DFB-Teamchef Löw macht Platz zur "Erneuerung"
"Das ist ein Turnier im eigenen Land, das muss zu einer Explosion führen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass diese junge Generation ihren Leistungszenit 2024 erreicht und erleben wird", verkündete Löw. Nicht die nach dem 0:6-Debakel in Spanien weiter gesunkenen Sympathiewerte für ihn und seine Arbeit ließen bei ihm in den vergangenen Wochen den Entschluss reifen, nicht mehr bis zum Vertragsende nach der WM 2022 in Katar weitermachen zu wollen, sondern der Weitblick auf das eigene Wirken. "Ich sehe mich 2024 nicht mehr in dieser Position. Wenn man von Erneuerung und Energie spricht, dann ist nach der EM der richtige Zeitpunkt, den Stab an einen anderen Trainer weiterzugeben. Es soll nicht daran scheitern, dass ein Trainer an seinem Stuhl klebt."
In der Nachfolgediskussion übte Löw Zurückhaltung. Konkret angesprochen auf seinen einstigen Weltmeister-Assistenten und Bayern-Trainer Hansi Flick sagte der Noch-Amtsinhaber: "Es ist nicht meine Aufgabe, über Nachfolger zu sprechen. Die Entscheidung ist beim DFB und Oliver in guten Händen." Nationalmannschafts-Direktor Oliver Bierhoff ist verbandsintern der maßgebliche Mann, auch wenn am Ende das Präsidium um Präsident Fritz Keller entscheiden wird. "Ich ziehe den Kandidaten nicht wie Kai aus der Kiste", kündigte Bierhoff allerdings sofort einen einvernehmlichen Lösungsansatz an.
Von "Ruhe" und "Sorgfalt" bei der Suche sprach Keller. Es gebe "keine Denkverbote". Eine Deadline setzte Bierhoff bewusst nicht, der Löw-Nachfolger könnte auch erst nach der EM benannt werden. "Wir haben absolut keine Zeitnot. Es ist keine dringende Entscheidung", sagte Bierhoff. Der neue Coach werde aber nicht erst zwei Tage vor der Fortsetzung der WM-Qualifikation im September feststehen.
"Ich werde in der nächsten Zeit keine Kandidaten kommentieren", sagte Bierhoff zu den gehandelten Namen von Flick und Jürgen Klopp bis hin zu dem gerade vereinslosen Ralf Rangnick oder U21-Coach Stefan Kuntz. "Wir haben gute Trainer in Deutschland, im Ausland und im DFB", sagte Bierhoff. Eine interne Platzhalterlösung strebt er nicht an. Er will vielmehr die Trainerwahl "bis zu Ende denken", also bis zur EM 2024.
Bierhoff schloss zudem aus, dass man erstmals in der DFB-Geschichte einen ausländischen Trainer für die Nationalelf engagieren werde: "Ich sehe die Chancen als gering, was ich auf dem Markt sehe." Der 52-Jährige versicherte zudem, dass man Trainer mit einem bestehenden Vertragsverhältnis bei Vereinen - wie Flick (FC Bayern/2023) oder Klopp (Liverpool/2024) - nicht ohne Absprache mit den aktuellen Arbeitgebern kontaktieren werde. Unvorbereitet traf Bierhoff und den Verband die Löw-Entscheidung nicht, wie Bierhoff versicherte: "Man hatte einen solchen Fall immer im Hinterkopf. Man war in den letzten Monaten nicht immer tatenlos. Jetzt geht es ans Eingemachte."
Löw war wie Bierhoff bei der Pressekonferenz bemüht, den Fokus auf die am 11. Juni beginnende EURO zu richten. "Ab heute gilt meine völlige Konzentration der EM", sagte Löw. Dafür wolle er "alles mobilisieren, alle Kräfte freisetzen und alle Energie bündeln", um beim Turnier "das Maximale zu erreichen".
Er glaubt nicht, dass sein angekündigter Abschied der Mannschaft "einen besonderen Kick" geben wird. Seine Spieler seien ehrgeizig, "unabhängig davon, ob der Trainer hinterher weitermacht". Die Deutschen absolvieren Ende Mai/Anfang Juni ein Vorbereitungscamp in Seefeld (Tirol), ehe sie das EM-Quartier in Herzogenaurach beziehen.
Löw befindet sich schon im EM-Tunnel. Verstört reagierte er dabei auf Meldungen, wonach ein Comeback der 2014-Weltmeister Thomas Müller und Mats Hummels schon eine beschlossene Sache sei. "Ihr müsst mich nach vielen Jahren doch einschätzen können", sagte er an die Reporter gerichtet: "Man sollte mir zuhören: Ich habe weder die Tür auf- noch zugemacht." Es bleibe bei seinem angekündigten Fahrplan hinsichtlich des EM-Kaders: "Ab Anfang Mai beginnt unsere Entscheidungsfindung."
Er träfe auch diese Entscheidung nicht danach, ob er je nach einem Pro oder Kontra für Müller, Hummels oder Jerome Boateng öffentlich als Umfaller oder Sturkopf dargestellt werde. Seine Zukunft nach 15 Bundestrainerjahren ließ er ebenfalls offen. "Grundsätzlich kann ich nichts völlig ausschließen", sagte er zu einem neuen Trainerjob.
Löw will und wird sich bis zum letzten Arbeitstag als Bundestrainer - am liebsten beim EM-Finale am 11. Juli in Wembley - treu bleiben. "Wenn ich etwas ganz besonders schätze an diesem Job, dann sind es die Turniere", sagte der Weltmeister-Trainer von 2014.
Seine Vorgesetzten glauben an ein Happy End mit Löw. Die Spieler würden ihrem Trainer ein "wirklich großartiges Abschiedsgeschenk" machen wollen, glaubt DFB-Boss Keller: "Zur großen Laudatio möchten wir ansetzen, wenn die EM vorbei ist."
Zusammenfassung
- Joachim Löw hat seinen Rückzug als deutscher Bundestrainer nach der EM im Sommer als letzten großen Dienst an der Fußball-Nation verkauft.
- Es gebe "keine Denkverbote".