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"Phaidras Liebe" im VT: Die Ausstellung der Innerlichkeit

Halbnackte Gestalten kriechen zwischen herabhängenden Lampen über den Boden und zeigen in engen Lichtkegeln ihr Begehren und ihre Körperbemalung. Dazu tönt ein archaischer Trommelsound vom Band. Für ihre Inszenierung von "Phaidras Liebe" hat Laura N. Junghanns die "Dunkelkammer" unterm Dach des Wiener Volkstheaters in eine Höhle verwandelt, in eine Geisterbahn-Station, eine Peepshow-Bühne für ein Spiel zwischen Abstoßung und Anziehung.

In Sarah Kanes 1996 uraufgeführter Version des antiken Familiendramas über die von Aphrodite verfluchte und mit leidenschaftlicher Liebe zu ihrem Stiefsohn Hippolytos gestrafte Ehefrau von König Theseus sitzt der schöne Jüngling gelangweilt und depressiv vor dem Fernseher, hat sich von der Welt zurückgezogen und nur an Sex Interesse - obwohl der ihn eigentlich gar nicht anturnt. Junghanns hat die von der britischen Dramatikerin in die Gegenwart geholte und mit heutigen psychischen Leiden in Bezug gesetzte Bearbeitung in ihrer vierten Arbeit für das Volkstheater jedoch wieder in die Ferne gerückt. Ihre 75-minütige Inszenierung ist so etwas wie eine paradoxe Intervention, eine Installation, die innere Vorgänge stilisiert und ausstellt, aber nicht nachvollziehbar macht.

Das von Ausstatter Michael Sieberock-Serafimowitsch und Musikerin Sonae geschaffene Ambiente in dem engen Raum erzielt eine starke Eigenwirkung, die ihre Spannung aber nicht hält. Die vier Darsteller versuchen sich nach Kräften mit expressivem Spiel zu behaupten: Friederike Tiefenbacher umgarnt als Phädra mit nackten Brüsten und heißem Begehren ihren Stiefsohn, den Nick Romeo Reimann als jungen Widerling zeichnet, der sich inmitten von Lust und Macht doch eigentlich nach Liebe sehnt. Hasti Molavian und Stefan Suske bleiben da nur Nebenrollen in einem sich aufheizenden Geschehen, das sich in einer - glücklicherweise als Erzählung und nicht in Bilder umgesetzte - Gewaltorgie entlädt.

Anerkennender Applaus für bewundernswürdigen Einsatz aller Beteiligten und für ein Theater, das an diesem Abend mehr seinen Kunstanspruch als seine gesellschaftliche Relevanz betont hat.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Phaidras Liebe" von Sarah Kane, Regie: Laura N. Junghanns, Bühne und Kostüm: Michael Sieberock-Serafimowitsch, Komposition: Sonae. Mit Hasti Molavian, Nick Romeo Reimann, Stefan Suske, Friederike Tiefenbacher, Volkstheater Dunkelkammer, Nächste Vorstellungen: 17., 27., 28.9., 15.10., www.volkstheater.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Laura N. Junghanns' Inszenierung von 'Phaidras Liebe' im Wiener Volkstheater setzt auf eine außergewöhnliche Bühnenbild- und Soundgestaltung.
  • Die Aufführung betont psychische Leiden und innere Vorgänge, bleibt jedoch schwer nachvollziehbar und endet in einer erzählten Gewaltorgie.
  • Trotz starker schauspielerischer Leistungen und einer intensiven Atmosphäre erhielt die Inszenierung anerkennenden Applaus, ohne jedoch eine starke gesellschaftliche Relevanz zu zeigen.