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Terrorpläne aus der Haft: Lorenz K. muss wieder vor Gericht

Er gilt nach wie vor als einer der Hauptakteure der islamistischen Szene Österreichs - obwohl er bereits 2018 zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Nun muss der mittlerweile 24-jährige Lorenz K. wieder vor Gericht. Vom Gefängnis aus soll er versucht haben, Anschläge anzuzetteln und IS-Propaganda verbreitet haben.

Kann Deradikalisierung im Gefängnis klappen? Der Fall Lorenz K. lässt eher auf das Gegenteil schließen. 

Eigentlich sitzt der mittlerweile 24-Jährige wegen Terror-Delikten eine neunjährige Haftstrafe ab. Gebessert habe er sich dort nicht, so zumindest der neue Vorwurf der Staatsanwaltschaft Graz.

Er soll sich Handys besorgt haben, in der Zelle unter anderem mit einer IS-Fahne posiert, zu Anschlägen aufgerufen und mit einer Nagelbombe geprahlt haben. Das sollen Chats zeigen. Laut Recherchen von PULS 24, "Standard" und APA, muss er sich bald wieder vor Gericht verantworten. 

Ein Fall, der auch Zweifel an den Zuständen in Österreichs Gefängnissen aufkommen lässt.

Radikalisierung nach erster Haftstrafe

Der in Neunkirchen aufgewachsene Österreicher wurde eigentlich nicht religiös erzogen. Seine Eltern, Einwanderer aus Albanien, bezeichnen sich selbst als Atheisten. Im Gefängnis soll Lorenz K. in Berührung mit dem Islamismus gekommen sein. 

Ab dem Jahr 2015 saß er erstmals unter anderem wegen schweren Raubes ein. Ein Mithäftling in Wiener Neustadt soll ihn zum Islam gebracht haben. Wenig später konvertierte K., begann sich über Facebook zu radikalisieren. Vor allem der Hassprediger Mirsad O. alias Ebu Tejma, der derzeit eine 20-jährige Haftstrafe absitzt, gilt als wichtiger Einfluss.

Mittlerweile gilt der 24-Jährige selbst als einer der Hauptakteure der islamistischen Szene Österreichs. Er soll in der gleichen Wiener Moschee gebetet haben wie der Attentäter, der am Schwedenplatz 2020 vier Menschen tötete und mehr als zwanzig teils schwer verletzte.

PULS 24 Chronik-Chefreporterin Magdalena Punz spricht mit Anchorwoman Bianca Ambros über die neuen Anschuldigungen gegen Lorenz K.

Anschlag in Ludwigshafen geplant

Doch K. war auch selbst in Anschlagspläne verwickelt. Im Jahr 2016 tauchte ein damals noch Unmündiger mit einer selbstgebastelten Bombe am Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen (Deutschland) auf. Nur weil die Bombe nicht zündete, gab es keine Verletzten oder gar Tote.

Angestiftet wurde der Unmündige von Lorenz K. via WhatsApp. Der Anschlag sollte im Namen der Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) ausgeführt werden. K. selbst soll Pläne für einen Anschlag auf den Westbahnhof gewälzt haben, wie im Prozess bekannt wurde.

2018 wurde er deshalb zu einer neunjährigen Haftstrafe unter anderem wegen versuchten Mordes und der Aufforderung zu terroristischen Straftaten verurteilt. 

Wieder zu Anschlag aufgerufen?

Seither sitzt der 24-Jährige im Gefängnis - laut derzeitigem Stand noch bis Oktober 2026. Doch seine Entlassung könnte sich erheblich verzögern. Wie gemeinsame Recherchen von PULS 24, "Standard" und APA zeigen, muss er sich schon bald wieder vor Gericht verantworten.

Die Staatsanwaltschaft Graz hat erneut Anklage gegen ihn erhoben. Im Falle einer Verurteilung drohen weitere zehn bis zwanzig Jahre Haft oder lebenslange Freiheitsstrafe, wie die Anklagebehörde PULS 24 bestätigte. 

Laut Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft K. erneut vor, zu Anschlägen aufgerufen und IS-Material verbreitet zu haben. Besonders brisant: Die Vorwürfe beziehen sich auf den Zeitraum 2019 bis 2020. Lorenz K. soll die mutmaßlichen Straftaten also aus dem Gefängnis heraus begangen haben.

Handy in Brot versteckt

Illegaler Weise soll sich der Angeklagte in Haft immer wieder Zugang zu Handys verschafft und Instagram-Accounts mit einschlägigen Alias-Namen angelegt haben. Teils flog dies auf - sechs Mal musste er die Justizanstalt wechseln.

Angelegt haben soll er die Profile 2019 in der Justizanstalt Stein. In Garsten konnte er kein Handy besorgen, in Graz-Karlau im Jahr 2020 dann wieder. "Irgendwann kam ein Handy von einem anderen Stock", sagte der Angeklagte in einer Vernehmung aus. Einmal sei eines in einem Brot versteckt gewesen. Eines wurde bei einer Durchsuchung bei ihm im Genitalbereich entdeckt.

Über ein Profil, das laut den Ermittlern "Vergeltung" geheißen habe und unter IS-Sympathisanten immer mehr Zulauf fand, trat K. so unter anderem in Kontakt mit einem unbekannten Deutschen. "Du kannst eine amelia machen", soll der Angeklagte etwa geschrieben haben. Die Anklage übersetzt "amelia" als "Bombe" oder "Sprengsatz".

Ich mache seit 6 Jahren Ne Antigewalttherapie Und jetzt frag mich mal Wie viel mir die geholfen hat.

Lorenz K.

"Du kannst viel machen du kannst die kuffar (Anm.: Ungläubige) versteckt angreifen. Erstmal baya (Anm.: Treueschwur) geben und deinen Amir (Anm.: Befehlshaber) fragen was das beste ist", soll K. in den Chats wortwörtlich geschrieben haben. 

Über einen anderen Account soll er einem anderen Deutschen ein Video gesendet haben, in dem zu sehen ist, wie der IS Männer lebendig verbrennt. "Ich mache seit 6 Jahren Ne Antigewalttherapie Und jetzt frag mich mal Wie viel mir die geholfen hat", soll K. ihm zu einem späteren Zeitpunkt geschrieben haben. "SO VIEL !!! HAHHAAHAHHAAHHAHAHAHAHAHA", soll er sich selbst geantwortet und ein Foto einer Nagelbombe, die in Ludwigshafen verwendet wurde, mitgeschickt haben. "Du musst shahid (Anm.: Märtyrer) werden", soll er sein Gegenüber aufgefordert haben. 

"Feuer ist eine gute Waffe"

Über WhatsApp soll K. zumindest einer Person ein IS-Video übermittelt haben, in dem Messer-Attentate und Bombenbau erklärt werden. Einem ebenfalls angeklagten früheren Mithäftling in Graz-Karlau soll er ein IS-Video gesendet haben, in dem erklärt wird, dass auch Feuerzeuge für Anschläge reichen würden. So könne man etwa Brände legen. "Feuer ist eine gute Waffe", soll er kommentiert haben. Der Mitangeklagte, ein 33-Jähriger Österreicher, der sich auch verantworten muss, weil er für K. falsch ausgesagt haben soll, soll das Video an zumindest eine Person weitergeleitet haben. 

Und was die Chats auch zeigen: Im Gefängnis Stein soll sogar eine IS-Fahne kursiert sein. Ein Foto, auf dem K. mit so einer posiert, schickte er an Frauen aus dem Gefangenenlager in Al-Hol in Syrien, mit denen er sich über Handy über den Krieg und Gebietsverluste der Kurden ausgetauscht haben soll. "Die Fahne war immer in der Zelle. Alle haben dies gewusst und keiner hat was getan", sagte der Angeklagte gegenüber den Ermittlern aus.

Angeklagter posierte mit IS-FahneScreenshot

Angeklagter posierte mit IS-Fahne

Der nunmehr vorliegenden Anklage gehen jahrelange Ermittlungen des BVT (jetzt Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst) voraus. "Die Verfahrensdauer ist der Komplexität und dem Umfang der zu beurteilenden Beweisergebnisse geschuldet", heißt es dazu von der Staatsanwaltschaft. So wurden auf den Handys auch 179 Bilddateien sowie 831 Videos, die mit dem IS in Verbindung zu bringen sind, gefunden.

1.078 Handys sichergestellt

Insgesamt nahmen die Sicherstellungen von illegalen Handys in den Gefängnissen laut Justizministerium in den vergangenen Jahren zu: 2017 waren es 761, 2019 1.079, 2021 1.180 und 2022 1.078 Handys. Im Ministerium betont man jedoch, dass es "laufend Sicherheits- und Kontrollmaßnahmen" gebe und die Hafträume "in unregelmäßigen Abständen unvermutet durchsucht" werden. Alle 28 Justizanstalten würden über "mobile Handyfinder" verfügen.

Wegen der Chats, die Lorenz K. mutmaßlich über geschmuggelte Handys verfasste, wirft ihm die Staatsanwaltschaft Graz vor, sich trotz seiner langjährigen Haftstrafe "nicht vom IS distanziert (...), sondern weiterhin die radikal-islamistische Ideologie dieser terroristischen Vereinigung verinnerlicht" zu haben. 

Anwalt von Lorenz K. zu den neuen Anklagepunkten

"Nicht schuldig"

Der Angeklagte, gegen den in Graz seit Jänner 2023 auch noch Ermittlungen wegen Verdachtes der schweren Körperverletzung und der gefährlichen Drohung im Gefängnis anhängig sind, wird sich im Verfahren jedoch nicht schuldig bekennen

Er gab gegenüber den Ermittlern zwar zu, dass er die entsprechenden Social-Media Kanäle betrieben habe, er habe mit seinen Nachrichten und Postings aber nur nach Anerkennung und Aufmerksamkeit gesucht.

Die Anerkennung im Internet habe ihm "zur Entspannung" in Haft verholfen, sagte er aus und beklagte schlechte Haftbedingungen in Stein und Graz-Karlau. Mittlerweile sitzt er in Sonnberg, Niederösterreich. Die Suche nach Gruppenzugehörigkeit sei für ihn wie eine Sucht. Das Zusammentreffen mit anderen Islamisten habe das verschärft.

Die Ermittler würden einige arabische Wörter zudem anders übersetzen wie er. "Amelia" bedeutet für ihn nicht "Bombe" oder "Sprengsatz", sondern "Behandlung" oder "Lernen". "Du kannst die kuffar  versteckt angreifen" habe für ihn bedeutet, man solle "Leugnende verbal widerlegen", so der Angeklagte.

Die IS-Fahne sei für ihn nur ein "Siegel des Propheten". Damit posiert habe er, weil er "cool" sein wollte. Und generell sei es nie seine Absicht gewesen, "dass irgendwer - irgendwas macht". 

"Fast eine Erleichterung"

Sein Rechtsanwalt David Jodlbauer betonte gegenüber PULS 24: "Nach dem langen Ermittlungsverfahren ist es fast eine Erleichterung, endlich die Gelegenheit zu erhalten, sich vor einem Gericht zu verteidigen und vor den Geschworenen die über die Vorwürfe entscheiden müssen, Stellung zu nehmen. Mein Mandant ist zuversichtlich, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft entkräftet werden können." 

Mein Mandant ist zuversichtlich, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft entkräftet werden können.

Anwalt David Jodlbauer

Hat die Deradikalisierung versagt?

Der Fall Lorenz K. wirft neben der Schuldfrage, aber noch andere Fragen auf.

Kann Deradikalisierung überhaupt funktionieren? Werden Islamisten im Gefängnis noch mehr radikalisiert?

Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger veröffentlichte zusammen mit Kriminalsoziologin Veronika Hofinger 2017 eine Studie zum Thema Deradikalisierung in Österreichs Gefängnissen, die einige Lücken aufzeigte. Er geht davon aus, dass sich "seither nicht viel verändert" habe, sagt Schmidinger im Gespräch mit PULS 24. 

Damals zeigte sich, dass es an Ressourcen fehle, dass es Lücken bei der Zusammenarbeit zwischen Sozialarbeiter:innen, Psycholog:innen, Religionsunterrichtenden und Behörden gebe. Der zuständige Verein Derad arbeite viel auf Honorarnotenbasis.

"Keine Deradikalisierungsgarantie"

"Ob das noch so ist, weiß niemand", sagt Schmidinger. Es habe seither keine öffentlich zugänglichen Studien mehr gegeben. Allgemein lasse sich aber sagen, dass es eben "keine Deradikalisierungsgarantie" gebe. Es gebe "kein Rezept", das bei jedem funktioniere. Vor allem bei Jüngeren, mit denen man intensiv arbeite, gebe es aber Erfolge. Bei Älteren, die stark radikalisiert seien, gebe es weniger Hoffnung. 

Es sei aber in Österreich - anders als etwa in Frankreich - nicht so, dass Gefängnisse Hauptschauplätze der Radikalisierung sind, so der Experte. Was nicht heißt, dass das gar nicht vorkomme. Schmidinger betont dennoch weiterhin, dass es für Deradikalisierung in Gefängnissen Professionalisierung und mehr Geld brauche. 

Ein Termin für den Prozess gegen Lorenz K. steht noch nicht fest.

ribbon Zusammenfassung
  • Er gilt nach wie vor als einer der Hauptakteure der islamistischen Szene Österreichs - obwohl er bereits 2018 zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.
  • Nun muss der mittlerweile 24-jährige Lorenz K. wieder vor Gericht.
  • Vom Gefängnis aus soll er versucht haben, Anschläge anzuzetteln und IS-Propaganda verbreitet haben. Er bestreitet die Vorwürfe.