Syrien: Islamisten umstellen Damaskus, Soldaten fliehen
Die Regierungstruppen von Machthaber Bashar al-Assad haben sich offenbar aus den rund zehn Kilometer südwestlich von Damaskus gelegenen Städten zurückgezogen. Die Orte seeien "von lokalen Kämpfern" eingenommen worden", so der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, am Samstag. Die Einkreisung der Hauptstadt habe begonnen.
Weite Teile des Südens in islamistischer Hand
Zuvor hatten sowohl die Aktivisten als auch Vertreter der Aufständischen gemeldet, dass die regierungsfeindlichen Kämpfer inzwischen bis auf rund 20 Kilometer an die Hauptstadt Damaskus vorgerückt seien.
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Nach eigenen Angaben haben die islamistischen Aufständischen weitere Städte erobert und kontrollieren mittlerweile weite Teile des Südens des Landes. Dort gelangten die Städte Suweida und Daraa in die Hand der Rebellen, wie am Samstag aus deren Kreisen verlautete.
Irak nahm syrische Soldaten auf
Der Irak hat nach staatlichen Angaben mehr als 1.000 flüchtige Soldaten der syrischen Armee im eigenen Land aufgenommen. Die staatliche Nachrichtenagentur INA berichtete unter Berufung auf eine nicht näher genannte Sicherheitsquelle, dass die Soldaten die Einreise über den Grenzübergang Al-Kaim beantragt hätten. Der katarische Nachrichtensender Al-Jazeera zitierte unterdessen einen Sprecher der irakischen Regierung wonach bereits 2.000 Soldaten der syrischen Armee mit voller Ausrüstung in den Irak gekommen seien.
Blitzoffensive ungestoppt
Die von der seit rund einer Woche laufenden Blitzoffensive der Rebellen überraschte syrische Armee versuchte in der Nacht, mit intensiven Luftangriffen auf Stellungen der Jihadisten den Vormarsch zu stoppen.
Aus Militärkreisen verlautete in der Früh zunächst, die Kämpfe hätten sich daraufhin etwas abgeschwächt. Doch binnen kürzester Zeit kamen neue Meldungen aus den Reihen der Aufständischen zur Einnahme weiterer Städte.
Islamisten auf den Golanhöhen
Dazu gehörte der Ort Quneitra, der nahe der Grenze zu Israel auf dem syrischen Teil der Golanhöhen im Südwesten des Landes liegt.
Das verlautete am Samstag aus Rebellenkreisen und wurde der Nachrichtenagentur Reuters von einem syrischen Offizier bestätigt. Der Offizier räumte ein, dass sich seine Soldaten zurückgezogen hätten. Quneitra liegt auf dem syrisch kontrollierten Teil der Golanhöhen im Südwesten des Landes. Zuvor hatte Israel seine Truppen auf dem besetzten Golan-Teil verstärkt.
Das geschehe, um "die Verteidigung in dem Gebiet zu verstärken und die Streitkräfte auf verschiedene Szenarien vorzubereiten", hatte es geheißen. Die Golanhöhen liegen im Grenzgebiet des Libanon, Israels und Syriens.
Weitere Städte in Rebellenhand
Eine der zurückeroberten Städte hat dabei enorme Symbolkraft: Daraa. Sie war der Ausgangspunkt des Aufstands gegen Machthaber Bashar al-Assad im Jahr 2011. Rebellenkreisen zufolge einigte man sich auf einen geordneten Rückzug des Militärs aus Daraa.
Ein Abkommen gewährt Armeeangehörigen sicheren Durchzug in die etwa 100 Kilometer nördlich gelegene Hauptstadt Damaskus. Daraa, das vor Beginn des Bürgerkriegs vor 13 Jahren mehr als 100.000 Einwohner hatte, ist als Wiege des Aufstands von symbolischer Bedeutung. Es ist die Hauptstadt einer Provinz mit rund einer Million Einwohnern, die an Jordanien grenzt.
Teheran dementiert Abzug von Diplomaten
Der Iran wies indes Berichte als falsch zurück, wonach Diplomaten bereits aus Syrien abgezogen worden seien. Die Botschaft in Damaskus werde operativ bleiben und ihre Arbeit wie gewohnt fortsetzen, sagte Außenamtssprecher Ismail Baqai.
Die "New York Times" hatte berichtet, dass iranische Diplomaten und Militärberater Syrien verlassen hätten. Einige seien nach Teheran geflogen, andere auf dem Landweg in den Libanon, in den Irak oder zum syrischen Hafen Latakia gebracht worden.
Der Außenamtssprecher hatte letzte Woche gesagt, dass die iranischen Diplomaten und Militärs in Syrien blieben und Machthaber Bashar al-Assad bis zum Ende unterstützten.
Assad wird bisher vom Iran und von Russland unterstützt. Der Iran ist aber inzwischen stark mit den Entwicklungen rund um die Konflikte im Nahen Osten beschäftigt und Russland benötigt weiterhin Kräfte in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine. Bei einem Treffen der Außenminister Russlands, des Iran und der Türkei in Doha erklärte der Iran, er erwäge dennoch die Entsendung zusätzlicher Kräfte nach Syrien. Das Land dürfte dabei aber auf die Hisbollah und irakische Milizen angewiesen sein.
Assad noch in Syrien
Assads Familie soll sich unterdessen nach Russland abgesetzt haben. Der Machthaber selbst hat nach Angaben seines Amtssitzes in Damaskus das Land nicht verlassen. "Wir bestätigen, dass der syrische Präsident seine Arbeit sowie seine nationalen und konstitutionellen Aufgaben von der Hauptstadt Damaskus weiterführt", so die Mitteilung. Auch kurzfristige Auslandsbesuche gebe es nicht, hieß es weiter.
Erdoğan spricht von "neuer Realität"
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan spricht allerdings schon von einer "neuen politischen und diplomatischen Realität". Syrien gehöre mit all seiner Diversität den Syrern, sagte Erdoğan am Samstag in Gaziantep. Das syrische Volk werde die Zukunft des Landes bestimmen. Er rief internationale Akteure auf, die territoriale Integrität Syriens zu unterstützen.Die Türkei hoffe, dass es in Syrien bald Frieden geben werde, fügte der türkische Machthaber hinzu.
Die Türkei dementiert, etwas mit der Offensive zu tun zu haben. Beobachter im Land gehen aber davon aus, dass Ankara den Vorstoß zumindest gebilligt hat.
Video: Wer ist die Jihadistengruppe HTS?
Zusammenfassung
- Ist das das Ende von Syriens Machthaber Bashar al-Assad?
- Aktivisten zufolge stehen Truppen von Islamisten schon 10 Kilometer vor der Hauptstadt Damaskus.
- Die Regierungstruppen von Machthaber Bashar al-Assad hätten sich aus den rund zehn Kilometer südwestlich von Damaskus gelegenen Städten zurückgezogen, "die von lokalen Kämpfern eingenommen wurden".