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Expertinnen sehen Handlungsbedarf beim Kinderschutz

Dass ein 2010 wegen Kindesmissbrauchs verurteilter Mann - seine Vorstrafe ist mittlerweile getilgt - in Ostösterreich mehrtägige Ferien-Camps für Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren anbietet, hatte Ende Mai für Aufsehen gesorgt. Es gibt allerdings keine rechtliche Möglichkeit, dem Mann seine berufliche Tätigkeit zu untersagen oder zu überprüfen, ob er dafür die erforderlichen pädagogischen Fähigkeiten mitbringt. Expertinnen und Experten sehen darin eine Gesetzeslücke.

Der Mann - eigenen Angaben zufolge ein zertifizierter Outdoor-Guide und Kletterlehrer - betreibt laut Firmenbuch seit 2019 ein Einzelunternehmen für Sport- und Freizeitunterricht. Da er als unbescholten gilt und es aktuell keine Verdachtsmomente auf übergriffiges Verhalten gibt, unterliegt er bei der Ausübung seines Gewerbes de facto keiner Kontrolle. Für Martina Wolf, Geschäftsführerin im Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren, gehört das geändert. "Jemand, der mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, sollte dafür geeignet sein. Es bräuchte eine Regelung, die das auch bei Einzelunternehmern gewährleistet", sagte Wolf im Gespräch mit der APA. Sie sieht den Gesetzgeber in der Pflicht: "Es müsste einfach Kriterien geben, die jemand erfüllen muss, um eine Zulassung zu kriegen, wenn er mit Kindern arbeiten will."

Auch bei der Kinder und Jugendanwaltschaft Wien wünscht man sich ein Schließen dieser Gesetzeslücke. Für alle Personen, die beruflich mit Unmündigen und Minderjährigen zu tun haben, sollte es im Sinne des Kinderschutzes eine Art Zugangskontrolle geben, hieß es auf APA-Anfrage seitens der Ombudsstelle für Kinder und Jugendliche, die nicht bei ihren Familien leben können.

Die Leiterin des Kinderschutzzentrums Möwe, Hedwig Wölfl, verlangte im "Ö1 Journal um acht" ein österreichweit geltendes Kinderschutzgesetz, "wo geregelt wird, wer mit Kindern im Freizeitbereich unter welchen Voraussetzungen tätig werden kann". Alle Anbieter in diesem Bereich sollten zwingend ein Führungszeugnis und ein Kinderschutzkonzept vorweisen müssen. Wölfl beklagte das Fehlen "einer unabhängigen Stelle, die überprüft, wer Freizeitangebote, sportliche Angebote für Kinder setzt". Es bräuchte "eine Art von Zertifizierung, ob die Anbieter geeignet sind".

Zustimmung signalisierte dazu die Sportsprecherin der Grünen, Agnes Prammer. "Während der organisierte Sport daran arbeitet, Präventionskonzepte zu entwickeln und den Vereinen und Institutionen die richtigen Werkzeuge und Mittel in die Hand zu geben, zeigt sich im gewerblichen Sport diesbezüglich noch erheblicher Handlungsbedarf", bekräftigte sie am Donnerstag. Dass es wegen sexuellen Missbrauchs vorbelasteten Menschen möglich sei, sich mittels freiem Gewerbe für Freizeit- oder Sport-Kurse für Kinder ein Gelegenheitsverhältnis zu schaffen, sei problematisch. "Der Schutz und das Wohl unserer Kinder muss höchste gesellschaftliche Priorität haben. Das Gewerberecht muss hier nachziehen, damit Österreichs an sich hohe Kinderschutzstandards auch überall im Sport- und Freizeitbereich gelten", stellte Prammer klar.

ribbon Zusammenfassung
  • Dass ein 2010 wegen Kindesmissbrauchs verurteilter Mann - seine Vorstrafe ist mittlerweile getilgt - in Ostösterreich mehrtägige Ferien-Camps für Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren anbietet, hatte Ende Mai für Aufsehen gesorgt.
  • Es gibt allerdings keine rechtliche Möglichkeit, dem Mann seine berufliche Tätigkeit zu untersagen oder zu überprüfen, ob er dafür die erforderlichen pädagogischen Fähigkeiten mitbringt.