaretten pro Tag als Personen mit einem höheren Bildungsabschluss.
Im Vergleich zu den Vorerhebungen aus den Jahren 2004 und 2008 zeigte sich eine deutliche Sensibilisierung in Hinblick auf die Gefahren regelmäßigen und starken Zigarettenkonsums. So versuchte etwa ein Drittel der täglich Rauchenden in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal ernsthaft aufzuhören, schaffte es aber nicht.
Sieben Prozent der Befragten geben an, in den letzten 30 Tagen Schlaf- oder Beruhigungsmittel eingenommen zu haben, vier Prozent berichten von einer häufigen Einnahme (viermal oder häufiger in den letzten 30 Tagen) solcher Substanzen. Beide Indikatoren sind bei Frauen höher als bei Männern und bei älteren Personen höher als bei jungen.
Empirische Zahlen sowie Annahmen zur Unterschätzung von Cannabiskonsum bei Befragungsdaten führen zu der Schätzung, dass etwa ein Drittel bis die Hälfte der Österreicher mindestens einmal Cannabis konsumierte. Dabei handelt es sich meist nur um Probierkonsum bzw. um Konsum über eine begrenzte Phase: Nur drei Prozent der Gesamtstichprobe gaben für die letzten 30 Tage Cannabiskonsum an. Insgesamt sprechen sich über 70 Prozent der Personen mit einer expliziten Meinung zur Cannabisregulierung für Straffreiheit bei Konsum von THC-haltigem Cannabis aus. Sowohl in Bezug auf die medizinische als auch auf die allgemeine Abgabe von THC-haltigem Cannabis erfuhren im Vergleich zur Erhebung von 2015 liberale Positionen Zuwachs.
Drei bis vier Prozent der Befragten gaben an, irgendwann in ihrem Leben biogene Drogen, Kokain, Ecstasy, Amphetamin oder Schnüffelstoffe konsumiert zu haben. Ein bis zwei Prozent probierten nach eigenen Angaben schon einmal Metamphetamin, LSD oder neue psychoaktive Substanzen (NPS). Tendenziell gaben Männer bei fast allen Drogen öfter als Frauen an, diese bereits probiert zu haben.
Wie der Tabak- geht auch der Alkoholkonsum im langfristigen Vergleich zu Vorerhebungen leicht zurück. Unabhängig von Veränderungen im Rahmen der Corona-Pandemie wird laut aktuellen Daten geschätzt, dass 15 Prozent der österreichischen Bevölkerung (ab 15 Jahren) Alkohol in einem problematischen Ausmaß konsumieren, 1994 waren dies noch 18 Prozent. Diese Schätzung umfasst Personen mit Alkoholabhängigkeit sowie Personen mit einem Konsumverhalten, das längerfristig mit großer Wahrscheinlichkeit zu körperlichen Problemen führen wird.
Dabei weisen Männer (19 Prozent) fast doppelt so häufig einen problematischen Konsum auf wie Frauen (elf Prozent) und auch bei anderen Konsumindikatoren zeigte sich ein ähnliches Verhältnis zwischen den Geschlechtern: Männer trinken im Durchschnitt mehr als doppelt so viel Alkohol wie Frauen (38 Gramm bzw. 15 Gramm Reinalkohol), doppelt so häufig täglich oder fast täglich Alkohol (25 bzw. zwölf Prozent) und doppelt so häufig große Mengen bei einer Trinkgelegenheit.
Acht Prozent der Befragten nutzten digitale Spiele in einem Ausmaß von mehr als zehn Stunden pro Woche, zusätzliche fünf Prozent in einem Ausmaß von mehr als 20 Stunden pro Woche. Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie während des ersten Lockdowns mehr Computerspiele genutzt haben, und die durchschnittliche Spieldauer hat sich von vier auf acht Stunden verdoppelt. Eine tägliche Nutzung digitaler Spiele wird insbesondere von jungen männlichen Befragten häufig berichtet und liegt bei 15- bis 19-Jährigen etwa bei über 40 Prozent.
"Um Menschen mit Suchtkrankheiten verstärkt helfen zu können, muss man die Rahmenbedingungen besser verstehen, die Suchtverhalten fördern", sagte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). "Mit der Österreichischen Repräsentativerhebung zu Konsum- und Verhaltensweisen mit Suchtpotenzial 2020 schaffen wir die Datengrundlage dazu."
Zusammenfassung
- Veränderungen im Suchtverhalten durch die Coronakrise gab es nur kurzfristig.
- Frauen berichteten tendenziell häufiger als Männer von einem gesteigerten Tabakkonsum während des ersten Lockdowns.
- Die deutliche Mehrheit der Befragten gab jedoch an, dass es im ersten Lockdown zu keinen relevanten Veränderungen im Konsum psychoaktiver Substanzen gekommen sei.
- Männer und Frauen unterscheiden sich in Hinblick auf diese beiden Indikatoren nur gering.