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Nötige Mittel für juristische Prozessbegleitung gefordert

19. März 2025 · Lesedauer 4 min

Was die Vertretung von Verbrechensopfern in Ermittlungsverfahren und vor Gericht betrifft, verspricht das Regierungsprogramm der Koalition von ÖVP, SPÖ und NEOS eine "ausreichende Dotierung im Bereich der psychosozialen Prozessbegleitung." Nicht erwähnt werden jedoch die über 300 juristischen Prozessbegleiterinnen und -begleiter, die vor, während und nach Strafverfahren den Opfern beistehen. Das bemängelt der Verein Österreichische Juristische Prozessbegleiter:innen (JurPB).

"Grundsätzlich ist es erfreulich, dass es das Institut der Prozessbegleitung ins Regierungsprogramm geschafft hat. Prozessbegleitung fußt aber auf zwei Säulen, der psychosozialen und der juristischen. Wenn man will, dass die Prozessbegleitung auch in Zukunft in derselben oder idealerweise einer noch besseren Qualität bestehen kann, ist es erforderlich, beide Säulen ausreichend zu finanzieren. Nur so ist der Erhalt des bewährten dualen Systems gewährleistet", gibt Lian Kanzler, Vorstandsmitglied des Vereins, zu bedenken.

Ziel des im Jahr 2023 gegründeten Verein JurPB ist es, die juristische Seite der Prozessbegleitung zu stärken, die Interessen der auf Opfervertretung spezialisierten Rechtsanwältinnen und -anwälte zu bündeln und nach außen zu vertreten und sich für die Verbesserung der Opferrechte einzusetzen.

Der Verein fordert von der Regierung ein Bekenntnis zum dualen System der Prozessbegleitung. Um die juristische Säule kostendeckend aufrechterhalten zu können, "müssen sämtliche für eine qualitativ hochwertige Prozessbegleitung notwendige Leistungen auch bezahlt werden", betont Lian Kanzler im APA-Gespräch. Bis dato würden rund ein Drittel aller Leistungen ohne entsprechende Vergütung erbracht, hält der auf juristische Prozessbegleitung und Familienrecht spezialisierte Wiener Anwalt fest. Ein kostendeckendes Arbeiten sei so "einfach nicht möglich".

Für Kanzler ist es unabdingbar, dass in Zukunft die Wegzeiten der juristischen Prozessbegleiterinnen und -begleiter ebenso bezahlt werden wie sämtliche Leistungen, die nach Rechtskraft eines Urteils anfallen. Für beides gibt es derzeit nämlich kein Geld. Das bedeutet beispielsweise, dass anwaltliche Aufforderungsschreiben, wenn Verbrechensopfer vergeblich auf den von Gerichten rechtskräftig zugesprochenen Schadenersatz oder Schmerzengeld warten, nicht abgegolten werden. Auch Tätigkeiten, die an sich massiv im Interesse des Opfers einer Straftat sind - etwa das Eruieren des Datums der Haftentlassung des Täters oder dessen erste Freigang-Termine - werden der Opfervertretung derzeit nicht vergütet. Anzeigeberatung wird wiederum nur dann bezahlt, wenn sie die Verjährungsproblematik betrifft oder wenn tatsächlich Anzeige erstattet wird.

JurPB gegen "Fehler im System"

Für Kanzler ist Letzteres besonders unbefriedigend: "Die Anzeigeberatung ist das Herzstück der juristischen Prozessbegleitung. Die oder der Betroffene einer Straftat sollte nach der Beratung auf Basis der erhaltenen Informationen selbstbestimmt entscheiden, ob sie oder er Anzeige machen möchte oder nicht." Insofern sei es "ein Fehler im System", dass die juristische Prozessbegleitung nur bei tatsächlich eingebrachten Anzeigen finanziell honoriert wird.

Momentan nicht bezahlt werden weiters Antragstellungen nach dem Verbrechensopfergesetz und Leistungen unter fünf Minuten, worunter vor allem nicht erfolgreiche Telefonate fallen. Auch die zeitintensive Einspeisung von Daten in die Abrechnungsdatenbank des Justizministeriums wird nicht abgegolten.

Dabei wäre nach Ansicht des Vereins für einige nicht vergütete Leistungen bereits jetzt ein Administrationszuschlag von 15 Prozent vorgesehen, den jedoch die Opferschutzeinrichtungen vom Justizministerium erhalten. Bis auf zwei Wiener Opferschutzeinrichtungen, die davon die Hälfte den juristischen Prozessbegleiterinnen und -begleitern weitergeben, behalten die psychosozialen Einrichtungen diesen Zuschlag zur Gänze ein. Ein Umstand, der beim Verein Österreichische Juristische Prozessbegleiter:innen irritiert.

Einheitlicher Rahmenvertrag als "erforderlicher Professionalisierungsschritt"

Der Verein tritt für einen einheitlichen Rahmenvertrag zwischen den psychosozialen Einrichtungen und den juristischen Prozessbegleiterinnen und -begleitern ein. Dies wäre "ein erforderlicher Professionalisierungsschritt nach mehr als 25 Jahren Prozessbegleitung", sagt JurPB-Vorstand Kanzler. Geregelt sollten in dem Vertrag jedenfalls die Zuständigkeitsverteilung über die im Zuge der Prozessbegleitung zu erbringenden Leistungen sowie einheitliche Auszahlungsmodalitäten sein, was die Transparenz und die Planungssicherheit für die Anwältinnen und Anwälte verbessern würde. Was und vor allem auch wann bezahlt wird, unterscheidet sich derzeit nämlich von Einrichtung zu Einrichtung und von Bundesland zu Bundesland erheblich. Hinsichtlich des Stundensatzes gehört nach Ansicht von Kanzler auch eine Wertsicherungsklausel in den Rahmenvertrag.

Grundsätzlich verlangt der Verein eine Erhöhung des Stundensatzes, der für juristische Prozessbegleiterinnen und -begleiter gegenwärtig bei 118 Euro liegt. Zum Vergleich: der Stundensatz des rechtsanwaltschaftlichen Bereitschaftsdienstes für Verteidiger und Verteidigerinnen beträgt 187 Euro und wird regelmäßig wertangepasst. Zusätzlich werden viele notwendige Leistungen, die in der jurPB nicht bezahlt werden wie z.B. Wegzeiten, schon bezahlt. "Man müsste den Stundensatz wohl um bis zu 50 Prozent erhöhen, um mit Blick auf die Inflation und den erfolgten Leistungskürzungen zumindest dort zu sein, wo man vor 25 Jahren gestartet ist", meint Kanzler.

(S E R V I C E - https://jurpb.at/)

Zusammenfassung
  • Der Verein Österreichische Juristische Prozessbegleiter:innen fordert eine ausreichende Finanzierung der juristischen Prozessbegleitung, die im Regierungsprogramm der Koalition nicht erwähnt wird.
  • Lian Kanzler betont, dass das duale System der Prozessbegleitung nur durch Finanzierung beider Säulen erhalten werden kann.
  • Der aktuelle Stundensatz für juristische Prozessbegleitung beträgt 118 Euro, während der für Verteidiger 187 Euro beträgt, was eine Erhöhung um bis zu 50 Prozent notwendig macht.
  • Viele Leistungen, wie Wegzeiten und Tätigkeiten nach Rechtskraft eines Urteils, werden derzeit nicht vergütet, was der Verein kritisiert.
  • Ein einheitlicher Rahmenvertrag zwischen psychosozialen Einrichtungen und juristischen Prozessbegleitern wird als notwendiger Professionalisierungsschritt angesehen.