Parlament in Polen billigte Präsidentenwahl per Brief
Nach der kurzfristigen Absage der für Sonntag geplanten Präsidentschaftswahl in Polen hat das Parlament in Warschau nun einer reinen Briefwahl zu einem späteren Zeitpunkt zugestimmt. Ein neuer Termin stand noch nicht fest, nach den Worten des stellvertretenden Ministerpräsidenten Jacek Sasin von der regierenden PiS-Partei könnte die Wahl jedoch nun bereits im Juni stattfinden.
Um den Wahltermin hatte es bis zuletzt einen großen Streit gegeben. Die PiS wollte trotz der Corona-Pandemie unbedingt an dem Termin am Sonntag festhalten und hatte deshalb eine reine Briefwahl vorgeschlagen, was bei der Opposition und dem PiS-Juniorpartner "Verständigung" heftige Proteste auslöste.
Am Mittwochabend einigten sich PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und der Vorsitzende von Verständigung, Jaroslaw Gowin, auf einen Kompromiss: Demnach soll die Wahl am 10. Mai einfach nicht stattfinden und daraufhin vom Obersten Gerichtshof für ungültig erklärt werden. Danach soll die Parlamentspräsidentin ein neues Datum festlegen.
Gegen die reine Briefwahl hatten auch mehrere ehemalige Staats- und Regierungschefs des Landes protestiert. Sie argumentierten, dass das Vorhaben der PiS gegen die Verfassung verstoße. Sie sprachen in einer Erklärung von einer "Pseudo-Wahl". Die Wahl wäre "weder allgemein noch fair", kritisierten die Unterzeichner, zu denen unter anderem die Ex-Präsidenten Lech Walesa, Aleksander Kwasniewski und Bronislaw Komorowski zählten.
Forderungen der Opposition, wegen der Corona-Pandemie den Notstand auszurufen, wodurch sich der Wahltermin automatisch verschoben hätte, lehnte die PiS ab. Ein früher Termin erhöht nach Ansicht von Experten die Chancen von Präsident Andrzej Duda auf eine Wiederwahl. Grund ist unter anderem, dass die Opposition wegen des Versammlungsverbots keinen Wahlkampf machen kann.
Davon profitiert der Amtsinhaber, der wiederum selbst mit Ansprachen zum Kampf gegen das Coronavirus regelmäßig in den Medien präsent ist. Duda ist eng mit PiS-Chef Kaczynski verbündet.
EU-Justizkommissar Didier Reynders hatte noch vor dem Parlamentsvotum Bedenken über eine Briefwahl geäußert. Es brauche in Polen eine öffentliche Debatte und eine politische Einigung darüber, wie und wann die Wahl im Kontext der Corona-Pandemie abgehalten werden sollte, sagte Reynders am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP.
Bisher sei wegen der Einschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie kein öffentlicher Wahlkampf möglich gewesen, sagte auch der EU-Kommissar. Eine reine Briefwahl sei zudem problematisch, weil eventuell nicht alle Wahlberechtigten teilnehmen können. Hinzu kämen datenschutzrechtliche Bedenken, ob bei der Zusammenstellung der Adresslisten alles regelkonform gelaufen sei, sagte Reynders.
Würde die Wahl weit genug hinausgeschoben, "gibt es keinen Grund mehr, warum sie nicht in den Wahllokalen stattfinden kann", fügte er hinzu. All dies müsse aber auch vor dem Hintergrund "der ganzen Schwierigkeiten" gesehen werden, "die wir schon haben mit Polen in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit".
Die EU-Kommission liegt seit Jahren wegen verschiedener Änderungen im Justizwesen mit der rechtsgerichteten Regierung in Warschau über Kreuz. Brüssel wirft Warschau vor, die Unabhängigkeit der Justiz systematisch zu beschneiden und die Gewaltenteilung zu untergraben.
Zusammenfassung
- Nach der kurzfristigen Absage der für Sonntag geplanten Präsidentschaftswahl in Polen hat das Parlament in Warschau nun einer reinen Briefwahl zu einem späteren Zeitpunkt zugestimmt.
- Ein neuer Termin stand noch nicht fest, nach den Worten des stellvertretenden Ministerpräsidenten Jacek Sasin von der regierenden PiS-Partei könnte die Wahl jedoch nun bereits im Juni stattfinden.
- Danach soll die Parlamentspräsidentin ein neues Datum festlegen.