Pestizid-Reduktion laut Rechnungshof "nicht ausreichend"
Die Prüfung des Rechnungshofes umfasste die Jahre 2017 bis 2021. Die Datenlage war dem Bericht zufolge allerdings mangelhaft: Zwar veröffentlicht das Landwirtschaftsministerium jährliche Daten zu den in Verkehr gebrachten Pestiziden, allerdings wurden Importe von Pflanzenschutzmitteln wie Internetkäufe oder grenzüberschreitende Eigenimporte von landwirtschaftlichen Verwendern in den Statistiken nicht berücksichtigt.
Weiters ließen die in Verkehr gebrachten Mengen an Wirkstoffen aufgrund der unterschiedlichen Toxizität keine Aussagen über deren Risiko für Mensch und Umwelt zu. Der Rechnungshof wies aber darauf hin, "dass in Österreich Wirkstoffe zum Einsatz kamen, bei denen Gesundheitsbedenken bestätigt waren". 2021 wurden hierzulande bei Pestizidrückstandskontrollen von Lebensmitteln 32 von 1.798 Proben als gesundheitsschädlich oder für den menschlichen Verzehr ungeeignet beurteilt; davon stammten zwei aus inländischer Produktion.
In Österreich fehlte im überprüften Zeitraum zudem "die Unabhängigkeit der Zulassungs- und der Bewertungsstelle". Die nationale Zulassungsstelle für Pflanzenschutzmittel in Österreich, das Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES), ist demnach "eine dem Landwirtschaftsministerium nachgeordnete Dienststelle". Das BAES bediente sich bei den Zulassungsverfahren dem Bericht zufolge "in personeller und organisatorischer Hinsicht" wiederum bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). "Diese Gesellschaft steht zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes. Gegenseitige Einflussnahmen zwischen der Risikobewertung und dem Risikomanagement im Zuge der Entscheidungsfindung konnten nicht ausgeschlossen werden", hieß es.
Der Rechnungshof wies in seinem Bericht auch auf die im EU-Vergleich große Anzahl von Notfallzulassungen in Österreich hin. Darunter fielen auch besonders gefährliche, in der EU nicht mehr zugelassene Wirkstoffe. Speziell im untersuchten Zeitraum gab es demnach einen starken Anstieg von Notfallzulassungen. "Die Prüferinnen und Prüfer beurteilen die Entwicklung der Notfallzulassungen kritisch, weil dadurch strengere Standard-Zulassungsverfahren umgangen werden konnten", so der Rechnungshof.
Zudem bemängelte der Rechnungshof, dass die amtlichen Kontrollen der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln durch die Länder nicht nach einheitlichen Standards erfolgen. "Entsprechende EU-Regelungen wurden hierzulande durch neun Landesgesetze mit jeweils unterschiedlichen Vorgaben umgesetzt", urteilte der Rechnungshof.
"Wir bekennen uns klar zum integrierten Pflanzenschutz, das heißt so viel wie notwendig, so wenig wie möglich", reagierte das Landwirtschaftsministerium in einer Stellungnahme gegenüber der APA. "Ziel ist es, den Einsatz von Pflanzenschutz nachhaltig zu optimieren und die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln zu sichern. Gleichzeitig wollen wir uns stetig verbessern. Die Empfehlungen des Rechnungshofes, die im Aufgabenbereich des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft liegen, werden daher sorgfältig und in Richtung Verbesserungspotenzial geprüft."
"Die Trennung von wissenschaftlicher Risikobewertung der AGES und des behördlichen Risikomanagements des Bundesamtes für Ernährungssicherheit (BAES) ist im Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz (GESG) festgelegt, um eine unabhängige Entscheidung in Organisationsstruktur und Aufgabenbereichen gemäß der europäischen Prinzipien zu gewährleisten", betonten die beiden Einrichtungen in einer Reaktion auf den Bericht. Bereits 2015 sei im Rahmen des Strategieprozesses "Zukunft Pflanzenbau" eine erhöhte Transparenz bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln geschaffen worden, indem "eine strikte personelle Trennung zwischen der Risikobewertung der AGES und dem Risikomanagement des BAES umgesetzt wurde", hieß es weiter. "Die Bewertung und Prüfung von Pflanzenschutzmitteln auf nationaler bzw. zonaler Ebene erfolgt in Österreich durch Expertinnen und Experten der AGES. Diese stellen der nationalen Zulassungsbehörde BAES einen Bewertungsbericht als Grundlage für die Zulassungsentscheidung zur Verfügung. Die Bewertung umfasst dabei die Bereiche Humantoxikologie, Ökotoxikologie, Umweltverhalten, Rückstandsverhalten (Lebensmittel), Wirksamkeit und Phytotoxizität sowie physikalisch-chemische Eigenschaften", hieß es in der Stellungnahme.
"Die quantitative Beurteilung der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln sagt nichts über Qualität und Risiko aus. Lebensmittel in Österreich sind so sicher wie nie zuvor", reagierte Ferdinand Lembacher, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Österreich. Die regelmäßigen Untersuchungen des Bundesamtes für Ernährungssicherheit bescheinigen österreichischen Lebensmitteln demnach "absolute Unbedenklichkeit. Österreichische Lebensmittel schneiden besser ab, als europäische oder internationale Produkte", wurde betont.
Der Rechnungshof-Bericht bestätige die jahrelange Kritik von Global 2000 an der mangelhaften Umsetzung der seit 2011 rechtskräftigen EU-Richtlinie für die nachhaltige Nutzung von Pestiziden durch Österreich, teilte die heimische Naturschutzorganisation mit. "Pestizide haben verheerende Auswirkungen auf Bienen, Vögel, Säugetiere und Bodenbewohner. Und sie verschmutzen - wie unsere neuen Untersuchungen zeigen - auch das Trinkwasser der Österreicherinnen und Österreicher", betonte Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker von Global 2000, in einer Stellungnahme.
Zusammenfassung
- Die EU plant, chemische Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 50% zu reduzieren. Der Rechnungshof kritisierte, dass Österreich diese Ziele bisher nicht ausreichend umsetzt.
- Die Datenlage zu Pestiziden in Österreich ist mangelhaft; Importe und Internetkäufe werden nicht berücksichtigt, was eine vollständige Risikobewertung erschwert.
- 2021 wurden in Österreich 32 von 1.798 Lebensmittelproben als gesundheitsschädlich oder ungeeignet für den menschlichen Verzehr bewertet.
- Die Unabhängigkeit der Zulassungs- und Bewertungsstellen wird in Österreich angezweifelt, da gegenseitige Einflussnahmen nicht ausgeschlossen werden können.
- Österreich hat im EU-Vergleich viele Notfallzulassungen, auch für besonders gefährliche Wirkstoffe, die in der EU nicht mehr zugelassen sind.