Frauenmorde: "Wir brauchen Ampelsysteme für Gewaltdelikte"
"Uns sind die Gewalt-Cluster bekannt", versicherte die Geschäftsführerin der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie anlässlich einer Tagung zum Thema "Femizide in Österreich" im Juridicum. "Wir haben das Know-how, die Ressourcen und den Willen." Auch zusätzliche finanzielle Mittel wären nicht unbedingt notwendig. Und doch könne man in Akut-Situationen in vielen Fällen nicht rechtzeitig tätig werden, selbst wenn im Vorfeld ganz klar alle Alarmglocken schrillen. Leider hapere es grundsätzlich an der Zusammenarbeit und dem raschen, regelmäßigen Austausch mit der Polizei. "Wir fühlen uns sehr alleine gelassen."
Sie würde sich zum Beispiel gern alle zwei Tage mit der Exekutive per Video-Konferenz kurzschließen und Hotspots bzw. kritische Fälle und mögliche Interventionen diskutieren. Einige derartige Kontakte habe es in der Vergangenheit gegeben, diese seien aber ersatzlos abgeschafft worden. "Wir könnten besser sein - und mehr Morde verhindern", zeigte Logar sich überzeugt. "An sich haben wir gute Gesetze, die Umsetzung ist aber mangelhaft."
Als Grundlage gilt eine konkrete Checkliste zur Gefährlichkeits- und Risikoabschätzung, die 20 Punkte wie vorangegangene Gewaltdelikte, Selbstmorddrohung, Trennung, Alkohol- und Drogenmissbrauch oder auch die Selbsteinschätzung des potenziellen Opfers umfasst. Mithilfe dieses Katalogs könne in vielen Fällen rechtzeitig eingegriffen werden. Oft kommen aber alle Maßnahmen zu spät, und im Nachhinein werden viele Alarmsignale deutlich. Das Umfeld könne nicht selten Anschuldigungen bestätigen, werde aber viel zu oft nicht involviert - in vielen Fällen könnte so ein "Aussage gegen Aussage"-Patt verhindert werden. Außerdem sei die Betreuung meist nur kurzfristig möglich, wäre häufig aber mittel- und langfristig sinnvoll: In rund der Hälfte der Mordfälle sei der Täter amtsbekannt und es gibt eine polizeiliche Vorgeschichte mit Gewalt. Aktuell sei mit einem "verzögerten" Peak zu rechnen.
Das dritte Fachforum Femizide in Österreich zur Umsetzung der "Istanbul Konvention" aus dem Jahr 2011 beleuchtet die Thematik Institutionen-übergreifend und behandelt Ursachen, Daten und Probleme im Interventionssystem. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt gilt als Meilenstein, weil hier verbindliche Rechtsnormen geschaffen wurden. Außerdem initiierte die Europäische Union Forschungsprogramme, um ein Monitoring-System zu entwickeln. Die Allianz "GewaltFREI Leben" hat sich im Herbst 2017 im Zusammenhang mit der Evaluierung der österreichischen Umsetzung der "Istanbul-Konvention" gegründet. Der Zusammenschluss von Opferschutzeinrichtungen und Zivilgesellschaftsorganisationen widmet sich der Verbesserung des Gewaltschutzes in Österreich.
(S E R V I C E - Mehr zum Thema Gewalt unter www.gewaltfreileben.at/de/, www.interventionsstelle-wien.at/ oder www.gewaltschutzzentrum.at. Die österreichweiten Frauenhelpline gegen Gewalt ist unter 0800 222 555 erreichbar.)
Zusammenfassung
- "Uns sind die Gewalt-Cluster bekannt", versicherte die Geschäftsführerin der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie anlässlich einer Tagung zum Thema "Femizide in Österreich" im Juridicum.
- Mithilfe dieses Katalogs könne in vielen Fällen rechtzeitig eingegriffen werden.
- Die Allianz "GewaltFREI Leben" hat sich im Herbst 2017 im Zusammenhang mit der Evaluierung der österreichischen Umsetzung der "Istanbul-Konvention" gegründet.