"Sechzehn Wörter" als Stück: On-Off-Beziehung mit dem Iran
In ihrem Debütroman erzählte die 1978 in Teheran geborene und seit 2012 in Graz lebende Nava Ebrahimi anhand von systematisch ausgewählten Begriffen 16 Facetten einer iranisch-deutschen Familiengeschichte. "Mit viel Witz und abseits gängiger folkloristischer Klischees schildert die Autorin das Ineinander der Kulturen in einer ebenso unangestrengten wie hellsichtigen Sprache", befand die Jury, die der späteren Bachmann-Preisträgerin des Jahres 2021 beim Österreichischen Buchpreis 2017 den Debütpreis zuerkannte.
Als Schauplatz für diese Erinnerung an die eigene Herkunft, die Mona während einer gemeinsamen Iranreise mit ihrer Mutter Minu zur Beerdigung der Großmutter durchlebt, hätte die Zacherlfabrik nicht besser gewählt sein können. 1888-92 in einem orientalisierenden Historismus errichtet, sollte das Industriegebäude an die ursprüngliche Herkunft des hier erzeugten Insektenpulvers in Tiflis erinnern. Es ist ein zaubrischer Ort, umgeben von einem dicht bewachsenen Park. Hier haben Regisseurin Margit Mezgolich und Ausstatterin Agnes Hamvas in einer Fabrikshalle mit wenig Aufwand eine Spielfläche und in einem Nebenraum sogar eine kleine Bar eingerichtet - für davor und danach. Die Aufführung selbst dauert nämlich 90 pausenlose Minuten.
Einige von innen beleuchtete Kartons, ein paar Leuchtstoffröhren und zwei große Porträtfahnen der iranischen Revolutionsführer reichen in der mit gusseisernen Säulen bestückten Halle als Schauplatz für das in Köln, Teheran und der 2003 von einem Erdbeben verwüsteten Lehmziegelstadt Bam spielende Geschehen aus. Was die Wienerin mit iranischen Wurzeln Jasmin Shahali als Mona, die in Wien geborene halbpersische Schauspielerin und Kabarettistin Ariana Schirasi Fard als ihre Mutter und der in Teheran geborene Deutsche Arash Marandi als verheirateter Lover erzählen, ist nur in wenigen Szenen ausagiert. Dennoch entfalten sich Witz und Traurigkeit dieser Familiengeschichte unter dem Eindruck der islamischen Revolution mühelos. Dazu tragen auch Petra Strasser und Christian Kohlhofer in wechselnden Rollen bei.
Die 16 Farsi-Wörter, die jeweils Auslöser für intensive Ausleuchtungen von Aspekten der iranischen Kultur bieten, hätte man freilich gerne ein wenig didaktischer vermittelt bekommen. "Maman-Bozorg" ist die Oma, "Azadi" die Freiheit, nach der sich die Menschen im Iran so sehnen. Man erfährt aber auch, was Sozialamt, Übergepäck, Fremdenfreund oder Muschi auf Farsi heißt - Letzteres in einer besonders unterhaltsamen Szene, in der die Großmutter schmutzige Witze erzählt.
"Der Iran und ich - diese anstrengende On-Off-Beziehung", sagt Mona einmal. Diese Zerrissenheit vermittelt der Abend auf sympathische und witzige Weise. Dass die politische Brisanz seit der Zeit, in der die Handlung spielt, um einiges zugenommen hat, ist traurig genug.
(S E R V I C E - "Sechzehn Wörter" von Nava Ebrahimi, Romanbearbeitung und Inszenierung: Margit Mezgolich, Ausstattung: Agnes Hamvas, Mit: Jasmin Shahali, Ariana Schirasi Fard, Arash Marandi, Petra Strasser, Christian Kohlhofer, Musiker: David Murg und Jakob Wineke. Theater IG Fokus, Zacherlfabrik / Südhalle, Nusswaldgasse 14, 1190 Wien. Weitere Vorstellungen am 29., 30. und 31. August sowie am 1., 2., 4., 5., 6., 7., 8. und 9. September, 20 Uhr. Reservierungen unter Tel. 0664 / 753 97 654 oder E-Mail: ig-fokus@gmx.at)
Zusammenfassung
- Die Gruppe "Theater IG Fokus" hat sich Romanbearbeitungen mit gesellschaftspolitisch relevanten Inhalten an "theaterfernen" Orten verschrieben.
- Für "Sechzehn Wörter" von Nava Ebrahimi begab man sich am gestrigen Samstag passender Weise in die Zacherlfabrik in Wien-Döbling.
- "Maman-Bozorg" ist die Oma, "Azadi" die Freiheit, nach der sich die Menschen im Iran so sehnen.