Mann in Wiener Neustädter Mordprozess teilweise geständig
Das Geschehene könnte auch aus der Feder eines Hollywoodautors stammen, habe sich aber "zu einer todernsten Realität entwickelt", sagte Staatsanwalt Markus Bauer im Eröffnungsvortrag. Ein Supermarkt "war zentrale Verdienstmöglichkeit der Familie", der Angeklagte habe aber verstanden, "dass sich mit dem Drogengeschäft wesentlich mehr und profitabler Geld verdienen lässt". Am 8. Juni 2023 sei der Beschuldigte erstmals von einer "Organisation" - den Kontakt soll der 34-Jährige hergestellt haben - nach Bulgarien geschickt worden, um 30 Kilo Heroin mit dem Auto nach Österreich zu schmuggeln.
Bei der Fahrt soll der Angeklagte seine Begleiterin mit einer Waffe bedroht haben, den Wagen retour zu lenken. Die Frau ging später zur Polizei, aber "ein bisschen Zweifel" sei geblieben, formulierte es der Staatsanwalt. Im Zuge eines Treffens im Juni 2023 soll der Beschuldigte laut Anklagebehörde seiner Bekannten Drogen ins Getränk gemischt und sie vergewaltigt haben. Abermals erstattete die Frau Anzeige. Daraufhin sei das Handy des 44-Jährigen überwacht und ein Peilsender an seinem Wagen angebracht worden.
Eine weitere Drogenkurierfahrt im September 2023 war laut dem Vertreter der Anklagebehörde "schiefgegangen". Der Beschuldigte sprach hingegen von einer Urlaubsreise in die Türkei mit seiner Lebensgefährtin: "Ich wollte keinen Drogenschmuggel machen." Eine Tasche mit Suchtgift, die ihm bei einem Hotel in Bulgarien überreicht worden sei, habe er sofort wieder zurückgegeben. Als der 44-Jährige ohne Ware zurückgekommen sei, sei "Feuer am Dach" gewesen, meinte Bauer: "Der Angeklagte wurde massiv unter Druck gesetzt." Der 44-Jährige berichtete von Drohungen, wonach er 300.000 Euro, durch die Übergabe des Supermarkts oder mit dem Leben bezahlen sollte.
Der Türke soll am 24. September 2023 bei einem Treffen gegen 0.30 Uhr mit einer Pistole, die er aus der Wohnung des 34-Jährigen in Wien gestohlen hatte, aus dem Auto heraus auf seinen Landsmann geschossen haben. Schauplatz war der Parkplatz eines Einkaufszentrums mit Kinobetrieb. Zuerst habe der 34-Jährige seine Waffe gezogen, berichtete der Angeklagte. Er gab an, zunächst aus dem geparkten Pkw auf den Boden geschossen, dann "Vollgas gegeben" und "in panischer Angst" zweimal abgedrückt zu haben.
Drei Schüsse aus Auto abgegeben
Ein aus Tschetschenien stammender 40-Jähriger, der den 34-Jährigen zu dem Parkplatz gefahren hatte, schilderte, dass das Opfer nach dem ersten Schuss aus einem Auto zusammengebrochen und dann zweimal auf den am Boden Liegenden gefeuert worden sei. "Es ist Panik ausgebrochen, die Leute sind geflüchtet", sagte der Zeuge laut Dolmetscherin. Ein in Zusammenhang mit den Drohungen nicht rechtskräftig verurteilter 34-jähriger Bekannter des Getöteten sprach ebenfalls von drei Schüssen. Das Opfer habe keine Waffe dabeigehabt, meinten beide Zeugen im Gegensatz zum Angeklagten.
Nach einem Durchschuss des Herzens und der Lunge starb das Opfer an Ort und Stelle. Der mutmaßliche Schütze wurde aufgrund eines Europäischen Haftbefehls kurz vor 7.00 Uhr in Röszke an der ungarisch-serbischen Grenze festgenommen und im Mai 2024 nach Österreich ausgeliefert. Weitere Anklagepunkte neben Mord sind Vergewaltigung, Suchtgifthandel, Nötigung und Vergehen nach dem Waffengesetz.
Beschuldigter bestritt Mord und Vergewaltigung
Sowohl der Angeklagte als auch das Opfer waren im Lebensmittelhandel tätig. Weil die Geschäfte des Supermarkts nicht mehr so gut gelaufen seien, habe er 2021 oder 2022 mit dem Konsum von Crystal Meth begonnen, erzählte der Beschuldigte. Er gab die Drogenfahrt und die Tötung zu, bestritt aber den Mordvorwurf und die Vergewaltigung. Verteidiger Rudolf Mayer las zahlreiche Sprachnachrichten des späteren Opfers vor: Kurz vor der Tat soll der 34-Jährige dem Angeklagten gedroht haben, ihn und seine Familie zu töten. Mayer beantragte am Ende des ersten Verhandlungstages die Einholung eines Gutachtens eines Schießsachverständigen, entschieden wurde am Dienstag noch nicht darüber.
Der Bruder des Opfers, der von Rechtsanwalt Philipp Wolm vertreten wird, schloss sich mit einer Forderung nach 15.000 Euro Schmerzensgeld als Privatbeteiligter an dem Verfahren an. Der Betrag wurde von der Verteidigung anerkannt. Der nächste Verhandlungstag in dem Prozess unter Vorsitz von Richterin Birgit Borns ist für 11. März angesetzt. Ein Urteil soll bei einem dritten Termin am 24. April fallen.
Die geforderte Übergabe des Familienbetriebs war am 5. Februar im Zentrum eines Prozesses am Landesgericht Wiener Neustadt gestanden. Ein 34-jähriger Komplize des Getöteten wurde wegen versuchter schwerer Nötigung nicht rechtskräftig zu zwei Jahren Haft, davon sechs Monate unbedingt, verurteilt.
Zusammenfassung
- Der Prozess gegen einen 44-jährigen Türken begann, der sich teilweise schuldig bekannte, jedoch die Vorwürfe des Mordes und der Vergewaltigung bestritt.
- Der Angeklagte behauptet, in Notwehr gehandelt zu haben, nachdem er vom 34-jährigen Opfer bedroht worden sei.
- Eine gescheiterte Drogenkurierfahrt im September 2023 führte zu Drohungen gegen den Angeklagten, der unter Druck gesetzt wurde, 300.000 Euro zu zahlen.
- Zeugen widersprechen der Aussage des Angeklagten, dass das Opfer bewaffnet gewesen sei, und berichten von drei Schüssen.
- Der Prozess wird am 11. März fortgesetzt, und ein Urteil wird für den 24. April erwartet, während der Bruder des Opfers 15.000 Euro Schmerzensgeld fordert.