Motiviert das Klimaticket wirklich zum Umstieg?
Helge (Name geändert) ist Ende 50 und wohnt in Linz. Früher ist er hauptsächlich mit dem Auto gefahren. Ins Büro, nach Wien oder einfach nur zum Einkaufen ins Shoppingzentrum ums Eck.
Helge war das, was man einen Autofreak nennen könnte. Alle paar Jahre hat er sich ein neues Fahrzeug geleast und einen üppigen Teil seines Gehalts für diese Art der Fortbewegung ausgegeben. Besonders Minis haben es ihm angetan, je bunter desto besser.
Heute existiert dieser Helge nicht mehr. Inzwischen ist er umgestiegen. Vom Auto auf den öffentlichen Verkehr.
Vom Einstieg in den Umstieg
Wer Helge kennt, hätte sich niemals vorstellen können, dass er einmal ohne Auto auskommen könnte. Früher hat er fast jeden Meter motorisiert zurückgelegt. In Bus und Bim hat man ihn nie angetroffen.
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Geändert hat sich alles 2021 als die Grüne Umweltministerin nach langen Verhandlungen mit den Verkehrsunternehmen das Klimaticket präsentierte. Für rund 1.000 Euro können die Österreicher:innen so ein Jahr lang mit nahezu allen öffentlichen Verkehrsmitteln im Land fahren.
Helge steigt noch an diesem Tag um. Fährt mit dem Zug zur Arbeit, ins Café und zum Einkaufen. "Früher habe ich im Schnitt 20.000 Euro für mein Auto im Jahr ausgegeben, heute sind es 1.000 für das Klimaticket", sagt Helge gegenüber PULS 24. Ein Auto besitzt er heute nicht mehr. Im Gespräch betont er mehrfach wie angenehmer sein Leben jetzt ohne die vielen Kosten sei, die ein Auto mit sich bringen würde.
Die Sache mit dem Umstieg
Helge ist sicher ein Extremfall, der seine Mobilität radikal umgestellt hat. Wie viele es von seiner Art gibt, ist nicht ganz klar. Der Klimaticketreport des Verkehrsministeriums 2022 spricht zumindest von 40% die angeben, mit dem Ticket öfters Bus und Bahn verwenden zu würden. Das geht aus einer online erhobenen Befragung der Kund:innen hervor.
Eine Zahl sticht hier besonders ins Auge: Ein Fünftel der Befragten gibt an, dass es ohne das Klimaticket gewisse Fahrten mit dem Auto zurückgelegt hätte.
Nur fünf Prozent der Fahrten wären ohne das Ticket gar nicht passiert. Einen aktuellen Bericht aus dem Jahr 2023 gibt es bislang nicht. Schriftlich teilt das Verkehrsministerium PULS 24 mit, dass 2023 62 Prozent der Klimaticketbesitzer mit einem Pkw ihr Verhalten weiter in Richtung Öffis verlagert hätten, 33 Prozent davon stark.
Überforderte Bahnen?
Bei unseren deutschen Nachbarn ist man einen anderen Weg gegangen. Dort hat man es im Sommer 2022 aufgrund der extrem gestiegenen Preise mit dem sogenannten 9-Euro-Ticket versucht. Für neun Euro pro Monat konnten Kund:innen 90 Tage lang mit den regionalen Verkehrsmitteln fahren.
Video: Was bringt das Klimaticket?
Der Effekt soll sich allerdings in Grenzen halten, wie aus einer Untersuchung des Münchner ifo-Instituts hervorgeht. Die Kurzversion: Das Ticket sei zu teuer, hätte den Autoverkehr nur um vier bis fünf Prozent reduziert und Aufgrund der hohen Auslastung seien die Verspätungen um 30 Prozent häufiger geworden.
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Dass die 293.000 Klimaticketbesitzer:innen, die es derzeit hierzulande gibt, die Züge der österreichischen Bundesbahnen vor Probleme stellen würden, lässt man bei den ÖBB unbeantwortet und erwidert allgemein: "Die Züge sind aktuell sehr gut gebucht, deswegen investieren wir in neue Züge. Es wurden mittlerweile die ersten Nightjets und Railjets eingeflottet und sind bereits im Einsatz. Nahverkehrszüge folgen laufend. Insgesamt werden wir in den nächsten Jahren bis zu 330 neue Züge bekommen".
Wie viele Menschen schlussendlich wirklich ihr Auto für den öffentlichen Verkehr aufgegeben haben, bleibt unbeantwortet. Von 2021 bis 2023 ist die Zahl der zugelassenen Pkws in Österreich leicht gestiegen. Es scheint also keinen regelrechten Run auf die Schrottplätze der Republik zu geben.
Wählt Helge die Grünen?
Beim Verkehrsministerium freut man sich zumindest über die positiven Rückmeldungen der Kund:innen. 80 Prozent würden ihr Ticket verlängern. Die ÖBB sprechen von einem Bahnboom. Noch nie seien mehr Menschen mit der Bahn gefahren. Im Fernverkehr seien es sogar um ein Viertel mehr als noch 2019.
Wir kontaktieren noch einmal Helge, um ihm abschließend eine politische Frage zu stellen. Ob er denn jetzt, nachdem er das Ticket so viel verwendet, auch die Grünen bei der Nationalratswahl im Herbst wählen würde. Helge antwortet mit einem "Nein :D".
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Video: Wirbel um Klimaticket-Tattoo
Zusammenfassung
- Das Klimaticket gilt als Leuchtturmprojekt von Verkehrsministerin Leonore Gewessler. Im Oktober jährt sich das Bestehen inzwischen zum dritten Mal.
- PULS 24 hat sich angesehen, ob das Ticket wirklich zum Umsteigen motiviert, oder ob es viele einfach zusätzlich zum Auto haben.