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"Ungeordnete Kulturgeschichte der Natur" von Bettina Balàka

Die in Salzburg geborene und in Wien lebende, vielfach ausgezeichnete Autorin Bettina Balàka ist eine kritisch die gesellschaftlichen Entwicklungen beobachtende Zeitgenossin. Das betrifft den Kampf um die Gleichberechtigung der Geschlechter ebenso wie das Verhältnis des Menschen zur Natur. "Vom Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen" heißt ein nun erschienener Essayband, in dem sie ihre vielfältige Auseinandersetzung mit diesem Thema zusammenführt.

"Wir haben die Natur kartiert und taxonomiert, wir lieben und vernichten sie zugleich. Kognitive Dissonanz ist unser Alltag", schreibt Balàka in ihrem Vorwort. "Die erobernde Beziehung des Menschen zu Umwelt und Mitgeschöpfen hat tiefe Wurzeln in der Tradition und Religion. Dabei kontrastiert das permanente Bedürfnis, Tiere, Pflanzen, Ökosysteme unter Kontrolle zu bringen und nutzbar zu machen, mit dem mittlerweile ebenso großen Bedürfnis, 'die Wildnis' zu sehen, zu bereisen, zu genießen." Das Paradoxon im menschlichen Umgang mit der Natur hat viele Gesichter: "Der Wunsch, Ordnung durch Bodenversiegelung herzustellen, geht einher mit dem komplementären Bedürfnis, der Asphaltwüste der Städte zu entfliehen und in möglichst unberührten Wäldern Lebensenergie aufzutanken."

Die Essays, bei denen man Angaben zum jeweiligen Erstabdruck gerne gesehen hätte, beschäftigen sich mit vielen Aspekten und bringen im Plauderton Analyse und persönliche Erfahrung, historische Rückschau und heutige wissenschaftliche Expertise in Einklang. Es geht um die Empathie mit Tieren in der Literatur - von Marie von Ebner-Eschenbachs "Die Spitzin" bis zu "Black Beauty" -, um das Halten von Tieren im Zoo oder um den Flächenfraß. Der Fleischkonsum des Menschen ist Balàka ein besonders gutes Beispiel für kognitive Dissonanz. Das "Meat-Paradox" zeigt das Dilemma klar: "Wir wollen Tieren keinen Schaden zufügen, sie aber dennoch essen." In der Werbung werden vermeintlich glückliche Tiere gezeigt, wer - wie Tierschützer - Bilder der echten Haltungsbedingungen in Tierfabriken in Umlauf bringt, zieht den Zorn auf sich.

Balàka erzählt von Esther, dem "Wunderschwein", und Stoffel, dem südafrikanischen Honigdachs, der zum "Ausbrecher-König" wurde, von nach Jahrzehnten wiederentdeckten botanischen Sammlungen und von einer Nadelbaum-Art, die bis 1994 nur aus fossilen Funden bekannt war, von der in einem australischen Nationalpark 23 Exemplaren entdeckt wurden, und über Aussaat und Stecklinge so weit vermehrt werden konnte, dass heute im Schönbrunner Palmenhaus bereits sogar zwei Exemplare von "Wollemia nobilis" vorhanden sind. Und sie hält ein leidenschaftliches Plädoyer für Biber, denen sie vor drei Jahren bereits ein Kinderbuch gewidmet hat ("Dicke Biber - Ein Naturschutzkrimi"). Die erst durch Konrad Lorenz im Donauraum wieder angesiedelten Biber genießen sehr zu Unrecht einen schlechten Ruf als radikale Abholzer und Zerstörer, ist sich Bettina Balàka sicher: "Dabei ist das einzige Tier, das seinen eigenen Lebensraum vernichtet, der Mensch."

(S E R V I C E - Bettina Balàka: "Vom Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen. Eine ungeordnete Kulturgeschichte der Natur. Essays", Haymon Verlag, 216 Seiten, 22,90 Euro: Lesungen am 14.11., 20 Uhr, bei der Poesiegalerie 2024 in der IG Architektur, Wien 6, Gumpendorferstraße 63B, am 24.11., 13 Uhr, auf der Buch Wien, Messe Wien Halle D, "Standard"-Bühne)

ribbon Zusammenfassung
  • Bettina Balàkas neuer Essayband 'Vom Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen' beleuchtet die komplexe Beziehung des Menschen zur Natur und thematisiert die kognitive Dissonanz zwischen Zähmung und Bewunderung.
  • Ein zentrales Thema ist das 'Meat-Paradox', das die widersprüchliche Haltung des Menschen zum Fleischkonsum trotz Tierliebe aufzeigt.
  • Balàka setzt sich für den Biber ein, der oft als Zerstörer missverstanden wird, und verbindet historische Rückblicke mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen.