Die FPÖ und die Identitären: Wie glaubwürdig ist Haimbuchner?
Über 40 Anzeigen, Scharmützel mit Polizei sowie Gegendemonstrant:innen und rassistische Reden just am Wiener Helmut-Zilk-Platz, wo Wiens wohl berühmtestes Mahnmal gegen Krieg und Faschismus steht. Am Samstag marschierten einige hundert Rechtsextreme in Wien auf. Neben sogenannten Identitären waren auch FPÖ-Jugend-Funktionär:innen zugegen. Ein Mitglied der Freiheitlichen Jugend Oberösterreich trat sogar als Redner auf.
Während es vor einigen Jahren innerhalb der FPÖ zumindest noch Versuche gab, sich von den rechtsextremen Identitären abzugrenzen, stellt man sich nun sogar hinter sie. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker schickte noch am Sonntag eine Presseaussendung aus.
Für ihn nahmen die Rechtsextremen lediglich an einer "patriotischen Demo für Remigration und gegen den fortgesetzten Bevölkerungsaustausch durch illegale Massenzuwanderung" teil, die durch "Linksextreme" angegriffen worden sei. "Manche Medien", die anderes berichteten, unterstellte er eine "linksextreme Unterwanderung". Namentlich nannte er etwa den "Kurier" und den "Standard".
"In der Freiheitlichen Partei ist die Zeit jeglicher Abgrenzung seit spätestens 2021, also dem Antritt Herbert Kickls als Obmann vorbei", analysierte Rechtsextremismusexperte Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) auf "Ö1".
Aber sehen das alle Freiheitlichen so? Zuletzt wurde zumindest Manfred Haimbuchner, Landeshauptmann-Stellvertreter in Oberösterreich, vom Chef der Identitären angefeindet. Er bezeichnete Haimbuchner als "politischen Dinosaurier", der gegen das "patriotische Vorfeld" vorgehen würde. In Telegram-Gruppen warf man dem FPÖ-Landeschef "aggressive Distanzieritis" vor und teilte Memes mit der Aufschrift "Nicht mein Obmann".
Rhetorische Abgrenzung, keine inhaltliche
Haimbuchner selbst gab sich in einem Statement gegenüber der "Krone" gelassen: "Dass diese Gruppen wenig Freude mit mir haben, ist für mich durchaus beruhigend. Der große bürgerlich liberal-konservative Teil der Bevölkerung steht zu mir und meinem Weg der Politik der Vernunft für Oberösterreich", sagte er.
Gibt es einen Lagerkampf in der FPÖ über den Umgang mit den Identitären? "Einzelnen Exponenten mag Abgrenzung noch ein Anliegen sein, die Linie der Bundespartei ist aber klar: Die Zeit des Distanzierens ist vorbei, die Zeit des gemeinsamen Marschierens angebrochen", sagt Experte Weidinger zu PULS 24. Für ihn ist Haimbuchner nicht glaubwürdig - es sei eine rhetorische, keine inhaltliche Abgrenzung von den Identitären.
Warum gehen die Rechtsextremen eigentlich auf Haimbuchner los? Die oberösterreichische Landesregierung (ÖVP und FPÖ) beschloss vor Kurzem den auf einem Bericht vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) beruhenden "Aktionsplan gegen Extremismus".
Laut Verfassungsschutz nutzten die Identitären die Unzufriedenheit mit Corona-Maßnahmen und haben in der Szene der Covid-Maßnahmengegner auch gewaltbereite Mitkämpfer gefunden. Ganz allgemein stellte man beim Verfassungsschutz fest, dass die Grenzen zwischen den Identitären und der altbekannten Neonazi-Szene zunehmend verschwinden – personelle Überschneidungen gebe es auch mit deutschnationalen Burschenschaften. Landeseigene Räumlichkeiten sollen daher künftig nicht an die Identitären oder "Vereine, die diese unterstützen oder nahestehen" vermietet werden dürfen. Das stößt den Rechtsextremen sauer auf.
Haimbuchner will "nachjustieren"
Haimbuchner ruderte nach Kritik aus den eigenen Reihen bislang nur hinsichtlich der Burschenschaften zurück und will hier "nachjustieren". Einen inhaltlichen Dissens zwischen Haimbuchner und den Identitären gebe es deswegen aber nicht, sagt Weidinger zu PULS 24.
FPÖ bevorzuge "Schulterschluss mit dem rechten Rand"
Rechtsextreme sind in Oberösterreich besonders aktiv, in Steyregg bei Linz haben die Identitären ein Haus gekauft, in Steyr und im Bezirk Vöcklabruck finden besonders häufig Aktionen statt. Der Redner der FPÖ-Parteijugend bei der Demo am Samstag kommt von der oberösterreichischen Parteijugend. Die FPÖ Oberösterreich fördere laut Weidinger "seit geraumer Zeit diverse 'Alternativmedien' identitären Charakters". Einige rechtsextreme und verschwörungsideologische Medien haben ihren Sitz in Oberösterreich.
ÖVP verlangt keine Entscheidung
"Es ist daher offenkundig, dass Haimbuchners Distanzbekundung durch Koalitionsräson motiviert ist. Wenn es einen Richtungsstreit geben sollte, ist dieser nicht inhaltlicher, sondern taktischer Natur und dreht sich um die Frage, ob man im Konfliktfall Regierungsbeteiligungen oder dem Schulterschluss mit dem rechten Rand den Vorzug gibt", so Weidinger.
Der Rechtsextremismusexperte kritisiert dabei aber auch den Koalitionspartner ÖVP: "Wie die jüngsten Koalitionsbildungen auf Landesebene zeigen, wird der FPÖ diese Entscheidung aber von außen gar nicht abgefordert – selbst mit der prononciert rechtsextremen niederösterreichischen FPÖ wird im Land koaliert."
Ein "Flirten" der FPÖ mit rechten und rechtsextremen Gruppierungen habe es eigentlich schon immer gegeben. Vor allem während der Vorbereitungen auf die Regierungsbeteiligung 2017 und während der Koalition mit der ÖVP habe es aber eine gewisse Zurückhaltung gegeben, so Weidinger. Nach dem Ibiza-Skandal und dem Ende der Regierung seien die "Hemmungen" aber "deutlich zurückgegangen".
Ende der "Distanziererei"
Michael Schnedlitz, damals FPÖ-Generalsekretär, rief dann 2020 in einem rechtsextremen Magazin das Ende der "Distanziererei" von den Identitären aus. Dass Norbert Hofer, damals Noch-Partei-Chef, etwas auf Distanz ging und sich auf einen FPÖ-Vorstandsbeschluss berief, wonach man nicht Funktionär:in bei der FPÖ und Mitglied bei den Identitären sein könne, bezeichnet Rechtsextremismusexperte Weidinger als "Null-Aussage". Die rechtsextreme Gruppierung würde so etwas wie eine formelle Mitgliedschaft de facto gar nicht kennen.
Die Parteijugend sei mit den Identitären eigentlich "praktisch fusioniert" und bediene sich derselben Rhetorik und derselben Protestformen. Auch personelle Überscheidungen gibt es. Kickl verharmloste die Rechtsextremen als "unterstützenswertes Projekt" und als "NGO". Hafenecker habe nun in der Presseaussendung ihre Rhetorik übernommen. Dass alles am rechten Rand in Ordnung sei, solange es nicht strafrechtlich relevant ist, sei inzwischen FPÖ-Parteilinie, so Weidinger.
Zusammenfassung
- Die Bundes-FPÖ stellt sich mittlerweile offen hinter die rechtsextremen Identitären. Spätestens seit Kickl parteiintern die Macht übernahm, gibt es keine "Distanziererei" mehr.
- Nur FPÖ-OÖ-Chef Haimbuchner wurde zuletzt von den Rechtsextremen angefeindet. Wie glaubwürdig ist er?
- "Einzelnen Exponenten mag Abgrenzung noch ein Anliegen sein, die Linie der Bundespartei ist aber klar: die Zeit des Distanzierens ist vorbei, die Zeit des gemeinsamen Marschierens angebrochen", sagt Experte Bernhard Weidinger zu PULS 24.
- Für ihn ist Haimbuchner nicht glaubwürdig - es sei eine rhetorische, keine inhaltliche Abgrenzung von den Identitären.