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Totholz und Brotskulpturen: Ausstellungen der Klima Biennale

Was kann Kunst gegen die Klimakrise tun? Normalerweise laute die Antwort: den eigenen CO2-Footprint reduzieren und Awareness schaffen, sagt die Kuratorin Lucia Pietroiusti. Doch viele verwehrten sich dagegen, quasi das Grafikdesign zur Katastrophe schaffen zu sollen. Daher sei sie mit ihrer Kollegin Filipa Ramos mit Künstlerinnen und Künstlern in Dialog getreten. Was dabei herausgekommen ist, kann man ab Samstag im Nordwestbahngelände besichtigen.

Das vom StudioVlayStreeruwitz gemeinsam mit Rajek Barosch Landschaftsarchitekten umgestaltete und über ein Hektar große Areal ist neben der Festivalzentrale im Kunst Haus Wien der zentrale Schauplatz der am Samstag startenden ersten Klima Biennale Wien, die 100 Tage lang für Vernetzung von Gruppen und Themen im Zusammenhang mit der nötigen Transformation der Gesellschaft angesichts der multiplen Krisen sorgen soll. Deswegen ist hier, wo früher reger Güterverkehr abgewickelt wurde und später eine große Wohnbebauung entstehen soll, der Asphalt aufgebrochen, ist zwischen Bepflanzungsinseln aus "geretteten Pflanzen" (Festival Co-Leiter Claudius Schulze) ein Schanigarten eingerichtet, der von einer "Klimakantine" bespielt wird. Kinderspielbereiche und Installationen sollen eine Aufbruchstimmung erzeugen, in der unter einem weiten Himmel und in Sichtweite von hohen Baukränen ganz entspannt über die Zukunft der Welt nachgedacht werden kann. Falls bis 14. Juli die Außentemperaturen die übrig gebliebenen Asphaltflächen nicht ungemütlich warm werden lassen ...

In den ehemaligen Postbusgaragen stellt sich "Biofabrique Vienna", ein Kooperationsprojekt zwischen dem Atelier LUMA in Arles, der Wirtschaftsagentur Wien und dem Institut für Architektur und Entwerfen der TU, vor und zeigt exemplarisch, "wie ungenutzte lokale Ressourcen in neue Materialien für zukünftige Stadtprojekte umgewandelt werden können". "Aus Bauschutt vom Öffi-Ausbau wird moderner Werkstoff made in Vienna", heißt es vielversprechend. Am 8. April (19.30 Uhr) hält Jan Boelen, der künstlerische Leiter von Atelier LUMA, eine Lecture auf der Main Stage der Halle, wo auch Workshopräumlichkeiten zum Austausch einladen.

Die Ausstellung "Design with a Purpose" zeigt in Zusammenarbeit mit der Vienna Design Week Gestaltung als "Schlüssel zu ökologischem, sozialem und sinnstiftendem Zusammenleben und Wirtschaften", in der Schau "Solutions & Strategies" lassen sich Studierende über die Schulter schauen. Zentrale Ausstellung ist aber "Songs for the Changing Seasons". Lucia Pietroiusti und Filipa Ramos haben hier 13 Positionen versammelt, die "sich der Fragestellung, wie fühlt sich diese Klimakrise an, künstlerisch nähern". Die Ausstellung ist, vorsichtig formuliert, sehr divers ausgefallen. Beim Spazieren zwischen in Lila-, Braun- und Rosttönen gehaltenen Latexgebilden und aufgeblasenen Kugeln, die von der in Barcelona geborenen Künstlerin Eva Fàbregas in vielen Ecken der Halle verteilt wurden, dem Abschreiten der vom Studio Ossidiana aus ungewöhnlich designten Vogelhäusern und Volieren errichteten "City of Birds" und dem Betrachten einer Turmskulptur mit dekorierten Brotskulpturen der Chilenin Natalia Montoya erschließt sich der gemeinsame Rote Faden nicht wirklich. "Der Klimawandel betrifft alle und alles", könnte man als Gemeinsamkeit formulieren - und sich nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen, wie sich die titelgebende Soundinstallation von Sofia Jernberg oder die 68 im Raum hängenden in Tusche gezeichneten Fischporträts von Joan Jonas dazu fügen.

Stringenter umkreist die "Into the woods" genannte Hauptausstellung im Kunst Haus Wien ihr Thema. Kuratorin Sophie Haslinger hat hier 16 Positionen versammelt, die sich aus vielen Richtungen dem komplexen Ökosystem Wald annähern. Vom Totholz, das der Chilene Rodrigo Arteaga im Wienerwald gesammelt und mittels Holzstreben aus dem Baumarkt aufgebaut hat, über die erstaunlichen gewachsenen Wurzel-Textilien von Diana Scherer bis zum im Hof aufgebauten Mooshelm des Grazers Markus Jeschaunig, der unter ihm zum Verweilen und Schnuppern einlädt, werden Aspekte wie Waldboden oder Waldbrand, Regenwald oder Abholzung ebenso sinnlich wie künstlerisch erfahrbar gemacht. Dazu gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm - etwa am 12. April, 18 Uhr, einen "Future Talk" zum Thema "Der Wald in der Krise".

Man habe in den Annäherungen an das Thema die Waage zwischen Optimismus und Pessimismus halten wollen, erklärt Pietroiusti im Nordwestbahnareal. Wem aber nach Dystopie zumute ist, der findet im Kunst Haus Wien im Projektraum Garage das Richtige. Hier befindet sich die interaktive Installation "Arapolis" von Baltic Raw Org, die "eine postapokalyptische Zuflucht im Jahr 2070 thematisiert und zum Nachdenken über den Klimanotstand anregt".

(S E R V I C E - "Klima Biennale Wien", 5. April bis 14. Juli an verschiedenen Orten in ganz Wien. www.biennale.wien)

ribbon Zusammenfassung
  • Die Klima Biennale Wien öffnet am 5. April ihre Pforten und wird bis zum 14. Juli an verschiedenen Orten Wiens künstlerische Perspektiven auf die Klimakrise bieten.
  • Im Fokus stehen Ausstellungen wie 'Into the woods' im Kunst Haus Wien, die sich mit 16 künstlerischen Positionen dem Wald widmet, und 'Songs for the Changing Seasons', die mit 13 Werken die emotionale Dimension der Klimakrise ergründet.
  • Das Nordwestbahngelände dient als zentraler Veranstaltungsort, wo auf über einem Hektar Fläche unter anderem ein Schanigarten und eine 'Klimakantine' zur Diskussion und Reflexion einladen.