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EU-Asylkompromiss für Wien und Prag "unerlässlich"

Tschechien und Österreich halten trotz des Widerstands von Ungarns Premier Viktor Orbán an dem im Juni erzielten EU-Asylkompromiss fest. "Wir wissen, dass viel zu tun ist", sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Freitagvormittag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem tschechischen Amtskollegen Vít Rakušan in Wien. Aber der Pakt sei "unerlässlich" und "absolut notwendig". Auch Rakušan stimmte zu.

Sollte es keinen Asylpakt geben, würde jedes Land einzeln versuchen, das Problem zu lösen. Dies sei für die Sicherheit innerhalb der EU nicht förderlich. Wenig Verständnis zeigte Rakušan auch für die Formulierung Orbans, Ungarn würde "rechtlich vergewaltigt". "Kompromisse zu schließen, ist etwas, was die Basis der Politik sein sollte." Im Bereich Migration "entscheiden nicht Ideologien, sondern die Geografie", betonte der tschechische Innenminister in perfektem Deutsch.

Die EU-Staaten hatten sich im Juni auf das Paket geeinigt. Der EU-Asylkompromiss sieht unter anderem einen deutlich härteren Umgang mit Menschen aus Ländern vor, die als relativ "sicher" gelten. EU-Länder, die keine Geflüchteten aufnehmen wollen, sollen zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. Polen und Ungarn haben das Paket abgelehnt. In Polen wird es dazu ein Referendum geben. Nach der Einigung der EU-Länder beginnen die Verhandlungen mit dem EU-Parlament, das auch zustimmen muss.

Am Mittwoch erfolgte dann die Einigung der Länder auf die sogenannte Krisenverordnung, die als letzter Baustein der Asylreform gilt. Die Krisenverordnung sieht deutlich verschärfte Maßnahmen vor, wenn durch Migrantinnen und Migranten eine "Überlastung der Asylsysteme" droht. Damit kann der Zeitraum verlängert werden, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Österreich, Tschechien und die Slowakei hatten sich bei der Abstimmung enthalten.

Zur Krisenverordnung sagte Karner am Freitag, dass er in diesem Punkt noch Verbesserungspotenzial sehe. Es sei notwendig, das Asylsystem "Schritt für Schritt" zu verbessern. Denn die Asylzahlen steigen EU-weit - anders als in Österreich - und das System sei "inhuman". Heuer seien bereits 2.500 Migranten im Mittelmeer ertrunken, betonte Karner.

Tschechien und Österreich wollen gemeinsam für eine stärkere Zusammenarbeit mit sicheren Drittstaaten arbeiten. Karner sprach vom "Modell Ruanda" nach dem Vorbild Großbritanniens und Dänemarks, das Prag und Wien für sinnvoll erachteten. Großbritannien will Migranten unabhängig von ihrer Herkunft unter anderem nach Ruanda schicken. Ein bereits geschlossenes Abkommen mit dem ostafrikanischen Land liegt jedoch wegen einer gerichtlichen Auseinandersetzung auf Eis.

Karner und Rakušan sprachen auch die seit Mittwoch geltenden Grenzkontrollen zur Slowakei an. Beide Minister betonten, dass die Maßnahme zunächst für zehn Tage eingeführt wurde. Danach werde man "eng abgestimmt" und anhand der Zahlen entscheiden, ob sie verlängert wird. Rakušan räumte ein, dass ihm Grenzkontrollen zur Slowakei "keine Freude" machten. "Aber wir mussten darauf reagieren, wenn unsere Kollegen aus Polen" Grenzkontrollen verhängten.

Deutschland hatte aufgrund des Anstiegs an Migrantenzahlen Ende September Grenzkontrollen zu Tschechien und Polen eingeführt. Tschechien, Polen und Österreich verkündeten am Dienstag ihrerseits, ihre Grenzen zur Slowakei ab Mittwoch zu kontrollieren. Ab Donnerstag folgte dann die Slowakei mit Grenzkontrollen zu Ungarn. In der Slowakei ist die Zahl der vor allem über Ungarn angekommenen Menschen in diesem Jahr bisher um das Elffache gestiegen. Allein im September kamen demnach so viele Menschen wie im Gesamtjahr 2022.

Karner und Rakušan sprachen außerdem über die Geflüchteten aus der Ukraine. Laut Karner leben derzeit 65.000 Ukrainerinnen und Ukraine in Österreich, 43.000 davon in der Grundversorgung. Tschechien nahm mehr als 360.000 Ukrainerinnen und Ukrainer auf, wie Rakušan betonte. Dies entspreche fünf Prozent der Bevölkerung. Tschechien sei pro Kopf "das am meisten betroffene Land".

Beide Innenminister lobten darüber hinaus die polizeiliche Zusammenarbeit. Karner hob das Polizeikooperationszentrum in Drasenhofen als "wirkliches Vorzeigeprojekt" hervor. Rakušan sagte, dass der Vertrag über die Polizeikooperation der beste sei, den Tschechien abgeschlossen habe.

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  • Tschechien und Österreich halten trotz des Widerstands von Ungarns Premier Viktor Orbán an dem im Juni erzielten EU-Asylkompromiss fest. "Wir wissen, dass viel zu tun ist", sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Freitagvormittag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem tschechischen Amtskollegen Vít Rakušan in Wien. Aber der Pakt sei "unerlässlich" und "absolut notwendig". Auch Rakušan stimmte zu.