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Parlamentswahl in Slowenien: Am Wendepunkt

Slowenien steht bei der Parlamentswahl am Sonntag an einem Wendepunkt.

Die Wähler entscheiden zwischen der Fortsetzung des bisherigen Kurses des rechtskonservativen Premiers Janez Janša, dem Kritiker autoritäre Tendenzen vorwerfen, und der von linken und liberalen Parteien versprochenen Normalisierung des Landes. "Bei dieser Wahl wird sich entscheiden, ob wir in Slowenien weiterhin de facto eine Demokratie haben werden oder nicht", sagte der Soziologe Gorazd Kovačič der APA.

Janša und Corona

Janšas Regierung habe die Corona-Pandemie missbraucht, um die bestehende Verfassungsordnung umzubauen und eine autoritäre Herrschaft einzuführen, kritisierte der Dozent an der Laibacher Philosophischen Fakultät. Tatsächlich wurde Janšas dritte Amtszeit als Regierungschef stark von der Pandemie geprägt. Der rechtskonservative Politiker kam zeitgleich mit dem Beginn der Pandemie im März 2020 an die Macht, nachdem die Minderheitsregierung des liberalen Ex-Premiers Marjan Šarec an internen Spannungen zerfallen war.

"Es war eine komplett verfahrene Amtszeit", bilanziert der Politologe Alem Maksuti im APA-Gespräch. "Die Demokratie und das Vertrauen in die Institutionen, die in den vergangenen 30 Jahren aufgebaut wurden, sind beschnitten worden." Deshalb spreche die Opposition heute davon, das Land wieder normalisieren zu wollen.

Gesellschaftliche Krisen 

"Die nächste Regierung wird eine tiefe gesellschaftliche Krise lösen müssen, die von der aktuellen Regierung in nur zwei Jahren ausgelöst wurde", betonte unterdessen Kovačič mit Blick auf das einerseits "komplett zerstörtes Vertrauen" der Bevölkerung in die Behörden und andererseits auf den nötigen Wiederaufbau der Verfassungsordnung und Demokratie. "Die neue Regierung wird sich aus allen Institutionen zurückziehen müssen, in denen die jetzige Regierung die Kontrolle übernommen hat", sagte der Soziologe. Als Beispiele nannte er die "Depolitisierung der Polizei und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks". Eine weitere Amtszeit unter Janša würde zum ungarischen Szenario führen, mahnte Kovačič. "Die letzten Wahlen in Ungarn haben gezeigt, dass man eine autoritäre Herrschaft nicht so leicht los werden kann", fügte er mit Blick auf den deutlichen Sieg der rechtskonservativen Fidesz-Partei von Viktor Orbán hinzu.

Lange Liste an Vorwürfen 

Die Liste der Vorwürfe gegen Janša, der zuvor schon zweimal Ministerpräsident war (2004-08 und 2012-13), ist lang: Unterordnungsversuche von unabhängigen Institutionen, darunter der Staatsanwaltschaft und Justiz, die politische Übernahme der Polizei, Angriffe auf Journalisten und auf die redaktionelle und finanzielle Unabhängigkeit der Medien und unter anderem Dämonisierung der Zivilgesellschaft und von Nichtregierungsinstitutionen.

Dazu kommt der Vorwurf des Missmanagements in der Corona-Pandemie, die in dem Zwei-Millionen-Land insgesamt 6.560 Menschenleben forderte, was der Bevölkerungszahl einer slowenischen Kleinstadt entspricht. In der Handhabung der Pandemie wurden der Regierung zunehmende Repression, Korruptionsaffären und Maßnahmen, die sich nachhinein größtenteils als verfassungswidrig herausstellten, vorgehalten. Unter den wenigen positiven Regierungszügen werden staatliche Wirtschaftshilfen in Corona-Krise hervorgehoben, allerdings um den Preis massiv gestiegener Staatsverschuldung.

Teilt gerne aus 

Der slowenische Premier, der in der zweiten Jahreshälfte 2021 den EU-Ratsvorsitz innehatte, sorgte immer wieder auch international für Aufsehen. Dazu trug seine häufige Twitter-Kommunikation bei, mit der er auf kritische ausländische Journalisten und Politiker reagierte. Heftige Angriffe richtete seine Regierung auch gegen den slowenischen EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarčič. Immer wieder stellte sich Janša auch in eine Reihe mit illiberalen EU-Staaten wie Polen und Ungarn. "Janša hat Slowenien auf dem internationalen Parkett eine Schande gemacht", kritisierte Maksuti.

Die Antwort auf den Kurs der Orbanisierung, den man Janša seit Jahren vorwirft, ist bei jeder Wahl die gleiche. Die linken und liberalen Parteien ziehen die "Anti-Janša-Karte", die ihre Wähler dazu bewegt, für die gerade aussichtsreichste Partei im Mitte-Links-Lager zu stimmen. Heuer ist das die liberale Neopartei "Gibanje Svoboda" (Freiheitsbewegung) des früheren Topmanagers Robert Golob, die laut Umfragen der Favorit für den Wahlsieg ist. In der Öffentlichkeit herrscht derzeit eine übereinstimmende Erwartung, dass Golob zusammen mit links-liberalen Oppositionsparteien, die im Parlament geschlossen die Oppositionsfront bildeten, eine Mitte-Links-Regierung aufstellen wird.

ribbon Zusammenfassung
  • Slowenien steht bei der Parlamentswahl am Sonntag an einem Wendepunkt.
  • Die Wähler entscheiden zwischen der Fortsetzung des bisherigen Kurses des rechtskonservativen Premiers Janez Janša, dem Kritiker autoritäre Tendenzen vorwerfen, und der von linken und liberalen Parteien versprochenen Normalisierung des Landes.
  • "Bei dieser Wahl wird sich entscheiden, ob wir in Slowenien weiterhin de facto eine Demokratie haben werden oder nicht", sagte der Soziologe Gorazd Kovačič der APA.