Immer mehr Gefährder mit psychiatrischen Problemen in Wien
"Gefährderinnen und Gefährder mit psychiatrischen Problemen" (Anm.: In Wien sind 98 Prozent der Hochrisikogefährder männlich), seien dabei besonders herausfordernd. Denn sie könnten "rechtliche Konsequenzen teilweise kognitiv gar nicht verarbeiten". Konkrete Zahlen dazu werden bei der Landespolizeidirektion nicht geführt, der Trend in diese Richtung sei jedoch "im Rahmen unserer Tätigkeit" feststellbar, sagte Lepuschitz anlässlich der aktuell auch in Österreich laufenden UNO-Kampagne "Orange the World - 16 Tage gegen Gewalt an Frauen".
Auch sei für Gefährderinnen und Gefährder mit einer psychiatrischen Störung, die aufgrund psychotischer Episoden zu Gewalt neigten, die Prognose des weiteren Verlaufs besonders schwer abzuschätzen, erklärte die Psychologin. Sie seien von den beiden anderen Hauptgruppen abzugrenzen: "Gefährder im familiären Kontext, die überwiegend männlich sind und patriarchale Denk- sowie Verhaltensmuster aufzeigen" sowie "Gefährderinnen und Gefährder mit einer Alkohol- und/oder Suchtgiftbeeinträchtigung, die primär im privaten Kontext durch die Suchterkrankung angetrieben sind und daraus resultierend gewalttätig werden."
"Alle drei Gruppen benötigen eine unterschiedliche Art der Präventionsarbeit." Schließlich seien auch die Ausgangslagen und Motivationen zur Gewalt grundlegend unterschiedlich.
Treffen bestimmte Kriterien auf einen Fall mit Bezug zu Gewalt in der Privatsphäre zu, wird von den Beamten im "GiP-Support (Gewalt in der Privatsphäre)"mithilfe einer eigenen Software auf Basis von Wahrscheinlichkeitsrechnung ein Risikoprofil für den Täter vorgenommen. Besonders schwere Fälle davon landen seit 1. Oktober 2023 als Hochrisiko-Akte im Opferschutzzentrum.
Im ersten Jahr (1. Oktober 2023 bis 30. September 2024) des Betriebs wurden rund 600 solcher Fälle registriert, in mehr als 14 Prozent der pro Monat in der Bundeshauptstadt 350 ausgesprochenen Betretungsverbote erging dabei eine Meldung an das Opferschutzzentrum. Insgesamt seien 650 Akte bearbeitet worden, so die Psychologin, die Differenz ergebe sich aus Fällen, in denen die Gefährder das Betretungs- und Annäherungsverbot missachtet hätten. Rund 600 gefährdete Personen mit Hochrisiko wurden betreut.
Die Beamtinnen und Beamten des Opferschutzes erstellen dabei Gefährdungsanalysen auf wissenschaftlicher Grundlage, nehmen an Fallkonferenzen teil und stehen dabei in ständigem Austausch mit Partnerorganisationen wie dem Gewaltschutzzentrum, dem Verein Neustart oder den Wiener Frauenhäusern aber auch in engem Kontakt mit Opfern als auch Tätern.
Wobei Lepuschitz hervorhob, dass seit Betrieb des Opferschutzzentrums eine Steigerung im Hinblick auf die Erreichbarkeit von Gefährdern bemerkbar sei. Immerhin 59 Prozent der Gefährder seien gesprächsbereit gewesen. "Das stellt das eine Verdoppelung der Erreichbarkeit von einem Drittel auf etwa zwei Drittel aller Hochrisiko-Gefährder dar."
Eine Überführung des Opferschutzzentrums in den Regelbetrieb ist derzeit noch ausständig. "Eine gewünschte Implementierung des Opferschutzzentrums in den Regelbetrieb mit den dafür benötigten Planstellen liegt in der Zuständigkeit des Innenministeriums", heißt es aus der Landespolizeidirektion. Es sei jedenfalls ein Ziel noch mehr Fachpersonal zu beschäftigen, um die Prävention noch effizienter zu gestalten, so Lepuschitz.
( S E R V I C E - Die Wiener Polizei ist Ansprechpartner für Personen, die Gewalt wahrnehmen oder selbst Opfer von Gewalt sind. Der Polizei-Notruf ist unter der Nummer 133 jederzeit erreichbar. Die Kriminalprävention des Landeskriminalamt Wien bietet darüber hinaus persönliche Beratungen unter der Hotline 0800 216346 an.
Weitere Ansprechpartner: Frauenhelpline 0800 222 555, Gewaltschutzzentrum 01 585 32 88, Opfer-Notruf 0800 112 112 Notruf des Vereins der Wiener Frauenhäuser 05 77 2, Männerberatungsstelle 01/603 28 28)
(Von Nikolaus Pichler/APA)
Zusammenfassung
- Immer mehr Täter mit psychiatrischen Erkrankungen beschäftigen die Polizei in Wien, wobei 98 Prozent der Hochrisikogefährder männlich sind. Seit dem Start des Opferschutzzentrums wurden 650 Hochrisiko-Akte bearbeitet.
- Die Erreichbarkeit von Gefährdern hat sich verdoppelt, da 59 Prozent gesprächsbereit sind. Rund 600 gefährdete Personen wurden betreut, und in 14 Prozent der monatlich 350 ausgesprochenen Betretungsverbote erfolgte eine Meldung an das Zentrum.
- Eine Überführung des Opferschutzzentrums in den Regelbetrieb ist noch ausstehend. Das Innenministerium ist für die Implementierung zuständig, um die Prävention effizienter zu gestalten.