Über Tragödie lachen: "MfG, Ödipus" im Bronski & Grünberg
Moritz Franz Beichl (32), Nachwuchs-Nestroy-Preisträger des Jahres 2019, hat alles richtig gemacht. Er hat als Bearbeiter den ungeheuren Stoff um Ödipus, seine Frau und seine Kinder so gestrafft, dass er in drei Stunden (inklusive Pause) alles Wesentliche unterbringt und doch Zeit für neue Schwerpunkte oder Umdeutungen hat. Als Regisseur bringt er viel Komik und Leichtigkeit ins Spiel, ohne die Tragödie zu verraten, und lässt stellenweise in den Abgrund blicken, der auch nach Jahrhunderten Schaudern macht. Wer seine Schülerinnen und Schüler heute auf unterhaltsame und ernsthafte Weise mit dem griechischen Tragödienstoff bekannt machen möchte, sollte sich sofort um Schulvorstellungen bemühen.
Bühnenbildnerin Monika Rovan hat die Mini-Bühne mit Glitzerfäden auf 90er-Jahre hingetrimmt. Im Hintergrund hat sie ein fantastisches Stadtpanorama mit Abendhimmel hingezaubert, in dem man zum Jahrtausendwende-Silvester bloß die eine oder andere Mini-Rakete vermisst. Die Lichter gehen jedoch um Mitternacht des 1.1.2000 weder in der Leuchtreklame "Theben eben!", noch in den Häusern aus, obwohl doch der Y2K-Bug eines der Probleme ist, die König Laios viel Kopfzerbrechen bereiten, ehe der coolere - oder ignorantere - Ödipus den Thron übernimmt.
Wenn zu Beginn Iokaste (Birgit Stöger) und ihr Bruder Kreon sich mit Uno das Warten auf die Rückkehr von König Laios vertreiben und dabei den Tourismus-Rückgang durch das Treiben der Sphinx beklagen, ist man sofort mitten in der freien Interpretation des mythischen Stoffes. Und als kurze Zeit darauf der junge Ödipus (Florian Carove) voller fröhlicher Naivität den Schauplatz betritt, liegt zwischen der ersten, händchenhaltenden Annäherung an (seine Mutter) Iokaste und der Hochzeit weniger als eine Minute.
Die Tragödie nimmt ihren Lauf, das starke Ensemble (mit Sören Kneidl, Josephine Bloéb, Christian Erdt, Philip Kelz, Skye MacDonald und Bettina Schwarz) legt sich ins Zeug, und zwischendurch gibt es viel Grund zum Lachen. Etwa über die Verabschiedung des Polyneikes für ein Austauschjahr nach Tennessee. Als sein Vater ihm sein Lebensgeheimnis anvertraut, dass das Orakel von Delphi ihm einst prophezeite, er werde seinen Vater töten und seine Mutter ehelichen, plaudert der Bub beim Ansehen eines alten Fotos naiv über Familienähnlichkeiten und bringt den Papa damit erst auf den Weg der Selbsterkenntnis und Selbstblendung. Ist das Austauschjahr vorbei, muss er sich - offiziell ist Papa nach einem Burn-Out auf Reha in Kolonos - mit seinem Bruder Eteokles um den Thron streiten. Die Auseinandersetzung der Weltanschauungen endet tödlich. Mutter ist verzweifelt. "Schlimmer geht's nicht mehr!" - "Top, die Wette gilt!"
Für den Theaterabend gilt jedoch: Viel besser geht's nicht mehr. Mit diesem Saisonbeginn hat das Bronski & Grünberg sich und den anderen Bühnen ganz schön etwas vorgelegt.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - "MfG, Ödipus oder Die Kinder des Vaters der Antigone", Regie und Fassung: Moritz Franz Beichl, Bühne: Monika Rovan, Kostüm: Elena Kreuzberger, Mit: Josephine Bloéb, Florian Carove, Christian Erdt, Philip Kelz, Sören Kneidl, Skye MacDonald, Bettina Schwarz, Birgit Stöger. Bronski & Grünberg Theater, Wien 9, Müllnergasse 2, Nächste Vorstellungen: 11., 12., 27., 31. Oktober, www.bronski-gruenberg.at)
Zusammenfassung
- Die Premiere von 'MfG, Ödipus' im Bronski & Grünberg Theater in Wien begeisterte das Publikum mit einer gelungenen Mischung aus Humor und Tragödie. Regisseur Moritz Franz Beichl, 32, straffte den Stoff auf drei Stunden und setzte neue Schwerpunkte.
- Das Bühnenbild von Monika Rovan versetzte die Zuschauer mit einem 90er-Jahre-Design in eine beeindruckende Szenerie, während das Ensemble um Florian Carove zahlreiche humorvolle Momente schuf.
- Die Inszenierung thematisiert auch aktuelle Probleme wie den Y2K-Bug und wurde als gelungener Saisonbeginn gefeiert.