Betrüger verscherbelten Pay-TV-Zugänge zum Schleuderpreis
Der Fall sei auch für die Ermittler ungewöhnlich, hieß es auf einem Medientermin im Bundeskriminalamt. Manuel Scherscher, Abteilungsleiter für Betrug und Wirtschaftskriminalität, sprach von "einem völlig neuen Phänomen dieser Qualität". Ins Rollen kamen die Ermittlungen 2022 nach der Anzeige eines großen Pay-TV-Unternehmens in Deutschland wegen Urheberrechtsverletzungen. "Die Zugänge wurden von einem Onlinevertreiber illegal angeboten", erklärte der leitende Ermittler Gabriel K. vor Medienvertretern. Die Spur führte die deutschen Beamten nach Österreich. Via Rechtshilfeersuchen kam der Ermittlungsakt über die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zum Bundeskriminalamt.
Im Zuge von zwei groß angelegten Razzien im heurigen Frühjahr und im Spätsommer nahmen bis zu 40 Ermittler in Wien, Niederösterreich, Tirol, Vorarlberg und Salzburg 20 Verdächtige fest, beschlagnahmten 60 Bankkonten, einen Audi-Sportwagen sowie 55 elektronische Datenträger. Die Männer stehen im Verdacht, zwischen 2016 und 2023 geschützte und verschlüsselte TV-Signale entschlüsselt und illegal zum Spottpreis von rund 100 Euro verkauft zu haben. Über Zwischenhändler innerhalb eines mehrstufigen Systems gelangten die Accounts zu nochmals günstigeren Konditionen an die Endkunden. Ein legales Jahresabo bei einem großen Anbieter kostet laut K. mehr als 600 Euro. Insgesamt seien zahlreiche große Streaming-TV-Anbieter betroffen. "Der Schaden geht in die Milliarden", erklärte Scherscher.
Ermittler K. verwies in dem Mediengespräch auf das technische Know-how der Männer, "Um so etwas zu tun, muss man sehr viel IT-Wissen mitbringen. Das ist bei allen der Fall", so K. Die Verdächtigen hätten unter anderem Informatik-Studien oder entsprechende HTL-Zweige abgeschlossen, sagte der Beamte. Der Fall sei auch insbesondere wegen bevorstehenden Sport-Großereignissen wie der Fußball-EM 2024 brisant, ergänzte er.
K. betonte im Zuge des Gesprächs auch, dass er und seine Kolleginnen und Kollegen davon ausgehen, dass allein drei festgenommene Hauptverdächtige einen Gewinn von mehr als elf Millionen Euro erzielten. Sie sollen unter anderem luxuriöse Immobilien gekauft oder sich an mehreren Unternehmen beteiligt haben, um das erwirtschaftete Geld zu waschen. Ebenfalls seien mit dem Gewinn andere Luxusgüter wie Sportwagen beschafft worden.
Für die illegalen Pay-TV-Zugänge wurde unter anderem auf Online-Plattformen wie TikTok oder Facebook geworben. Das Betrugsnetzwerk selbst vergrößerte sich durch Mundpropaganda, wobei auch einzelne Endkunden durch Anwerbung als sogenannte Reseller rekrutiert worden seien. In Österreich seien insgesamt 15 Reseller mit jeweils zwischen 300 und 2.500 Endkunden ausgeforscht worden, hieß es von K. Das Täternetzwerk bestand laut Bundeskriminalamt ausschließlich aus türkischen Staatsbürgern.
Zahlen zu den Endabnehmern sind noch nicht bekannt. Die Ermittlungen konzentrieren sich aktuell vor allem auf das Netzwerk an Tätern. Scherscher warnte potenzielle Endkunden jedoch davor, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. "Wenn man so einen illegalen Zugang kauft, dann ist das für uns durch die Ermittlungen nachvollziehbar", so der Spitzenbeamte.
Die Behörden ermitteln nun unter anderem wegen gewerbsmäßigen Betruges, Geldwäsche und Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen die Betrugsbande. "Aufgrund der Digitalisierung haben sich neue Deliktsfelder im Bereich der Internetkriminalität entwickelt. Nicht nur Privatpersonen sondern auch Firmen können von sogenannten Massenphänomen betroffen sein, wie dieser Fall zeigt", unterstrich Bundeskriminalamtsdirektor Andreas Holzer.
Zusammenfassung
- Ermittler des Bundeskriminalamts haben in Zusammenarbeit mit mehreren Landeskriminalämtern ein internationales Betrugsnetzwerk, das illegale Pay-TV-Zugänge für Sender wie Sky oder DAZN zu Schleuderpreisen vertrieb, ausgeforscht.
- In Österreich nahmen die Beamtinnen und Beamten heuer im Zuge von Razzien 20 Verdächtige fest und beschlagnahmten Bankguthaben in Gesamthöhe von 1,6 Millionen Euro.