APA/APA/THEMENBILD/ROBERT JAEGER

JKU-Forscher Wallner drängt auf PV-Freiflächen-Anlagen

80 Prozent der neu errichteten Kraftwerkskapazitäten weltweit (Stand 2021) betreffen erneuerbare Energien - eine Zahl, die den Linzer Universitätsprofessor Gernot Wallner optimistisch stimmt, dass die Transformation zu schaffen ist. Allerdings: "Wir brauchen Freiflächen-Anlagen", mit privaten Dach-PVs alleine werde man das Ziel nicht erreichen. Der APA gab er Einblick in diverse Möglichkeiten, die Energiewende voranzutreiben und die Rolle, die Kunststoffe dabei spielen.

"Kunststoffe sind Dreh- und Angelpunkt in der Energiewende", sagt Wallner. Das von ihm geleitete Christian Doppler Labor an der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU) befasst sich mit diesen, konkret mit ihrer Alterung unter diversen Umwelteinflüssen. In einem Vakuumofen im Untergeschoß des JKU-Science-Parks werden kleine Solarpaneele "gebacken", ähnlich wie in der Industrie, nur im kleineren Maßstab. Mehrere Schichten - eine Siliziumzelle, die Stromleiter und außen jeweils eine Stoßdämpfer- und eine Deckschicht - werden aufeinandergelegt und in einer halben Stunde im Laminator verbunden. Danach sollte das fertige Paneel auch einem Hagelunwetter standhalten.

Im "CD-Labor für Alterung von Polymerlaminaten bei mechanischer Beanspruchung und Umgebungseinwirkung" (AgePol) wird dann geprüft, wie gut diese Verbundmaterialien halten und wie schnell sie altern. Dafür werden Methoden entwickelt, diesen Prozess im Zeitraffer zu betrachten, nach drei Tagen weiß man, ob die - beispielsweise zu einem Solarpaneel verbundenen - Schichten auch nach 20 Jahren noch aneinander haften werden. Wallners Wunsch wäre nach Abschluss dieser Forschungsarbeit ein Follow-up-Projekt, das sich damit befasst, wie man die Kunststoffe wieder voneinander trennt und wiederverwertet.

75 Prozent aller neuen Energieanlagen weltweit seien bereits PV- und Windkraft-Anlagen, sagt er. Mit Anlagen auf Dächern alleine werde man in der Photovoltaik aber nicht das Auslangen finden, der Output ist begrenzt. Die JKU beispielsweise plant mit ihrer Dach-PV-Anlage ca. zehn Prozent ihres Strombedarfs zu decken, energieintensive Unternehmen schaffen meist deutlich weniger, die Stadt Linz will auf ihren eigenen Gebäuden bis 2040 an die 40 Prozent des Bedarfs des Magistrats selbst zu erzeugen. Dann ist aber wohl nach derzeitigem Stand der Technik der Plafond erreicht - folglich muss man in die Fläche gehen.

Global gesehen wäre das zumindest in der Theorie gar kein Problem: Ein kleiner Teil der Sahara würde reichen, um den Energiehunger der gesamten Erde zu stillen, rechnet Wallner vor. Europa müsse daher mit anderen Ländern kooperieren, findet er. Das oft vorgebrachte Argument, dass der PV-Boom viel Müll nach sich ziehen werde und damit die Nachhaltigkeit fraglich sei, lässt er nicht gelten: Die schichtweise aufgebauten PV-Paneele könne man mit einem Lichtblitz "leicht wieder enthaften". Bisher sei das noch nicht so häufig, weil es noch nicht so viele PV-Paneele gebe, die bereits am Ende ihrer Lebenszeit angekommen sind.

Seine Familie war traditionell im Kohlebergbau tätig, schildert der Uni-Professor im Gespräch mit der APA, er wolle in diese Fußstapfen treten, aber eben mit modernen Mitteln und CO2-neutral. Daher hat er sich der Sonne verschrieben - und den Kunststoffen. Letztere spielen in der Energiewende eine zentrale Rolle. Sie seien sowohl für PV-Anlagen essenziell als auch für Windräder, deren Flügel aus Kunststoff sind, weil sie sonst viel zu schwer wären. Der Kunststofftechniker verweist aber auch auf ein Projekt in Høje-Taastrup nahe Kopenhagen, wo Entwicklungsarbeiten in die Praxis umgesetzt wurden: Dort wurde ein riesiger, rund 70.000 Kubikmeter fassender Erdspeicher für heißes Wasser errichtet. Befüllt wird er mit Abwärme aus der Industrie oder mit Überschussenergie von Windkraftanlagen, später wird das Wasser in das Fernwärmenetz eingespeist. Bei uns leite die Industrie noch viel zu oft warmes Wasser in Flüsse oder das Erdreich ab, kritisiert er. Diese Großwasserwärmespeicher brauchen eine Auskleidung aus langzeitbeständigen Kunststoffen, die von der chemischen Zusammensetzung Wachsen sehr ähnlich sind. In Wallners Labor stehen daher auch Wärmeschränke, mit denen daran geforscht wird, wie bzw. welche Kunststoffe hohen Temperaturen über lange Zeiten standhalten und welche Zusatzstoffe die Gebrauchsdauer verlängern.

2021 verbrauchte die Menschheit global rund zwölf Milliarden Tonnen fossile Rohstoffe (in Öl-Äquivalenten) - ein Drittel davon Kohle, etwas mehr als ein Drittel Öl, ein knappes Drittel Gas. Weltweit gesehen geht jeweils ein Drittel der damit verbundenen 40 Milliarden Tonnen fossilen CO2-Emissionen auf das Konto von Verkehr, Industrie und Haushalten, in Europa verschiebt sich das Verhältnis aufgrund der zunehmenden Deindustrialisierung etwas, weg von der Industrie und hin zum Verkehr. Global wurden 2021 dadurch 42 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre freigesetzt, rechnet Wallner vor. Ein verhältnismäßig kleiner Teil des Öls - rund 370 Millionen Tonnen - wurde zu Kunststoff verarbeitet. Dennoch: "Wir müssen dahin kommen, dass wir Kunststoffe aus CO2 machen." Eine zentrale Rolle für eine kreisförmige Kohlenstoffwirtschaft könnten Alkohole wie Methanol spielen: Methanol lässt sich mit Hilfe von Sonnenenergie aus CO2 herstellen, könne als Energiespeicher dienen, und als Rohstoff - etwa für die Kunststofferzeugung - genutzt werden. Laut Wallner wäre Methanol in Pipelines und Tankern zu transportieren, und das einfacher und risikoärmer als Wasserstoff.

ribbon Zusammenfassung
  • Linzer Uni-Professor Gernot Wallner sieht in Freiflächen-PV-Anlagen einen Schlüssel zur Energiewende, da Dachanlagen allein nicht ausreichen.
  • Im JKU-Labor wird die Haltbarkeit von Kunststoffen in Solarpaneelen erforscht, um die Langlebigkeit und spätere Wiederverwertung zu optimieren.
  • Wallner verweist auf das Potenzial von Kunststoffen in der Energiewende, sowohl für Solaranlagen als auch für Wärmespeicher.
  • Eine Kooperation Europas mit anderen Ländern wird für die Energieversorgung als notwendig erachtet, wobei ein kleiner Teil der Sahara genügen würde.
  • Die Forschung zielt darauf ab, Kunststoffe zukünftig aus CO2 zu gewinnen und Methanol als Energiespeicher und Rohstoff zu nutzen.