Moldau bereitet sich auf 50.000 Vertriebene pro Tag vor
"Es ist schon eine Menge passiert, aber noch nicht genug", sagte die UNHCR-Chefin in Moldau, Francesca Bonelli bei einem Arbeitsbesuch des österreichischen Flüchtlingskoordinators Michael Takacs im kleinen Nachbarland. Moldau grenzt im Westen an das EU- und NATO-Mitglied Rumänien und im Osten an die Ukraine. Die Hilfsbereitschaft in der ehemaligen Sowjetrepublik ist enorm, der Großteil der Geflüchteten privat untergebracht. Die Menschen wollen in der Nähe ihrer Heimat bleiben.
Deshalb ist es für die Flüchtlingsorganisationen UNHCR und IOM mitunter schwer, überhaupt genug ausreisewillige Flüchtlinge für Evakuierungsflüge in die EU zu finden. 15 Staaten beteiligen sich aktuell an der Luftbrücke. Österreich führt gemeinsam mit Deutschland noch diese Woche einen Evakuierungsflug durch, rund 150 Menschen sollen aus Moldau geholt werden. In einem Registrierzentrum in der Hauptstadt Chisinau werden die Ausreisewilligen auch auf ihre Flugtauglichkeit geprüft. Zwei Kärntner Polizisten prüfen dort die Dokumente der Ukrainer und begleiten sie auf dem Flug, auf dem auch Hunde und Katzen der Vertriebenen mittransportiert werden. Österreich hat bei bisher sieben Evakuierungsflügen rund 500 ukrainische Vertriebene aus der Republik Moldau nach Österreich gebracht.
Beim dieswöchigen Charterflug mit an Bord ist auch die 36-jährige Vira aus Mykolajiw. Derzeit wird sie im Eisenbahnspital in Chisinau, wo sich das Registrierzentrum befindet, versorgt. In Zimmer drei im dritten Stock ist ihre dreiköpfige Familie untergebracht. Vira befand sich im Handelsgericht in Mykolajiw, als dieses beschossen wurde. Ihr rechtes Bein wurde amputiert, in Odessa wurde sie operiert und im Anschluss liegend nach Moldau transportiert. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem zwölfjährigen Sohn wird sie noch diese Woche nach Wien ausgeflogen. Im Gespräch mit dem österreichischen Flüchtlingskoordinator bat sie darum, sitzend aus dem Land gebracht zu werden. Ihre Sorge galt auch der Frage, ob für sie in Österreich ein Rollstuhl verfügbar sein wird. Als ihr Takacs dies versicherte, strahlte die Frau. Trotz ihres schweren Schicksals scheint sie der Mut nicht verlassen zu haben.
Österreich hat bereits in den vergangenen Wochen besonders vulnerable Menschen aus der Ukraine evakuiert und medizinisch betreut. Dafür stehe man auch weiterhin bereit, versicherte Takacs. Der Flüchtlingskoordinator führte an seinem zweiten Tag in Moldau am Vormittag Gespräche im Innen- und Arbeitsministerium. Die Verantwortlichen hätten für die Hilfe und Unterstützung aus Österreich gedankt. "Man sieht uns hier als enge Freunde und Partner", berichtete Takacs. Weitere Bitten wurden an ihn herangetragen. "Die moldauische Regierung braucht Unterstützung beim Grenzschutz, insbesondere im Kampf gegen organisierte Kriminalität, Menschenhandel und Schlepperei. Ich nehme die Unterstützungsansuchen mit und werde diese mit dem Bundeskanzler sowie dem Innen- und Außenminister besprechen", sagte Takacs.
Am Dienstagnachmittag traf der Flüchtlingskoordinator beim moldauischen Gemeindebund CALM in Chisinau den Vorsitzenden und sechs Bürgermeister. Diese berichteten, dass sie vor allem zu Kriegsbeginn in der Ukraine auf sich alleine gestellt gewesen sind. Unterbringung, Versorgung und Verpflegung der Flüchtlinge werden weiterhin auf Gemeindeebene in den 898 Kommunen Moldaus lokal organisiert und finanziert, seit zwei Wochen laufen Unterstützungsleistungen der Regierung. Eine Bürgermeisterin schilderte, dass die Moldauer sehr hilfsbereit waren und sind und ihre Türen für Ukrainer geöffnet haben. Die Kosten für die Unterbringung der Vertriebenen können die Familien aber nicht ohne zusätzliche Unterstützung aufbringen. "Die Hilfsbereitschaft der Moldauerinnen und Moldauer und der Bürgermeister ist beeindruckend", sagte Takacs. "Es ist ein Kraftakt, den sie meistern. Ich stehe jederzeit bereit, weitere Hilfe zu koordinieren und die Bürgermeister mit aller Kraft zu unterstützen", versicherte der österreichische Flüchtlingskoordinator.
In Österreich wurden bis Dienstagfrüh 64.183 Vertriebene aus der Ukraine registriert. 293.700 Ukrainer sind seit Beginn des Krieges vor rund zwei Monaten in Österreich eingereist, der überwiegende Großteil - rund 83 Prozent davon - ist weitergereist.
Zusammenfassung
- Die Flüchtlingsorganisationen UNHCR und IOM bereiten sich im besonders unter Druck stehenden ukrainischen Nachbarland Moldau auf die Abfertigung von bis zu 50.000 Ankommenden aus dem Kriegsland pro Tag vor.
- Österreich hat bei bisher sieben Evakuierungsflügen rund 500 ukrainische Vertriebene aus der Republik Moldau nach Österreich gebracht.
- In Österreich wurden bis Dienstagfrüh 64.183 Vertriebene aus der Ukraine registriert.