Miami träumt von alten Zeiten: Hill als Hoffnungsträger

Verschmäht, verspottet, belächelt: Fans der Miami Dolphins haben in den letzten Jahren wahrlich keinen leichten Stand in der NFL gehabt. Jetzt dürfen sie aber endlich wieder hoffen. Ein neuer Superstar, ein blutjunger Head Coach und ein lange kritisch beäugter Quarterback sind die Hauptgründe dafür.

Wir springen zurück in das Jahr 1973. Die Miami Dolphins haben gerade mit dem Gewinn von Super Bowl VII Geschichte geschrieben. Als erstes Team der NFL gelang der legendären Mannschaft um Quarterback Bob Griese eine "Perfect Season", eine Saison, die ausschließlich aus Siegen besteht. Ein Rekord für die Ewigkeit. Zumindest bis zum heutigen Tag konnte kein Team dieses Kunststück wiederholen. 

50 Jahre später ist die Ausgangslage in Miami eine ganz andere. Die glorreichen Zeiten sind längst vorbei. Miami gewann 1973 zwar noch eine weitere Super Bowl und war bis Ende der 90er-Jahre Stammgast in den Playoffs, doch danach setzte Tristesse ein. NFL-Fans der jüngeren Generation kennen die Dolphins nur noch als chronisch erfolgsloses Team. Seit 2002 stehen gerade einmal zwei Playoff-Teilnahmen auf der Habenseite. Doch heuer könnte sich das Blatt endlich wenden. Miami ist mit drei Siegen in die neue Saison gestartet und aktuell als einziges Team neben den Philadelphia Eagles noch ungeschlagen. Spätestens nach dem 21:19-Sieg über Super Bowl-Topfavorit Buffalo letzten Sonntag ist klar: Mit den Dolphins ist wieder zu rechnen.

Tyreek Hill: Miamis Heilsbringer?

APA/AFP/TIMOTHY A. CLARY

Das liegt vor allem an einer Personalie: Tyreek Hill. Der Wide Receiver übersiedelte in einem völlig überraschenden Blockbuster-Trade in der Off-Season von den Kansas City Chiefs in den Südosten der USA. Der 28-Jährige gilt seit Jahren als einer der besten, wenn nicht der beste, Passempfänger der Liga. Bei den Chiefs bildete er mit Quarterback Patrick Mahomes ein perfektes Duo, das in der Saison 2019 gemeinsam die Super Bowl gewann. Sechsmal in Folge wurde Hill in die Pro Bowl gewählt. 

Umso überraschender kam im Sommer sein Wechsel nach Miami. Zu einem Team, das seit Hill denken kann keinen Blumentopf gewonnen hat. Im Interview mit Michael Irvin von NFL Network betont ein gut gelaunter Hill, dass der Wechsel nach Miami die absolut richtige Entscheidung gewesen sei: "Miami ist Liebe, Freude und Spaß", so der ehemalige Fünftrunden-Draftpick. Seine Message und die des gesamten Teams in den ersten Saisonspielen: "Lasst alle wissen, dass das ein neues Miami Dolphins-Team ist."

Lob für Tagovailoa und McDaniel 

Über die Klasse von Tyreek Hill braucht man nicht zu diskutieren. Dennoch zweifelten vor der Saison viele Experten daran, dass die Dolphins tatsächlich ein Contender für die Playoffs (oder sogar mehr) sein können. Der Grund: Tua Tagovailoa. Der Quarterback, den die Dolphins 2020 im NFL Draft an fünfter Stelle auswählten, zeigte in seinen ersten beiden Saisonen schwankende Leistungen. Dass er tatsächlich das Gesicht der Franchise sein kann, daran glaubten viele nicht mehr. Der gebürtige Hawaiianer straft seine Kritiker in der aktuellen Saison bisher Lügen. Mit 925 Passing Yards, einer Completion Rate von 71,3 Prozent, acht Passing Touchdowns und einem QB-Rating von 117,8 liegt Tagovailoa in fast allen relevanten Statistiken unter den Top-5. 

Tyreek Hill hat im Interview viel Lob für seinen Quarterback über: "Ich sage das immer wieder und werde es weiterhin sagen: Tua ist der genaueste Quarterback der ganzen Liga." Bei einer Konkurrenz von Tom Brady, Aaron Rodgers, Patrick Mahomes und Co. ein ganz schönes Statement. "Er arbeitet hart und macht jeden einzelnen Tag die richtigen Dinge", fährt Hill fort. 

Lob vom Dolphins-Star gibt es allerdings nicht nur für den Quarterback, sondern auch für Neo-Head Coach Mike McDaniel. Für den 39-Jährigen ist Miami die erste Station als Cheftrainer. Zuvor war McDaniel vier Jahre bei den San Francisco 49ers (Run Game Coordiantor, Offensive Coordinator) engagiert. Er beerbte Brian Flores, den die Dolphins nach der Vorsaison etwas überraschend entließen und der anschließend eine Sammelklage gegen die Franchise aber auch gegen die NFL einreichte. "Wie er Plays callt, seine Kreativität und wie er Raum schafft für uns Receiver, ist unglaublich", sagt Tyreek Hill über Coach McDaniel.

Hill mit Kampfansage

Wie hoch es für die Dolphins in der Saison 2022 noch hinaus geht, wird sich weisen. Schließlich sind erst drei von 18 Regular Season Spieltagen absolviert. Der 3-0-Start hat zumindest die in der Off-Season ausgelöste Euphorie und Erwartungshaltung in der Sechs-Millionen-Einwohner-Metropole Miami nicht gebremst. Im Gegenteil. Ob ein Team, das in den letzten fünf Jahren de facto keine Playoff-Erfahrung vorzuweisen hat diesem Druck standhalten kann, wird sicherlich eine der spannendsten Fragen, die Amerikas Football-Welt aktuell beschäftigt. 

Tyreek Hill fehlt es jedenfalls nicht an Selbstvertrauen: "Wenn die Hater nicht über dich reden, machst du deinen Job nicht gut. Das bedeutet wohl, dass ich einen verdammt guten Job machen muss", meint der Receiver gegenüber Michael Irvin. Die Leistungen auf dem Feld geben dem 28-Jährigen zur Zeit jedenfalls Recht. Und wenn Miami so weiter macht, dürfen die Fans nach Jahren der Erfolgslosigkeit tatsächlich wieder von Heldentaten wie in den 70er-Jahren träumen. Zumindest theoretisch wäre eine "Perfect Season" für die Dolphins nach Woche 3 noch möglich. 

ribbon Zusammenfassung
  • Verschmäht, verspottet, belächelt: Fans der Miami Dolphins haben in den letzten Jahren wahrlich keinen leichten Stand in der NFL gehabt. Jetzt dürfen sie aber endlich wieder hoffen.
  • Ein neuer Superstar, ein blutjunger Head Coach und ein lange kritisch beäugter Quarterback sind die Hauptgründe dafür.