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Mit neuen Strategien gegen erblichen Brustkrebs

Die meisten Brustkrebserkrankungen treten "spontan" auf. Doch bei einem Risiko für ein Mammakarzinom mit erblich vermitteltem Hintergrund ist besondere Vorsicht geboten. "Hier werden zunehmend neue Strategien in Früherkennung und sogar für eine Prävention diskutiert", erklärte der Wiener Experte Christian Singer (MedUni Wien/AKH) aus Anlass der bevorstehenden Internationalen St. Gallen Brustkrebskonferenz in Wien.

Ein heikles Thema ist und bleibt erblich bedingter Brustkrebs. Nach der Entdeckung der BRCA1- und BRCA2-Genmutationen, die mit einem hohen und sehr frühen Risiko für Brust- und/oder Eierstockkrebs verbunden sind, wurde hier enorm viel zusätzliches Wissen angehäuft. Der Wiener Gynäkologe: "Wir wissen heute, dass etwa fünf bis sieben Prozent der Mammakarzinom-Erkrankungen durch BRCA1 bzw. BRCA2 verursacht werden. Das ist ein erbliches Risiko. Aber wir schätzen gleichzeitig, dass insgesamt zehn bis 15 Prozent der Brustkrebserkrankungen familiär gehäuft auftreten." Hier dürften verschiedene vererbbare und in manchen Familien vermehrt auffindbare genetische Faktoren eine Rolle spielen, deren Ursächlichkeit für die Krebserkrankung nicht so eindeutig definiert werden kann.

Wichtig wäre es, dass Frauen vor allem hellhörig bei Brustkrebsfällen in ihrem familiären Umfeld sind. Singer: "Auf eine erbliche Belastung kommt man in erster Linie im Rahmen des Erhebens einer Krankengeschichte (Anamnese; Anm.). In Österreich gibt es flächendeckend hundert Brustgen-Beratungsstellen, an die sich Frauen wenden können." Sollte ein Verdacht auf eine erbliche Belastung bestehen, kann dort mit Spezialisten der Frage auf den Grund gegangen werden. Dann wird gemeinsam mit der betroffenen Frau auch entschieden, ob eine Genom-Untersuchung auf Risikogene sinnvoll ist.

Im Falle eines solchen Risikos werden derzeit mehrere Strategien angeboten. Singer: "Erstens ist das eine besonders engmaschige Überwachung, um ein allfälligerweise entstehendes Karzinom möglichst frühzeitig zu entdecken. Hier erfolgt am besten eine jährliche Screening-Untersuchung per Magnetresonanztomografie (MRT; Anm.)."

Die zweite Möglichkeit wäre die chirurgische Entfernung des Brustgewebes. Der wahrscheinlich bekannteste Fall war hier die US-Schauspielerin Angelina Jolie, die sich 2013 einem solchen Eingriff wegen einer BRCA1-Genbelastung unterzog. Ihre Mutter, ihre Großmutter und eine Tante waren deswegen an Brustkrebs erkrankt und gestorben. "Heute sind diese Eingriffe so gut, dass es sich fast um eine kosmetische Brustoperation handeln könnte", sagte Singer.

Für einen solchen Eingriff entschließen sich Frauen oft schon früh. Etwas anderes ist die chirurgische Entfernung der Eierstöcke und der Eileiter, um ein Ovarialkarzinom aufgrund einer erblichen BRCA1/BRCA2-Belastung auszuschalten. "Dazu entschließen sich Frauen oft ab dem 40. Lebensjahr. Oft erst, wenn die persönliche Familienplanung abgeschlossen ist", erklärte der Experte.

Unter den Experten wird auch zunehmend eine Chemoprävention von Brustkrebs bei besonders Gefährdeten diskutiert. Eine Möglichkeit könnte das antihormonell wirksame Medikament Tamoxifen sein, das seit vielen Jahren zur Behandlung von Östrogen-abhängigem Brustkrebs eingesetzt wird.

Doch eine von Singer im Rahmen der österreichischen Studiengruppe für Brust- und Darmkrebs (ABCSG) initiierte wissenschaftliche Studie könnte hier völliges Neuland betreten. "Es handelt sich um die ABCSG-Studie 50, auch BRCA-P genannt. Es ist eine randomisierte (Zuteilung der Patientinnen zu Vergleichsgruppen nach Zufallsprinzip; Anm.), doppelblinde und Placebo-kontrollierte internationale Untersuchung der Phase III. Teilnehmen werden rund 350 Patientinnen, die eine BRCA1-Mutation aufweisen, was ein hohes Risiko für ein früh auftretendes Mammakarzinom bedeutet. Sie erhalten fünf Jahre lang das Medikament Denosumab. Danach folgt eine fünf Jahre dauernde Beobachtungsphase. Dann soll sich zeigen, ob Denosumab die Entstehung von Brustkrebs verhindern kann."

Denosumab ist ein monoklonaler Antikörper, der seit Jahren in der Behandlung von krankhaftem Knochenabbau (Osteoporose) eingesetzt wird. Die österreichische Studiengruppe ABCSG hat vor einigen Jahren bewiesen, dass das Medikament bei Frauen mit Brustkrebs eine vor Rückfällen schützende Wirkung aufweist. "Jetzt geht es um die mögliche Primärprävention von Brustkrebs bei 25- bis 55-jährigen Frauen mit hohem Erkrankungsrisiko."

Bei der Internationalen St. Gallen Brustkrebskonferenz wird es jedenfalls gerade zu diesen Themen den aktuellen Stand des Wissens und entsprechende Diskussionen geben. "Zum Beispiel ist noch nicht klar, ob alle Patientinnen mit einem Mammakarzinom aufgrund einer BRCA1- oder BRCA2-Mutation auch mit einem sogenannten Parp-Inhibitor behandelt werden sollten." Solche Medikamente hemmen die Zellteilung und bremsen somit ein Tumorwachstum.

Eine andere Frage: Sollten sich Frauen bei einer Mammakarzinom-Erkrankung infolge von BRCA1 auch dazu entschließen, das Brustgewebe der zweiten Brust entfernen zu lassen? "50 bis 60 Prozent bekommen nach dem ersten Karzinom auch eines in der anderen Brust", sagte Singer. Auch hier sollte ein für die Betroffenen sicherer und gangbarer Weg aufgezeigt werden.

Bei der Konferenz treffen einander zwischen 12. und 15. März mehrere tausend Teilnehmer in Wien, um - das erfolgt immer in einem Zwei-Jahres-Rhythmus - die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Mammakarzinome zu sichten, einzuordnen, zu diskutieren und dann zu kritischen Fragen einen Konsens für die auf diesem Gebiet tätigen Ärzte und die Betroffenen zu finden. Singer: "Die Internationale St. Gallen Brustkrebskonferenz ist für ihre Disziplin so etwas wie das Weltwirtschaftsforum Davos für die Wirtschaft."

ribbon Zusammenfassung
  • Etwa fünf bis sieben Prozent der Brustkrebserkrankungen sind auf BRCA1- und BRCA2-Genmutationen zurückzuführen, während insgesamt zehn bis 15 Prozent familiär gehäuft auftreten.
  • In Österreich stehen Frauen rund hundert Brustgen-Beratungsstellen zur Verfügung, um eine erbliche Belastung zu prüfen und gegebenenfalls Genom-Untersuchungen durchzuführen.
  • Zu den Strategien bei hohem Risiko gehören eine engmaschige Überwachung mittels jährlicher MRT-Untersuchungen und präventive chirurgische Eingriffe wie die Entfernung des Brustgewebes.
  • Die ABCSG-Studie 50 untersucht die Wirkung von Denosumab zur Prävention von Brustkrebs bei Frauen mit BRCA1-Mutation über einen Zeitraum von zehn Jahren.
  • Die Internationale St. Gallen Brustkrebskonferenz wird neue wissenschaftliche Erkenntnisse diskutieren, darunter die Behandlung mit Parp-Inhibitoren und die Entfernung des Brustgewebes der zweiten Brust bei BRCA1-bedingtem Brustkrebs.