Zabel Award-Preisträger analysieren autoritäre Tendenzen
Neben der 1953 geborenen Ungarin András, die für ihr Lebenswerk als Kunsthistorikerin und Ausstellungskuratorin mit dem 40.000-Euro-Hauptpreis prämiert wurde, erhielten der Bosnier Irfan Hošić, der Rumäne Ovidiu Ţichindeleanu und die Montenegrinerin Natalija Vujošević bei einer Zeremonie im Haus des Sportvereins Sokol in Ljubljana Stipendien jeweils im Ausmaß von 15.000 Euro. Der nach dem herausragenden slowenischen Kunsthistoriker Igor Zabel (1958-2005) benannte und biennal verliehene Preis war 2008 auf Initiative von Zabels Witwe Mateja, dem Wiener Künstler Josef Dabernig sowie Boris Marte von der österreichischen Erste Stiftung gegründet worden. Letztere subventioniert seit damals auch diese Auszeichnung.
Am Donnerstag und Freitag präsentierten die diesjährigen Preisträger in einem Seminar in der Moderna-Galerie und bei Diskussionen nicht nur eigene Projekte, sondern lieferten auch eine kulturpolitische Bestandsaufnahme einer europäischen Region, in der autoritäre Tendenzen eine zunehmende Rolle spielen. Die Rede war aber auch von Strategien, die den Erhalt und die Absicherung von Kunstinstitutionen erlauben könnten.
So sprach András von einer besonderen Bedeutung regionaler und internationaler Zusammenarbeit, die gerade in schwierigen Zeiten ein Sicherheitsnetz sein könnte. Beiträge dazu könne auch die Kunstgeschichte leisten. "Wir können Solidarität innerhalb jener Regionen üben, wo wir die Geschichte verstehen", sagte die auf eine vergleichende regionale Kunstgeschichte spezialisierte Geisteswissenschafterin und Ausstellungskuratorin der APA. Sie plädierte dafür, sich nicht nur mit großen internationalen Fragen à la Gaza zu beschäftigen, sondern sich gerade auch die aktuelle Lage etwa in der Slowakei anzusehen, wo Künstlerinnen und Künstler gegen die Kulturpolitik von Premier Robert Fico protestierten.
Die autoritären Entwicklungen in der ungarischen Kulturpolitik verglich sie bei der Preisverleihung selbst mit einem Prozess, bei dem sich ein Frosch in einem Kochtopf befinde. Die Temperatur im Topf erhöhe sich nur langsam und der Frosch übersehe schließlich, dass er tatsächlich zu Tode gekocht werde. Parallelen sieht die Kunsthistorikerin aber auch zwischen aktuellen Entwicklungen in ihrer Heimat und den Theorien des linken Kulturtheoretikers Antonio Gramsci, der sich seinerzeit in Haft im Italien Mussolinis Gedanken über "kulturelle Hegemonie" gemacht hatte und die Bedeutung von Kultur im Kampf gegen den Faschismus betont hatte. "Wir haben es mit einer gefährlichen und eigenartigen Sache zu tun - die radikalsten Ideen der Linken werden für rechte Ziele eingesetzt", sagte sie.
Zabel-Stipendiat Irfan Hošić, der im bosnischen Bihać Kunstgeschichte unterrichtet und vor Ort an der Gründung von Kulturinitiativen beteiligt war, erzählte insbesondere über bosnische Spezifika. Sieben zentrale Kunstinstitutionen von Bosnien und Herzegowina in Sarajevo befänden sich aufgrund der Blockade durch die bosnische Republika Srpska in der Schwebe und und in prekärem Zustand, erklärte er im Gespräch mit der APA. "Wir versuchen auf diese Probleme hinzuweisen, um für eine Sensibilisierung zu sorgen. Dabei wissen wir, dass wir nicht viel machen können", beschrieb er seine Strategie. Als Aktivist hatte Hošić vor einigen Jahren freilich die Schließung der städtischen Kunstgalerie von Bihać jedenfalls verhindern können.
Der ebenfalls mit einem Stipendium ausgezeichnete rumänische Kunsttheoretiker und Autor Ţichindeleanu unterstrich indes die Notwendigkeit, große staatliche Kunstinstitutionen zu reformieren. Abgesehen von nötigen internen Veränderungen etwa im Zusammenhang mit Dekolonialisierung oder dem Bedürfnis, unterschiedliche Communitys stärker zu repräsentieren, nehme mit Ultranationalismus und Budgetkürzungen der Druck insgesamt zu, schilderte der derzeit in Kopenhagen lebende Rumäne. Die traditionellen Museen sollten sich daher nicht nur für eine Zusammenarbeit mit kleineren unabhängigen Institutionen öffnen, nötig sei es auch, eine Kooperation mit Wissenschaft und anderen Sektoren wie dem Gesundheitssystem anzustreben, um eine größere Öffentlichkeit anzusprechen, erläuterte er im Gespräch mit der APA.
Die Montenegrinerin Natalija Vujošević beschäftigt sich indes nicht nur mit Institutionen aus der Vergangenheit, sie hat auch Erfahrungen mit Wiederbelebung. Das Interesse der Kunsthistorikerin und Kuratorin gilt nicht nur dem Archiv der zwischen 1990 und 2004 veranstalteten Biennale im montenegrinischen Cetinje, sondern auch einer Sammlung von Kunst aus den damaligen blockfreien Staaten, die Grundlage für eine wichtige Kunstinstitution im damaligen Titograd, nunmehr Podgorica, hätte werden sollen. Mit dem Zerfall Jugoslawiens und dem Bedeutungsverlust der Blockfreienbewegung gerieten auch diese Kunstwerke vor Ort nahezu in Vergessenheit. Vujošević reaktivierte die Sammlung, die zuletzt teils auch im Museum für zeitgenössische Kunst Metelkova in Ljubljana zu sehen war. "Die Sammlung und die damalige Galerie von Kunst aus blockfreien Staaten sollte eine Lektion für die Zukunft sein. Gerade wollen wir uns mit diesen Ideen jetzt wieder beschäftigen", sagte Vujošević der APA.
Zusammenfassung
- Am Freitagabend wurde der Igor Zabel Award for Culture and Theory in Ljubljana verliehen, mit einem Hauptpreis von 40.000 Euro.
- Die ungarische Kunsthistorikerin Edit András erhielt den Hauptpreis für ihre kritische Auseinandersetzung mit der ungarischen Kulturpolitik.
- Stipendien in Höhe von jeweils 15.000 Euro gingen an Irfan Hošić aus Bosnien, Ovidiu Ţichindeleanu aus Rumänien und Natalija Vujošević aus Montenegro.
- Die Preisträger diskutierten über autoritäre Tendenzen in Europa und betonten die Bedeutung regionaler und internationaler Zusammenarbeit.
- András verglich die ungarische Kulturpolitik mit einem langsam erhitzten Kochtopf, in dem der Frosch nicht bemerkt, dass er gekocht wird.