Anschlag in Wien: Gericht muss Behördenfehler aufarbeiten
Ehe der islamistische Attentäter am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen töten und 23 weitere teils schwer verletzen konnte, waren den österreichischen Behörden diverse Indizien auf einen möglichen Anschlag bekannt.
So hatte sich der spätere Attentäter im Sommer 2020 mit Islamisten aus Deutschland und der Schweiz getroffen und wurde dabei beobachtet. Konspirative Treffen in St. Pölten wurden ebenfalls beschattet. Auch vom Versuch, sich Munition in der Slowakei zu besorgen, wussten die österreichischen Behörden.
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PULS 24 berichtete ausführlich über mögliches Behördenversagen im Vorfeld des Attentats, bei dem eine 44-jährige Österreicherin, ein Besitzer eines asiatischen Restaurants, ein junger Mann aus Korneuburg und eine deutsche Kunststudentin, die als Kellnerin arbeitete, starben.
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Angehörige von Opfern hatten wegen des Behördenversagens auf Amtshaftung geklagt. Die ersten beiden Instanzen in dem Verfahren hatten die Prüfung der Ansprüche der Hinterbliebenen aber abgelehnt. Wie der "Standard" nun berichtete, müssen die Ansprüche der Mutter der jungen Frau, die bei Attentat starb, gerichtlich geprüft werden. Das hat der Oberste Gerichtshof (OGH) entschieden.
Eltern vom ersten Terroropfer im Interview
In den ersten Instanzen wurde argumentiert, dass die Hinterbliebene keine Ansprüche habe, weil die Aufgabe der Behörden der Schutz der Allgemeinheit sei, nicht aber individueller Personen, gegen die keine konkrete Gefährdung vorlag.
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Der OGH sieht das aber nun anders: Der Schutz vor Terror sei die "zentrale Aufgabe des Staatsschutzes", heißt es in dem Urteil von Ende Mai. Zwar sei nicht vorhersehbar, wer Opfer eines Terroranschlags werde, das heiße aber nicht, dass die sogenannten Individualrechtsgüter dieser Opfer - also etwa deren körperliche Unversehrtheit - nicht geschützt seien. Bei schuldhaftem Verhalten der Sicherheitsbehörden könnten somit Ansprüche auf Schadenersatz bestehen, argumentiert der OGH.
"Unsere Mandantin ist erleichtert und überaus glücklich über die Entscheidung, dass endlich die gerichtliche Aufarbeitung der Verfehlungen der Behörden beginnen kann", erklärte die Anwälte der Hinterbliebenen gegenüber dem "Standard".
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Die Finanzprokuratur als Vertreterin der Republik verwies dagegen auf den 2021 von der Bundesregierung eingerichteten Entschädigungsfonds für die Opfer des Terroranschlags. Mit der Einrichtung des Terroropferfonds habe die Republik ja die Absicht gehabt, Betroffenen langwierige Gerichtsverfahren zu ersparen und genau jene Schäden zu ersetzen, die vor Gericht geltend gemacht werden könnten, so der Chef der Finanzprokuratur Wolfgang Peschorn.
Die Anwälte der Hinterbliebene sehen durch den Fonds dagegen nicht alle Ansprüche abgegolten. Zudem sei unklar, ob der Fonds zeitlich begrenzt sei, erklärte sie.
Terror in Wien: Welche Fehler wurden gemacht?
Zusammenfassung
- Der "Schutz vor Terror" sei eine zentrale Aufgabe des Staatsschutzes, entschied der Oberste Gerichtshof.
- Daher müssen die Behördenfehler vor dem Anschlag in Wien und mögliche Ansprüche von Angehörigen von Opfern vor Gericht geprüft werden.
- Die Mutter einer Toten hat eine amtshaftungsklage eingebracht.