Bericht: EU-Standards begünstigen Leid durch Tiertransporte
Die Prüfer sehen etwa das Risiko, dass Transportunternehmen in den verschiedenen nationalen Sanktionssystemen bestehende Schlupflöcher ausnutzen, wie der EU-Rechnungshof am Montag mitteilte. So könnten sie etwa längere Strecken wählen, um Mitgliedstaaten mit einer strikteren Umsetzung der EU-Vorschriften oder härteren Strafen zu meiden.
Keine abschreckenden Strafen
Zudem verhängten viele EU-Länder etwa wenn ein Tier mit gebrochenem Bein transportiert werde, in der Regel keine abschreckenden Strafen. Die Transportkosten beliefen sich oft auf einen Bruchteil der Einzelhandelspreise - das mache lange Transportwege rentabler als die Produktion an Ort und Stelle. Der Bericht des EU-Rechnungshofes zitiert eine Studie, laut der der Transport weniger als ein Prozent des Endpreises von in Deutschland verkauften Geflügelbrustfilets von EU-Erzeugern ausmacht.
Bei langen Transporten sind die Tiere laut EU-Rechnungshof häufig Stress ausgesetzt und können unter Hunger, Durst, Hitze, Platz- und Ruhemangel leiden. Mehr als ein Drittel aller Transporte im Zeitraum von 2017 bis 2021 dauerte demnach mehr als acht Stunden.
Die Europäische Kommission wolle bis Ende des Jahres eine Überarbeitung der Tierschutzvorschriften vorlegen. "Die politischen Entscheidungsträger der EU könnten in Erwägung ziehen, das Tierleiden in die Transportkosten einzupreisen und bei den Fleischpreisen zu berücksichtigen", schlägt der EU-Rechnungshof vor.
Jährlich rund 1,5 Milliarden Tiere transportiert
Im Zeitraum von 2017 bis 2021 wurden nach Angaben des EU-Rechnungshofs jedes Jahr durchschnittlich rund 1,6 Milliarden lebende Tiere zwischen Mitgliedstaaten und in oder aus Nicht-EU-Ländern transportiert.
Nach Bekanntwerden des Berichts wurden erneut Konsequenzen gefordert. Die Erkenntnisse des Rechnungshofes seien nicht neu, sagte etwa Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Mitglied des Tiertransport U-Ausschusses. "Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft und die Grünen im Europäischen Parlament zeigen schon seit Jahren die Fehler im System auf. Wir freuen uns, dass der Rechnungshof uns in unserer Analyse Recht gibt und eine Reduktion von Lebendtiertransporten sowie eine Rückkehr zu kleinteiliger und regionaler Landwirtschaft fordert", so Waitz. "Die Kommission darf jetzt nicht dem Druck der Agrarlobbys und EU-Mitgliedstaaten nachgeben und muss eine starke Reform ohne Wenn und Aber vorlegen."
"Der Bericht des Europäischen Rechnungshofs bestätigt, dass es so nicht weitergehen kann", sagte auch Veronika Weissenböck von der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten". "Die langjährigen Probleme der mangelnden Transparenz, der schwachen Durchsetzung und der ständigen Tierschutzverstöße bei Lebendtiertransporten werden weiterhin systematisch auftreten, sollten die Regeln in der kommenden EU-Gesetzgebung nicht geändert werden." Laut Weissenböck unterstreicht der Bericht die Schlüsselrolle, die die EU-Entscheidungsträger spielen, wenn es darum geht, sinnvolle Veränderungen herbeizuführen - oder eben nicht: "Von der Schaffung besserer wirtschaftlicher Anreize für Spediteure bis hin zur Förderung eines veränderten Verbrauchsverhaltens ist es jetzt an der Zeit, die Weichen zu stellen."
"Ich bin froh, dass der Europäische Rechnungshof mit einer sachlichen Analyse zur kontroversen Diskussion über Tiertransporte einen wichtigen Debattenbeitrag leistet und dabei wesentliche Punkte betont, die ich schon seit jeher fordere", sagte Simone Schmiedtbauer, Landwirtschaftssprecherin der ÖVP im Europaparlament. "Der Rechnungshof bestätigt, dass wir nicht die gesamte Last auf die landwirtschaftlichen Betriebe abwälzen können. Vielmehr kommt den Konsumentinnen und Konsumenten eine entscheidende Bedeutung zu", meinte sie. "Der Griff zu regionalen tierischen Erzeugnissen im Supermarktregal ist ein stärkeres Instrument im Streben nach mehr Tierwohl als jede Gesetzesinitiative." Dafür brauche es in ganz Europa eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung.
Zusammenfassung
- Der Europäische Rechnungshof hat bestehende Standards für Tiertransporte in der EU kritisiert.