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Gerechtigkeitssinn bei Hunden doch nicht nachgewiesen

Eine Handbewegung der Experimentatoren und nicht Aversion gegen Ungerechtigkeit hat bei einer früher veröffentlichten Studie wohl zu der Annahme geführt, dass Hunde über einen Gerechtigkeitssinn verfügen, erklären Wiener Verhaltensforscher im Fachjournal "Scientific Reports". Bei nachträglichen Kontrollversuchen konnten sie nämlich keinen Unterschied mehr bei der Kooperationsbereitschaft feststellen, wenn die Tiere ungerecht behandelt wurden oder nicht.

Die Forscher um Friederike Range vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Veterinärmedizinischen Universität Wien ließen die Hunde in dem ursprünglichen Experiment "Pfote geben". Wenn sie dafür nicht belohnt wurden, ein zweiter anwesender Hund aber einen Leckerbissen bekam, stellten sie die Kooperation früher ein, als wenn gar kein zweiter Hund dabei war, und die Experimentatoren nur "die Luft fütterten". Die Forscher schlossen daraus, dass die Vierbeiner "so etwas wie Neid" gegenüber Artgenossen kennen.

Ihre Fachkollegen gaben jedoch in der Folge zu bedenken, dass nicht alle Eventualitäten berücksichtigt wurden. Ein Team um Jim McGetrick und Friederike Range wiederholte die Studie deshalb mit 20 Haushunden unterschiedlichster Rassen inklusive Mischlingen und führte zusätzliche Kontrollversuche durch. Sie konnten die früheren Ergebnisse nicht bestätigen: Die Tiere stellten das Pfotegeben nicht signifikant früher ein, wenn sie leer ausgingen, während ein anderer anwesender Hund ein Wurststückchen bekam, als wenn der Experimentator nur so tat, als ob ein zweiter Hund daneben säße und er jenen füttere. "Es gelang uns also nicht, den früheren Befund zu reproduzieren, dass Hunde Aversion gegen Ungerechtigkeit zeigen", schreiben sie in der aktuellen Publikation.

In einem zusätzlichen Kontrollversuch (mit der Hälfte der Hunde, die doch früher aufgaben, wenn ein anderer Hund belohnt wurde, als beim Luft-Füttern) stellten die Forscher anstatt des zweiten Tieres manchmal eine hundegroße Kartonschachtel mit runder Öffnung in Hundemaulhöhe hin, wo sie die Wurststückchen fallweise hineinwarfen. "Die Dauer des Pfotegebens unterschied sich nicht, egal ob der Partner ein anderer Hund oder eine Box war", so McGetrick in einer Aussendung. Die Vierbeiner haben wohl einfach erkannt, dass die Belohnung weg ist (im anderen Hundemaul oder der Schachtel), die Kooperation als nicht einträglich angesehen und eingestellt.

Fuchtelten die Experimentatoren allerdings mit dem Wurststückchen nur in der Luft herum, als ob sie es einem anderen Hund gäben (oder in eine Box), um es anschließend wieder in ihre Schüssel voller Belohnungen zurückzulegen, waren die Hunde länger zur Kooperation bereit. Dies läge wohl an der Erwartungshaltung, dass sie doch noch an die Wurst kommen, so die Forscher. "Genauer gesagt erhöht die Bewegung von Nahrungsmitteln in der Abwesenheit eines Partners die Wahrnehmung der Erreichbarkeit von Belohnungen für die Probanden", heißt es in der Arbeit. Dies habe die Illusion erzeugt, dass Hunde "bei Ungleichheit aufgrund echter Ungleichheitsaversion aufgeben". Ob Hunde nun über einen Gerechtigkeitssinn verfügen oder nicht, ist demnach ungeklärt.

(S E R V I C E - Studie von 2009: https://doi.org/10.1073/pnas.0810957105, aktuelle Studie: https://doi.org/10.1038/s41598-023-38836-w)

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  • Die Forscher schlossen daraus, dass die Vierbeiner "so etwas wie Neid" gegenüber Artgenossen kennen.