15-Jahre Piefke-Connection - "Vorurteile besser geworden"
Der 48-jährige Schwabe und leidenschaftliche Fußballfan zog vor 24 Jahren aufgrund eines Jobangebots nach Wien. In Österreich angekommen, merkte er schnell: "Es war relativ schwierig, bei den Fußballweltmeisterschaften und Europameisterschaften offen zu meinem Nationalteam zu stehen." Alle Österreicher in seinem Umfeld seien "kollektiv für den Gegner gewesen", so Weichert. Nicht ohne Selbstironie gründete er daraufhin 2008 vor Beginn der damaligen Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz die "Piefke-Connection".
"Es war damals einfach als lockeres Netzwerk zum Fußballgucken gedacht", erinnert sich der heutige Inhaber einer Werbeagentur zurück. Mittlerweile feierte die Piefke-Connection ihren 15. Geburtstag, zählt rund 5.000 Mitglieder auf Facebook und hat sich zu einem echten Netzwerk für Österreichs größte Ausländergruppe entwickelt. "Es kommen hier Leute zusammen, die im echten Leben nie zusammenkommen würden, nur aufgrund ihrer Herkunft. Die Leute helfen sich gegenseitig bei Jobs, Wohnungen oder Fragen." Mittlerweile seien bereits erste Piefke-Connection-Babys entstanden.
Doch auch das Verhältnis zwischen den "Piefke" und den "Ösis" habe sich über die Jahre verändert. "Wir müssen uns nicht mehr so angegriffen fühlen", sagt Weichert. Wobei er in Anleihe ans Wienerische betont, dass das auch stets "ein Sudern auf hohem Niveau" sei. Denn viele andere Ausländergruppen seien Vorurteilen noch deutlicher ausgesetzt, so Weichert. Dass im Jahr 2023 auch andere Zeiten für Landsleute aus Österreichs liebstem Nachbarland angebrochen sind, glaubt auch der deutsche Botschafter in Wien Michael Klor-Berchtold. "Die Zeiten der Piefke-Saga dürften heute endgültig vorbei sein. Ich glaube, die Klischees und Vorurteile werden oft größer aufgebauscht, als sie tatsächlich sind", so der Diplomat.
Wobei Weichert festhält, dass es auch Unterschiede zwischen den Kulturen gebe. "Jede Führungskraft, die hierhin abgeworben wird, müsste eigentlich einen interkulturellen Crashkurs belegen. Deutsche sind tendenziell direkter als Österreicher, hier wird viel in Wolle verpackt." Das seien auch die Dinge, die man voneinander lernen könne, sagt Weichert. Der Botschafter wird noch konkreter. So liege Österreich beim Ausbau der erneuerbaren Energie klar vorne, dafür sei man bei der Abhängigkeit von russischem Gas im Verzug. "Zuletzt lag die Abhängigkeit von russischem Gas immer noch bei 57 Prozent. In Deutschland sind es seit der Jahreswende Null Prozent", so Klor-Berchtold.
Erst heuer hat die Anzahl der Deutschen in Österreich einen neuen Höchststand erreicht. Auch deswegen seien die Wartezeiten für Anträge bei der deutschen Rechts- und Konsularabteilung in Wien entsprechend lange. "Die sind heillos überlastet", so Weichert. Auch der Diplomat gibt zu: Wir bräuchten eigentlich ein Bürgeramt, wie es eine vergleichbare Stadt hat", hieß es. "225.000 gemeldete deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger sind mehr Menschen als in Linz leben."
Mit der deutschen Vertretung in Österreich hat sich die 26-jährige Anja Windl bisher noch nicht herumschlagen müssen. Die Klimaaktivistin der "Letzten Generation" gilt aktuell wohl als eine der prominentesten Deutschen in Österreich, denn die österreichischen Behörden wollen die Klimaaktivistin ausweisen. Auf das Verhältnis zu Österreich habe sich die Causa dennoch nicht ausgewirkt, sagt sie. "Österreich ist mehr mein Zuhause als Deutschland und gewissermaßen ist es ja eine Auszeichnung für mich", so die Psychologie-Studentin aus Bayern. Die deutsche Botschaft will jedenfalls Windls Fall Österreich überlassen. "Das ist eine Angelegenheit der österreichischen Behörden", so Klor-Berchtold. Er habe vollstes Vertrauen, dass "diese im Einklang mit EU-Recht handeln".
Zusammenfassung
- Mittlerweile seien die Fronten nicht mehr so verhärtet wie früher, sagt Jockel Weichert.
- Der gebürtige Deutsche gründete vor 15 Jahren die Piefke-Connection, um Neuankömmlingen das Leben in Österreich zu erleichtern.
- "Das mit den Vorurteilen ist schon viel besser geworden", so Weichert im Gespräch mit der Austria Presse Agentur.
- "225.000 gemeldete deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger sind mehr Menschen als in Linz leben."